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Konzertkritik

Rappen in Strumpfhosen

K.I.Z. spielten ein Konzert nur für Frauen – und sahen auch so aus

  Rappen in Strumpfhosen | K.I.Z. spielten ein Konzert nur für Frauen – und sahen auch so aus

Männer sollten am besten zu Hause bleiben, schreiben wir im aktuellen kreuzer. Das wäre besser für uns alle – weniger Autounfälle, weniger Kriminalität, weniger AfD und die Männer selbst wären auch gesünder, weil sie keinen Stress mehr in ihrer Führungsposition hätten. Gestern Abend war dann der Praxistext für diese Utopie. K.I.Z. spielten im Täubchenthal nur für Frauen.

Es gibt drei Männer im ganzen Saal – ein Tontechniker, einer hinter der Bar und einer am Merchandise –, doch sie sind alle als Frau verkleidet. Das gesamte Publikum: weiblich.

Und oh, Wunder, das Konzert ist gar nicht so anders als sonst: Die Zuschauerinnen drängeln sich nach vorne (auch wenn sie sich dabei öfter entschuldigen), pogen im Moshpit und werfen die Hände in die Luft. Sie schmeißen BHs und Becher auf die Bühne. Sie rufen im Chor »Hurensohn«. Ungewohnt dagegen ist der Gesang der grölenden Menge. Sie singt so hoch mit, dass es in den Ohren fiept und die tiefen Stimmen der Rapper kaum durchkommen. Das Gekreische hinterlässt noch bis tief in die Nacht Spuren im Trommelfell.

»Kein Bodyshaming«

Ziel des Gekreisches: drei Berliner Rapper. Auch sie natürlich im Dress der Weiblichkeit. Nico sieht ein bisschen aus wie Marie Antoinette oder eine feine Dame vom Hofe im 18. Jahrhundert, Maxim kommt mit Röckchen, rosa Band und durchsichtigem Hemdchen wie eine Ballerina daher und Tarek als etwas härtere Nonne im Korsett zieht während der Show auch schon mal ein Brustimplantat aus seinem Ausschnitt. »Ich mag deine winzigen Titten«, sagt er zu Maxim. »Das ist sexistische Kackscheiße«, ruft Nico. »Wir wollen hier heute kein Bodyshaming.«

Womit man schnell bei der Frage ist, ob dieses Konzert für Frauen irgendwas mit Feminismus zu tun hat. Bei einer Band, die eines ihrer Alben »Sexismus gegen Rechts« betitelt hat und deren Texte meistens Kraftausdrücke wie Spast, Hurensohn oder Fotze beinhalten, schwer zu sagen. Seit sieben Jahren geben die Rapper zum Frauentag ein Konzert nur für weibliche Gäste. »Da einige andere Männer im Showgeschäft im letzten Jahr ihre gierigen Schmutzfinger nicht bei sich behalten konnten und die Ladys deswegen etwas verstimmt sind«, gehen sie mit dem Konzept dieses Jahr erstmals auf Tour durch acht auserwählte Städte, wie sie in ihrer Ankündigung begründen. »Geschichte wird geschrieben, aber dieses eine Mal ohne Euch, Männer!« Und ja, es gibt Ansagen wie: »Endlich sind wir unter uns und keiner grabscht uns an«, die mit viel Jubel begleitet werden. Die Metoo-Debatte der letzten Monate wird hier aber nicht ernsthaft weitergeführt, sondern unter dem Aspekt Spaß haben ohne Männer. Nur sind die Helden des Abends dann doch wieder Männer – aber immerhin tragen sie Strumpfhosen und sind schön geschminkt. Letztlich ist auch diese Aktion großartige Satire, wie sie die Band, die sich auch für Martin Sonneborns Partei »Die Partei« engagiert, seit jeher aufs Vergnüglichste, Pointierteste und Böseste zelebriert. Zum Beispiel im Hipster-Verarsche-Song über Menschen in sehr engen Jeans und mit schwarz-weißen Instagram-Profilbildern, den hier alle fröhlich mitsingen: »Ich bin Adolf Hitler«.

Mittelfinger für den Exfreund

In den Rollen der Frauen scheinen sich K.I.Z. pudelwohl zu fühlen. Maxim lächelt wie eine Prinzessin, winkt und wirft Kusshände, Nico scharwenzelt über die Bühne und Tarek mimt die Powerfrau: »Schwestern, ich muss euch was gestehen, ich hab mich scheiden lassen.« Dann die Aufforderung, den Mittelfinger für den Ex-Freund zu erheben, der das Publikum gerne nachkommt.

Eine Zugabe wird natürlich auch erkreischt. Als letzten Song spielen K.I.Z. ihre Post-Apokalypsen-Hymne »Hurra, die Welt geht unter«, in der sie eine Welt ohne Kapitalismus, Religion und voller Nächstenliebe besingen, die entstehen kann, wenn die jetzigen Zustände erst mal weggebombt wären. Das wäre auch eine Welt, in der Rapper in Frauenkleidern ganz selbstverständlich auch vor einem männlichen Publikum auftreten könnten, ohne dass es Stress gäbe, meint Maxim. »Das ist derzeit wohl eher nicht möglich.« Man kann es dem Hiphop und der Gesellschaft nur wünschen, dass sich das auch ohne Atombombe bald ändern wird.


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