Daniela Kolbe zog 2017 über die Landesliste der SPD Sachsen zum zweiten Mal in den Bundestag ein. Ihre politische Karriere bei den Sozialdemokraten ist nicht unbedingt steil, aber beständig. Sie begann bei den Falken, kam über den Vorsitz der Leipziger Jusos 2009 in den Bundestag und später auf den Posten der Generalsekretärin der sächsischen SPD. Lange hat sie auch lokal als stellvertretende Vorsitzende der SPD Leipzig mitgemischt.
Keine Überraschung also, dass ihr Name fällt, wenn es um eine mögliche Neubesetzung des Oberbürgermeisterpostens geht. Der
kreuzer fragt: Wäre es nicht wunderbar, die große Koalition an den Nagel zu hängen, um zu Hause Oberbürgermeisterin zu werden?
kreuzer: Lange haben Sie gegen die Neuauflage der Großen Koalition gekämpft, jetzt sind Sie wieder Teil derselben. Ist das nicht demotivierend?
DANIELA KOLBE: Es gibt immer noch gute Argumente dafür, möglichst selten eine Große Koalition zu formieren. Für mich war aber klar, wenn die Mehrheit der SPD-Mitglieder – und das Votum war letztlich deutlich – für die Große Koalition stimmt, dann akzeptiere ich das und versuche das Beste rauszuholen.
kreuzer: Sehen Sie denn Spielräume bei Ihren Kernthemen Arbeit und Soziales?
KOLBE: Ich glaube, dass wir noch vor der Sommerpause ein paar Sachen hinbekommen werden. Stichwort Brückenteilzeit, wir wollen, dass Menschen befristet in Teilzeit und dann zurück in Vollzeit gehen können. Zweitens unser Programm für Langzeiterwerbslose. Drittens wollen wir dafür sorgen, dass das Rentenniveau nicht weiter absinkt. Für viele DDR-Rentengruppen ist ein Ausgleich im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Aber ich mache mir keine Illusionen. Eine große Reform ist mit diesen Koalitionspartnern definitiv nicht zu machen.
kreuzer: Sie fordern immer wieder eine Hartz-IV-Debatte. Was wollen Sie erreichen?
KOLBE: Als SPD haben wir uns vorgenommen, die spannenden und kritischen Fragen im Erneuerungsprozess offen zu diskutieren. Dazu gehört für mich auch ein Bruch mit Hartz IV. Vieles, was mit der Agenda 2010 eingeführt wurde, passt nicht mehr und hat zu Konsequenzen geführt, die man nicht länger hinnehmen kann.
kreuzer: Eingemischt haben Sie sich auch in die Debatte um den Paragrafen 219a, der Informationen zum Schwangerschaftsabbruch als Werbung verbietet. Die SPD hatte einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung angekündigt, den dann wieder zurückgezogen und setzt sich jetzt für eine Modifikation ein. Warum dieser Zickzackkurs?
KOLBE: Wir haben den Gesetzesentwurf nicht zurückgezogen, sondern zurückgestellt, weil die Union auf uns zukam – sicher auch weil Kauder in der Union unter Druck geraten ist – und einen gemeinsamen Gesetzesentwurf innerhalb der Regierung wollte. Das ist gerade der Stand.
kreuzer: Das sieht nach außen aber so aus, als hätten CDU und CSU nicht einmal Interesse an einer Modifikation des Paragrafen.
KOLBE: Wir lassen uns nicht vertrösten. Spätestens im Herbst muss klar sein, wie eine Lösung aussieht, sonst gehen wir andere Wege außerhalb der Koalition. Es muss eine Veränderung von 219a geben. Sachliche Information muss straffrei möglich sein.
kreuzer: Sie sind auch Generalsekretärin der sächsischen SPD. 2019 wird der Landtag neu gewählt. Vielleicht braucht die sächsische CDU die SPD dann nicht mehr, weil sie mit der AfD einen neuen Koalitionspartner findet. Zeit, die Weichen für Rot-Rot-Grün zu stellen?
KOLBE: Wir warten mal ab. Wir arbeiten mit der CDU da gerade gut zusammen und gehen Probleme an: Lehrer- und Polizeimangel beispielsweise. Wir haben die CDU dazu bewogen, ihr Haushaltsdogma »Sparen« abzulegen und endlich wieder zu investieren. Eine Neuauflage der Großen Koalition in Sachsen wäre mir schon deshalb lieber, weil ich den Menschen eine schwarz-blaue Koalition sicherlich nicht zumuten möchte. Dass jenseits dessen andere Möglichkeiten, unabhängig von der CDU, wünschenswert sind, ist ganz klar. Da müssen die Parteien, die in Frage kommen, aber ordentlich zulegen. Denn schaut man auf die Zahlen, ist so eine Mehrheit leider sehr weit entfernt.
kreuzer: Möglicherweise muss schon früher ein Posten besetzt werden, der ganz traditionell in SPD-Hand ist: das Amt des Leipziger Oberbürgermeisters, wenn Burkhard Jung zum Ostdeutschen Sparkassenverband wechselt. Wie reizvoll ist der Gedanke für Sie – Sie wären die erste Frau auf diesem Posten in der Stadtgeschichte –, sich für dieses Amt zu bewerben?
KOLBE: Das ist ein extrem wichtiger, ich denke, der zweitwichtigste Posten im Freistaat nach dem Ministerpräsidenten, und das ist auch eine sehr reizvolle Position, auf der man gestalten kann. Aber die Debatte steht überhaupt nicht an. Wir werden im Oktober Bescheid wissen und dann die Gespräche führen.
kreuzer: Ihnen würde für diese Position die »Strahlkraft« fehlen, schrieb die Leipziger Volkszeitung. Haben Sie eine Ahnung, was der Autor gemeint hat?
KOLBE: Nee, das habe ich nicht so richtig verstanden. Aber ich würde es mal umdeuten als Kompliment für Burkhard Jung, der viel für die Stadt getan hat und ein sehr charismatischer Mensch ist. Ich würde es bedauern, wenn Burkhard Jung die Stadt verlässt.