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Essen & Trinken

Gastgeber der spanischen Lebenskultur

20 Jahre Barcelona: Die Bar auf der Gottschedstraße feiert Geburtstag

  Gastgeber der spanischen Lebenskultur | 20 Jahre Barcelona: Die Bar auf der Gottschedstraße feiert Geburtstag

»Das Unikat auf der Gottschedstraße ist authentisch, ursprünglich, echt geblieben.« So titelte der kreuzer 2008 in seiner Juniausgabe. Am 8. Juni 2018 feierten Bea Wolf und Jan Berger das 20. Jubiläum. Die Überschrift von damals trifft es heute noch.

Die Halbwertzeit von Kneipen ist oft nur von kurzer Dauer. Als Eckehart Grundmann, Stefan Francik und Jan Berger – ein Gastronom, ein Künstler und ein Handwerker – 1998 auf der Gottschedstraße eine Tapasbar eröffneten, diese weltläufig Barcelona nannten und sogar einen schönen Freisitz im Hinterhof boten, war die Aufmerksamkeit groß. Man kam, aß, genoss den Wein und die Zeit und dachte nicht weiter über die Zukunft nach. Dass es das Ganze 20 Jahre später, längst von der Bar zum Spanier gereift, immer noch gibt, ist Grund genug, ausgiebig zu feiern. Schließlich liegt in dieser Zeitspanne von 20 Jahren eine Wahnsinnsentwicklung. Die heutigen Betreiber – Bea Wolf,  eine Berliner Choreografin, die etwa zwei Jahre nach der Eröffnung kam, und Jan Berger – luden Weggefährten und Partner ein, Familie, Nachbarn, Mitarbeiter und Freunde, wobei die Grenzen bei letzteren schon fließend scheinen: Manche sind von Anbeginn dabei, viele seit Jahren, wieder andere kommen mit weltweit gesammelten Erfahrungen im Gepäck an den Tresen oder in die Barcelona-Küche zurück. Alle eint wohl der Gedanke, dass man in diesem Restaurant nicht nur arbeitet, sondern auch (s)eine Lebensqualität findet. Sicher kann das im Tagesgeschäft anstrengend sein, aber das Duo Wolf/Berger ergänzt sich in Symbiose, wobei es ohne die von beiden vorgelebte Linie sicher nicht funktionieren würde. Dass sie vor vielen Jahren gemeinsam das Ruder übernommen haben, war offensichtlich die richtige Entscheidung.

Im Gegensatz zu manch‘ anderen Läden auf der Kneipenmeile im Schauspielviertel haben sie sich ihren Anspruch der Gründerjahre bewahrt. »Wir sind alle Repräsentanten einer Idee«, formulierte es Bea Wolf schon beim zehnten Jubiläum. Daran macht sie heute keine Abstriche. Den gelebten Anspruch nimmt man ihr und Jan Berger ebenso ab wie den freundschaftlichen Umgang mit Mitarbeitern und Lieferanten. Die meisten aus der Crew sind Seiteneinsteiger, die sich learning by doing weiterentwickelt haben und eigenverantwortlich ihre Aufgaben erfüllen, ob an der Bar, bei den Gästen oder im Küchenteam.

Die Macher wollen Gastgeber sein für jeden, der spanische Lebenskultur mag. In dem langen schmalen Raum und im begrünten Innenhof genießen abends neben den Nachbarn auch Künstler, Publizisten, Anwälte, kurz: Spanienfreunde aller Couleur ihre freie Zeit. Das im Laufe der Jahre erweiterte Angebot befeuerte den Appetit der Gäste auf mehr Chorizo, Patatas, Pfannengemüse und Fleischspießchen. Irgendwann war die Zeit reif für eine umfangreichere Karte und dann wieder für eine neue Küche. Stammgäste wissen, es gibt immer wieder Überraschungen – in den Gläsern und auf den Tellern.

Trotz aller Kontinuität änderte sich die Welt um den selbstgeschaffenen Kosmos von Bea Wolf und Jan Berger. »Als wir anfingen war die Welt noch weitestgehend analog. Es gab eine überschaubare Kneipenszene und wir waren das verlängerte Wohnzimmer für die Anwohner hier, aber auch von uns selbst«, sinniert Wolf. Inzwischen ist vieles anders geworden. Bereitete so manchen 2002 schon die Umstellung von der DM auf dem Euro Kopfzerbrechen, gibt es längst eine gesetzliche Kassenpflicht (»vorher passierte vieles auf Zuruf«) und das Nichtraucherschutzgesetz. Das prognostizierte Kneipensterben ist ausgeblieben. Viele Gäste und die Mitarbeiter, vor allem jene hinter der Bar, sind eher angetan von der nikotinfreien Luft, zumal Raucher im Hof ihr Domizil gefunden haben – ohne CO2 ausstoßende Heizstrahler, dafür mit warmen Decken für kühle Abende versorgt. Sie haben für sich selbst beschlossen, weder mit einer Homepage noch eigenen Social Media-Auftritten im World Wide Web präsent zu sein. »Wenn wir 17 Uhr öffnen, sollen sich die Gäste bei uns wohl fühlen«, sagt Bea Wolf und weiß, dass das nicht möglich wäre ohne die Kommunikation aller Beteiligten und die Hilfe so mancher Partner. Damit meint sie nicht nur langjährige Lieferanten und Gewerke, sondern durchaus auch die Steuerkanzlei, die ihnen im Hintergrund viel Bürokratie abnimmt, damit die Crew am Thema bleiben kann. Ihr Resümee: »Wir gehen hier gemeinsam einen langen Weg. Dadurch fühlt sich dieses Arbeiten an wie Leben.«


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