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Beim Zwiebeln der Haut

Das Performancekollektiv Glitch rückt der Haut zu Leibe

  Beim Zwiebeln der Haut | Das Performancekollektiv Glitch rückt der Haut zu Leibe

Vorposten des Subjekts bildet die Haut«, hält eine Philosophie der »Fünf Sinne« fest. Vom »Haut-Ich« spricht ein anderer Denker, wenn er den Menschen beschreibt. Haut und Ich sind in vielen Redensarten miteinander verbunden. Zum Halse heraushängen, in jemandes Haut schlüpfen, man droht, jemandem das Fell über die Ohren zu ziehen – ihn also wortwörtlich zu schinden –, und gewiss behagt es vielen, einfach mal auf der faulen Haut liegen zu dürfen.

Man nennt die Haut Decke, Pelle, Pelz, Fell, Leder, Schwarte oder Balg. Sie hüllt uns ein, ist unser alltägliches Schneckenhaus. Die Haut lässt sich grün und blau schlagen, walken und falten, bei Kälte und Erregung überfällt uns eine Gänsehaut, vor Scham werden wir rot und aus unserer Haut können wir nicht nur sprichwörtlich nicht heraus.

Die Haut fasziniert – und genau dieser Faszination geht das Performancekollektiv Glitch in der Produktion »Am Rand der Epidermis« nach. »Die Haut ist eine Grenze, der man nicht entfliehen kann«, sagt Anna Hubner im kreuzer-Gespräch. »Sie grenzt den Körper nach innen und außen ab. Trennt uns von der Umwelt.« Hubner ist als Biologin und Tänzerin am Kollektiv beteiligt. In ihren Projekten sucht die in Hamburg basierte Gruppe seit 2016 die Verbindung verschiedener Wissenschaften und Künste, man kann auch sagen: Welten oder Perspektiven auf die Welt. So bilden Naturwissenschaft, Tanz, Dramaturgie und Soundkunst in der aktuellen Produktion ein Gefüge. Erste Recherchen und Proben haben sie im Juli im tschechischen Olmütz durchgeführt, daran schließt sich der Artist-in-Residence-Slot im Leipziger Lofft an. Hier werden sie Zwischenschritte zeigen. Im Februar wird in Hamburg Premiere sein. Und hoffentlich, so Hubner, wird die finale Produktion dann auch in Leipzig noch zu sehen sein.

Glitsch, das steht im Englischen für »Panne, Verzögerung, Störung« und beinhaltet Widerständiges. Das ist für Hubner auch ein Aspekt der Haut. »Sie ist als Erinnerungsträger vielschichtig, ist Speicher, Kontakt und Schutz zugleich.« Welche Gestalt die Performance schließlich annehmen werde, kann Hubner noch nicht sagen. Sie befinden sich noch mitten in der Recherche, zu der auch Expertengespräche gehören. »Mehrere Stränge laufen zusammen, die wir interessant finden. Haut als Oberfläche mit ihren Strukturen, die auf der biologischen Seite durch Zellen und Fasern bestimmt wird. Auch auf psychologischer Ebene ist das interessant. Denn jeder besitzt eine, man kann sie nicht ablegen, daher geht das Thema Haut jeden an.« Weil Haut auch Leinwand für Inszenierungen ist – ob das nun mit Klamotten, Make-up oder Tattoos geschieht –, bietet sich die künstlerische Beschäftigung im Theater an. »Haut ist modifizierbar, das ist auch das Spannende. Obwohl es heutzutage eine Tendenz gibt, dass in der glatten, oberflächlichen Gesellschaft auch die Haut von solcher Eigenschaft sein soll.« Außerdem, so Huber, sucht das Glitch-Kollektiv den Transfer zum Thema Grenze, das gerade traurige Aktualität besitzt.

Denn natürlich ist die Haut buchstäblich unsere Grenze zur Außenwelt, aber ebenso eine Schnittstelle. Über die Haut, sie macht rund 18 Prozent des Körpergewichts aus, und ihre Berührungen kommen wir zu Bewusstsein. Das großflächigste menschliche Sinnesorgan ist eine Grenze, aber auch der Kontakt zur Welt, wenn man so will – eine Kontaktgrenze, die ein doppeltes Erleben ermöglicht. Hier beginnen inneres und äußeres Wahrnehmen. Die Haut zeigt oder besser: repräsentiert zugleich das innere Erleben und gibt äußere Einflüsse in den Körper weiter.Segnungen verlaufen ebenso über unsere Haut wie Verletzungen und Selbstverletzungen und das, was andere als solche interpretieren. Ist uns der Körper selbst nicht unproblematisch gegeben, sondern Produkt kultureller Auslegung, trifft das auch auf die Hautwahrnehmung zu. Der Blick unter die Haut hat seit jeher fasziniert. In klassischen Posen dargestellte Menschen, die ihre Haut wie einen Mantel elegant unter dem Arm tragen, waren beliebte Bildthemen von der Renaissance bis zum Barock. Davon zeugt noch die Begeisterung für die Ausstellung »Körperwelten«. Solche Anatomiestudien gehen in ihrem Wunsch nach Einblicken in die menschliche Natur tiefer und rühren am Marsyas-Mythos – der zugleich eine Warnung vor der Hybris der Kunst ist. Denn der Sage nach wurde dem Satyr Marsyas, der den Gott Apollon beim musischen Spiel herausforderte, die Haut über die Ohren gezogen. Die blutige Strafe kommentierte der Elende mit einem peinvoll einsichtigen Satz: »Warum reißest du mich von mir weg?«


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