Mit dem Film »Wildes Herz« hat Charly Hübner ein lustiges, berührendes, politisches und intimes Porträt über die Band Feine Sahne Fischfilet und vor allem ihren Sänger Monchi gedreht. Im Interview spricht Monchi mit uns darüber, was er bei der Weltpremiere beim Dok Leipzig gedacht hat und wie er den Film danach im Knast gezeigt hat. Ausführliche Rezension unterm Interview.
kreuzer: Wie war es für dich, den Film zu sehen, der so viel Privates preisgibt? Unangenehm?
MONCHI: Das war alles. Schön, krass, scheiße, komisch. So viele Emotionen zugleich. In erster Linie aber komisch. Letzte Woche war ich noch bei »Saw« im Kino und jetzt sitzen 400 Leute im vollen Cinestar in Leipzig und sehen mich auf der Leinwand. Und du weißt schon, was kommt, und denkst immer nur: »Scheiße, scheiße, scheiße«. Es ist ja kein Film von uns, sondern von Charly Hübner. Wäre es ein Film von uns, hätten wir ein paar Szenen rausgeschnitten.
kreuzer: Welche?
MONCHI: Bei der Schiffsszene versinke ich jedes Mal …
kreuzer: Wo du erzählst, wie deine Freundin sein müsste.
MONCHI: Ja, das ist ja eigentlich keine schlechte Aussage: Es ist mir scheißegal, ob sie große oder kleine Titten hat, wenn sie cool ist. Gute Grundaussage. Das Problem ist, WIE ich es sage: Leicht angesoffen, wie ein alter Mann, wie so Leute, über die man sich auf Youtube lustig macht. Aber so bin ich halt. Der Film ist einfach sehr intim. Daher ist das sehr ambivalent, weil der Film ja nur so gut geworden ist, weil er so intim ist. Für mich ist das gut und schlecht zugleich, im Kino so die Hosen runterzulassen. Meine Eltern zu sehen, meine Exfreundin.
kreuzer: Während des Dok Leipzig habt ihr den Film auch bei »Dok im Knast« gezeigt, also in der Jugenstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen. Wie war es da?
MONCHI: Hammergeil, hammerspannend. Eine superlange Diskussion, die die irgendwann abbrechen mussten. Zuerst dachten wir noch: Mal gucken, was kommt. Ich hab auch Freunde, die schon mal im Knast saßen. Ich selbst war zwei Jahre auf Bewährung, das sieht man ja auch im Film. Es stand also bei mir schonmal auf der Kippe, dass ich auch da hätte sitzen können. Ich glaube, wenn du heute ein Polizeiauto anzünden würdest, so wie ich mit 18, dann würdest du eingehen. Ich hatte Glück mit dem Jugendstrafrecht. Die Leute haben quasi auch die Weltpremiere des neuen Albums bekommen. Auf einmal hab ich im Gespräch mit denen die neuen Texte zitiert, weil es das war, über das wir gerade geredet haben. Persönliches und politisches.
kreuzer: Wieso wart ihr da?
MONCHI: Die haben sich den Film ausgesucht. Wir wussten gar nicht, was das wird. Wir hatten die Anfrage und die meinten, die würden sich freuen, wenn wir zur Diskussion kommen. Da hab ich mich voll gefreut. Für viele wäre es das Klischee: Irgendein Knast in der sächsischen Provinz, in dem nur Faschos sitzen. Und wir dachten, vielleicht kommen da vier, fünf Leute, weil die kein Bock haben, in ihrer Zelle zu sitzen. Könnte man ja verstehen. Ich würde mir auch jeden Scheiß reinziehen, wenn ich da wäre. Hauptsache nicht in der Zelle. Und ich hatte ein bisschen Angst, weil in dem Film ja peinliche Szenen drin sind und ich auch ganz schön das Maul aufreiße. Mal gucken, wie die darauf reagieren. Aber am Ende sind mir diese Leute viel näher, als die Studenten aus dem Goethe-Institut, mit denen ich zwei Stunden vorher diskutiert habe. Ich selbst hab nicht studiert, ich hab nicht mal Abi – drei Monate vorher abgebrochen. Das war der Knaller, mit den Leuten im Knast zu diskutieren und zu quatschen. Die haben völlig andere Fragen gestellt als in allen anderen Diskussionen bisher, weil die in einer ganz anderen Realität leben.
kreuzer: Was wollten die wissen?
MONCHI: Die haben mich gefragt: Wie war denn die Repression? Das hat mich noch nie jemand gefragt, obwohl das ja eine krasse Story ist, dass ich drei Jahre observiert wurde mit einem Peilsender unterm Auto. Das hat keinen der normalen Menschen interessiert, weil es zu fern von ihrer Welt ist, um überhaupt auf die Frage zu kommen, wie es ist einen Peilsender am Auto zu haben oder am Handy abgehört zu werden. Drei Jahre lang. Am Ende haben die gar nichts gefunden. Niente. Die Vorstellung im Knast war etwas sehr Besonderes. Die haben noch eine Laudatio gehalten und uns den ersten Dokfilmpreis gegeben, den selbst die gebastelt haben. Da hab ich mich sehr gefreut.
INTERVIEW: JULIANE STREICH
»Alerta, Antifascista« – Rezension »Wildes Herz«
»Wildes Herz« zeigt eine Band mit Haltung und ja, ein paar Bengalos brennen Feine Sahne Fischfilet auch ab
Muss man Feine Sahne Fischfilet überhaupt noch vorstellen? Es sind schon einige Jahre ins Land gegangen, seitdem die Ska-Punker ihr später lokal legendär gewordenes Soli-Konzert in der Connewitzer Liwi abhielten (Vorsicht Insider: »Hi Dave!«, »Danke, Dave!«). Damals kannte noch nicht einmal der Verfassungsschutz die Truppe, die antifaschistische Arbeit als kompromisslose Pflicht erachtet. Ja, jene Feine Sahne Fischfilet also sind gemeint, die mittlerweile durch die Decke gingen. Jene, die vom Verfassungsschutz als »linksextrem« beobachtet wurden, weil sie unter anderem einen polizeikritischen Song schrieben. Was ihnen wiederum in Erfolg umgemünzte Aufmerksamkeit bescherte. Um die Band und insbesondere ihren Frontmann Jan Gorkow dreht sich der Film. Eins vorweg: Warum er Monchi genannt wird – vielleicht aufgrund seiner Ähnlichkeit zu Monchhichis – wird nicht erklärt.
Dafür überrascht der Film mit Dreierlei. Erstens gibt Schauspieler und Rostock-»Polizeiruf«-Grantler Charly Hübner hier zusammen mit Sebastian Schultz sein Regiedebüt. Zweitens, dass mit dem NDR ein öffentlich-rechtlicher Akteur den Film über eine Band unterstützt, für die auch schon CDU-Politker Auftrittsverbote verhängen wollten, ist ein schönes Zeichen. (Besonders, wenn man sich anschaut, was der MDR so fördert) Drittens, dass es ein runder, sehr politischer Film mit Fallhöhe entstanden ist, statt ein Fanpic voll bloßer Abfeierei. Und das ist die schönste Überraschung.
Sicher, die Band ist auch bei Live-Auftritten zu sehen, wo sie frenetisch gefeiert werden und hin und wieder ist der Film energetisch wie abfackelndes bengalisches Feuer. Aber im Film stecken eben auch Zwischentöne wie der Brustton der Überzeugung. Beispielhaft für die Gesamtband ist Jan Gorkow biografisch mehr als die anderen ins Filmzentrum gerückt. Was anfangs den Rampensaueindruck erweckt, ist schließlich stimmig. Gerade heraus schnackt er mit Hübner über seinen Weg vom Fußballfan mit Gewaltlust zum musizierenden Politaktivisten, der sich gegen Nazis, Rassisten und den ganzen Rest auflehnt. Sichtbar wird dabei auch eine angemessene Wut über die Verhältnisse, aber auch Angst um den Sohn, wenn die Eltern zu Wort kommen. Es geht um das Leben in der Provinz, in rechten Hegemonien alleingelassene Jugend, die aber nicht weichen will – wie Feine Sahne Fischfilet eben nicht Berlin wollen. Und das nicht, weil sie merken, dass ihr Auftrag im ländlichen Raum von (nicht nur) Mecklenburg-Vorpommern besonders wichtig ist. Sie wollen dort leben, aber so wie sie es wollen. Und damit leben sie auch einiges vor. Damit gibt der Film neben manch gutem Mitwippmoment auch einiges an Mut machender Kraft an jene mit, die in ähnlicher Lage sind, während er zugleich dem bürgerlichen Skeptiker, der »antifaschistisch« für ein Schimpfwort hält, ein paar aufklärende Einblicke ins Band-Seelenleben erhält. Quasi Korrektur und kritischer Balken gegen jeden Versuch von Whataboutism und Extremismus-Formel – noch eine Überraschung. Ausführliche Kritik im aktuellen Heft.
TOBIAS PRÜWER