Bis Sonntagabend sind die Türen der Hochschule für Grafik und Buchkunst geöffnet, um traditionellerweise einmal im Jahr zu zeigen, was hinter den dicken Wänden in der Wächterstraße passiert.
»Art is Money. Money is Art« steht auf einer räudig aussehenden Pappe. Sie ist an einem Holzstiel montiert und lehnt an einer Säule im HGB-Lichthof: Bereit zur Demonstration gegen die Mechanismen der kapitalistischen Warenwirtschaft, in der Kunst als ein Element unter vielen schon lange gehandelt wird. Am sehr gut besuchten Eröffnungsabend nimmt es keiner der Gäste in die Hand und zeigt so Haltung. Zu arty wurde es arrangiert. Zudem liegen im Lichthof unzählige A4-Blätter mit einem Statement des Studierendenrats zur Ökonomisierung der HGB.
Keine 24 Stunden später fehlen Flyer und Protestschild. Der Innenhof ist mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, in seiner Mitte liegt ein großer Trümmerhaufen.
Allerdings finden sich an den Wänden noch Aufkleber mit dem Spruch »Powered by –173.000«. Sie spielen auf das Minus von insgesamt 173.000 Euro in den nächsten drei Jahren im Haushaltsbuch der HGB an. Das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst unter Leitung von Eva-Maria Stange (SPD) hat Zielvorgaben vereinbart, dass ein bestimmter Prozentsatz der Studierenden ihr Studium in der Regelzeit abschließen müssen. Wird diese Zahl nicht erfüllt, müssen die Hochschulen Strafe zahlen. Für die HGB ergaben sich 173.000 Euro. Der Studierendenrat befürchtet finanzielle Einbußen bei den Stellen für studentische Hilfskräfte oder für Exkursionen. In Anspielung darauf putzten Studierende am Eröffnungsabend schon einmal die Gänge oder platzierten die Aufkleber an Lichtschaltern.
In der Galerie und im Festsaal sind die Arbeiten derjenigen zu sehen, die am Ende des Wintersemesters ihr Studium abgeschlossen haben. Bis Mitte März sind sie in Ruhe zu besichtigen. Für die Arbeiten in den Klassenräumen, Werkstätten und Fluren bleibt lediglich bis Sonntagabend Zeit.
Ganz frisch ist die Klasse für Typografie von Ludovic Balland, der zu Jahresbeginn die Professur von Günter Karl Bose übernahm. An den Außenwänden des Klassenraums findet sich eine Selbstbeschreibung der Klasse, die die nächsten Jahren bestimmen könnte.
Eine auch noch relativ junge Gemeinschaft bildet die Fachklasse für Malerei und Grafik von Christoph Ruckhäberle. Sie zeigt in Petersburger Hängung im großen Raum eine Etage über dem Festsaal die Vielzahl an Sprachen in der Malerei. Damit unterscheidet sie sich erheblich von anderen Malklassen, in der die Gesten der Studierenden im hohen Maße dem Lehrer ähneln.
Der Zeichenkurs des Buchkunststudiums von Paule Hammer wirbt in Werbetafelästhetik für absurde – dennoch nicht unmögliche – Konstrukte und kommentiert so auf vermeintlich leichte Weise aktuelles Tagesgeschehen.
Diese inhaltliche Linie nehmen viele Fachklassen auf und sollten mit möglichst viel Zeit studiert werden. Zudem erweitert die HGB auch noch ihre Schaufläche.
Am Freitagabend eröffnen erstmals in der Gohliser Außenstelle Ausstellungen. Unter dem Motto »Alle reden von Problemen. Wir nicht« darf zweifelsfrei bei der Schau von der Klasse für Fotografie im Feld der Zeitgenössischen Kunst von Peter Piller davon ausgegangen werden, dass keine Eiapopeia-Stimmung vorherrscht. Bereits die Ankündigung in bester Klaus-Staeck-Plakatmanier lässt das erahnen.
Und es gibt auch etwas zu feiern. Das HGB-Archiv wurde vor 20 Jahren wiedererrichtet. Neben täglichen Touren durch Bibliothek und Werkstätten führt beispielsweise Melody Panosian jeweils 17 Uhr ein Reenactment zu einem Foto von Evelyn Richter im Faschingskostüm aus ihrer Studienzeit auf. So erinnert sie an die langjährige Dozentin und spätere Professorin Richter, die Generationen von Fotografen prägte.
Neu ist zudem ein Hochschulmagazin, das alle Studiengänge, Arbeiten aus der HGB samt Einrichtungen sowie neu berufene Professoren vorstellt.
Was allerdings auch dieses Jahr wieder fehlt, ist die Kommunikation. Gesprächsrunden über die Lehre, Kunstbegriffe und -praxen über die unterschiedlichen Fachbereiche hinweg wären nicht nur für Außenstehende interessant, sondern würden auch erklären, weshalb ministerale Zielvorgaben keine Zukunft haben sollten.