4.000 Euro muss der 1. FC Lokomotive Leipzig als Strafe für diskriminierendes Verhalten seiner Anhänger beim Derby gegen die BSG Chemie Leipzig zahlen. Die Verhandlung und die Reaktionen darauf zeigen allerdings, dass mit einer Geldüberweisung die Probleme wohl eher nicht gelöst werden können.
»Ich habe diese angeblichen Sprechchöre nicht wahrgenommen, meine Freunde auf der Tribüne auch nicht. Für mich ist es ein Rätsel, dass es nach mehreren Monaten, wie auch immer, an die Öffentlichkeit gelangt.« Lok-Trainer Heiko Scholz versteht am Tag nach dem Urteil offensichtlich die Welt nicht mehr. Keine 24 Stunden zuvor wurde bei der Verhandlung gegen seinen Verein der Livestream des MDR vorgespielt, bei dem in der 29. Minute die antisemitischen Sprechchöre von Lokfans auf der Gegengerade zu vernehmen sind. Der kreuzer berichtete nach dem ersten Urteil zum Derby über die nicht geahndeten Rufe sowohl während des Spiels als auch danach. Daraufhin nahm das Sportgericht die Ermittlungen auf und fand Zeugen sowie Beweise.
»Nichts sehen und nichts hören« – das macht den Vorsitzenden des Sportgerichts Stephan Oberholz am Donnerstag richtig wütend. Denn seiner Meinung nach hätte man sich den Aufwand einer zweiten Untersuchung sparen können, wenn die Rufe bereits zeitnah zum Derby am 22. November bekannt gewesen wären.
Bei seiner Argumentationskette stehen nicht nur die zwei Vereine in der Kritik, sondern auch die Medien. Obwohl »Sport im Osten« in einem Tweet über die Rufe berichtete und Material für den Nordostdeutschen Fußballverbands (NOFV) ankündigte, findet sich in der unmittelbaren Berichterstattung einschließlich des zusammenfassenden Spielberichts nichts davon. Im Gegensatz dazu hätte man sich auf anderen Medienkanälen – abgesehen vom Mitschnitt des Spiels – auch informieren können. Sowohl auf der Seite von »Faszination Fanszene« als auch bei Chronik LE oder unter dem Hashtag #LOKBSG waren zeitnah zum Spiel zahlreiche Hinweise auf die Äußerungen zu lesen.
»Wenn man nichts davon mitbekommt, kann man sich nicht distanzieren«
So argumentierte Lok-Geschäftsführer Martin Mieth, der beim Derby Veranstaltungsleiter und Sicherheitsbeauftragter zugleich war. Mieth stellte klar, dass die Rufe erst mit dem kreuzer-Artikel der Vereinsführung bekannt wurden. Er selbst befand sich während des Spiels im Innenraum des Stadions zwischen Spielertunnel und Gästeblock. Auf die Frage von Oberholz, warum er sich nur dort aufhielt und nicht etwa in der Nähe der Gegengerade, erklärte Mieth, dass er nicht an allen Stellen des Stadions willkommen geheißen wird.
Es sind solche Bemerkungen wie auch die Reaktionen nach dem Urteil von Trainer, Manager und Fans, die die Probleme in Probstheida auch für Außenstehende zu Tage treten lassen. Allerdings gab Mieth auch zu bedenken, dass Lok als Verein »nicht in jeden reingucken kann«. Daher hat sich die Vereinsführung mit Vertretern der aktiven Fanszene Antidiskriminierungsmaßnahmen überlegt. Dazu gehören die Halbtagsstelle eines Fanbeauftragten, der Hilfestellungen zur Demokratieübung geben soll, und die Aktion »Lokfans gegen Diskriminierung«.
Dafür darf Lok von den 4.000 Euro Strafe 2.000 Euro verwenden, um nachhaltige Wirkungen innerhalb des Vereins zu erzielen. Das Strafmaß ergab sich aus der Rechts- und Verfahrensordnung des NOFV. Sie klärt im Paragraph 34 die Maßnahmen bei Diskriminierung und ähnlichen Tatbeständen. Im Absatz 3 werden Geldstrafen von 500 bis 20.000 Euro genannt, die ein Verein durch unsportliches Verhalten seiner Anhänger zahlen muss, gefolgt von Geisterspielen oder Punkteabzug.
Oberholz erklärte zudem, dass das Sportgericht ein neutrales Gremium des NOFV sei, das nur auf Anzeige reagieren kann und nicht wie »Sherlock Holmes« arbeitet. Ihm zufolge steht das Sportgericht für die klare Linie »Kein Platz für Nazigegröle«.
Unmittelbar nach der Urteilsverkündung veröffentlichte die Lokführung eine Stellungnahme gegen Rassismus und Antisemitismus. So engagiert dieses Auftreten auch sein mag, wer beispielsweise auf Facebookseiten von Lokfans quer liest, der kann sich über die dort herrschende vermeintliche »Ironie« bei der Kommentierung von antisemitischen Sprüchen nur wundern.
So stellt das Urteil in seiner Höhe zwar ein Signal dar, aber ob damit Wiederholungen ausgeschlossen werden können, mag bezweifelt werden.