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Zombiepanikraum

Das Theater-Film-Projekt »Forever Dead« macht den Zombie zum Seelenspiegel

  Zombiepanikraum | Das Theater-Film-Projekt »Forever Dead« macht den Zombie zum Seelenspiegel

Es scheint, als ob die Zombies vorspielen, lebendig zu sein.« – »Ist es nicht das, was wir tun? Vorgeben, lebendig zu sein?« Da kann man sogar von Zombies noch etwas lernen! Der Klassiker »Dawn of the Dead« ist ein Musterbeispiel für »Die Toten mahnen uns«. Zombies kommen nicht nur als überdeutliche Hinweise auf die eigene Sterblichkeit daher. Sie sind kritische Spiegel der spätkapitalistischen Seele

Mit der Fernsehserie »The Walking Dead« sind die wandelnden Toten endgültig im Mainstream angekommen. In Leipzig setzt sich ein Film-Theater-Projekt die wurmstichige Horrorlarve auf, um den Abgrund Angst aufzutun. »Forever Dead« ist dabei dreierlei: ein intermedial-performatives Projekt, eine Auseinandersetzung mit der Prepperszene, dem Zombie- und Serienfantum sowie eine Feier des Morbiden.

Die Einschläge kommen näher. Tag X naht. Die Zombieapokalypse steht vor der Tür. Doch Agnes und Lars wollen sie nicht hereinlassen, denn sie sind gut vorbereitet. An alles haben sie gedacht, nur nicht daran, dass im Ernstfall auch die beste Vorbereitung nichts nützt. Sie sitzen in der Klemme, müssen sich in einem leer stehenden Gebäude verschanzen. Die ehemalige Kulturfabrik wird belagert von Untoten und noch ein dunkles Geheimnis zieht auf. Sind sie nicht allein? Ist da wer? Ob der Paranoia scheint alles möglich. Haps, schmatz, yummy.

»Es geht um die Hölle im Kopf und die da draußen und definitiv um die Zombieapokalypse«, sagt Mira Sommer über das Projekt. Sie übernimmt den filmischen Part und freut sich aufs Abarbeiten am Fantastischen. Bisher hat sie sich vor allem mit Dokumentationen beschäftigt. In »Leipzig tanzt Schwarz« (2008) hielt sie das WGT-Spektakel fest, »Drugstore Indians« (2016) widmet sich Wannabe-Winnetous und amerikanischen Indigenen in Deutschland. Die Leidenschaft, die Welt durch die Linse zu betrachten, hat sie von klein auf. »Ich habe schon als Kind mit der Videokamera alles Mögliche gefilmt. Das passierte dann eher sporadisch, weil ich so viele Interessen habe.« Nach ihrem Journalismusstudium beschloss sie daher, mit einer Ausbildung zur Kamerafrau Nägel mit Köpfen zu machen. Nun taucht sie in die Welt der Fantasie, die sie ebenso beflügelt. »Ich liebe Fiktion, will sie aber nicht vermischen mit dem Dokumentarischen.«

»Dystopie ist ein Genre, dem ich mich zugehörig fühle«, sagt Regisseurin Cynthia Friedrichs, die mit Sommer und zwei Schauspielern die Apocalyptic 4 bildet. Sommer drehte eine Dokumentation des Kinderclubs am Theater der Jungen Welt, den Friedrichs leitete. So lernten sie sich kennen, schätzen und begannen das gemeinsame Arbeiten als freie Gruppe. Friedrichs ließ sich anstecken von Sommers Hang zum Serienschauen, bald einigten sie sich aufs Thema wandelnde Tote. Und sie überlegten, die Medien Film und Theater zu kreuzen und mit den Erwartungshaltungen zu spielen. »Horror im Theater stellt sich ja selten richtig ein, andererseits erwarten beim Film alle immer Realismus«, sagt Friedrichs. Damit wollen sie spielen und einen Partypanikraum mit Zombies gestalten. »Im Zentrum steht die Angst, Angst als Motor und Lähmung, dass man Vertrauen verliert in alles und jeden«, sagt Friedrichs.

Premiere wird im April in den Cammerspielen gefeiert. Die noch laufende Crowdfundingkampagne wird von Trailern begleitet, eine Miniserie wird in den Theaterabend nicht nur einführen, sondern Bestandteil dessen sein. Für den Juni ist eine ganze Zombieconvention im Werk 2 geplant, die sich als Underground-Alternative zu den hochkommerziellen Zusammenkünften der Fanindustrie versteht, wo schon ein Selfie mit Star Unsummen kostet. Und nebenbei wollen sie sich und den anderen Beteiligten in den Kopf gucken, sagt Sommer: »Warum fasziniert das Thema Menschen so sehr, dass sie sich für Zombie Walks verkleiden? Das ist ja nichts Schönes, etwas jenseits der Norm, das fault. Und doch ist es im Mainstream angekommen.«

Der Zombie als Gesellschaftsspiegel – wie bei Regisseur George A. Romero. In »Dawn of the Dead« lässt er menschenfleddernde, gedärmefressende Unholde in eine Shopping Mall einfallen. Ihr Blutrausch gleicht dem Kaufrausch zum Feierabend. Hemmungslos wird hier die Einverleibung der Ressource Mensch konkret und bildhaft. In der unsolidarischen Selbstzerfleischung der Gruppe Überlebender brechen alle gesellschaftlichen Standards weg, feiert die ungezähmte Natur mit dem Einbruch der Barbarei in die Zivilisation ihr Comeback.


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