Nach den Vorwürfen, Dresdner Polizisten hätten Journalisten widerrechtlich bei ihrer Arbeit gestört, stellt sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hinter die Beamten. Er twitterte: »Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten. Der Vorfall wird ohne Frage aufgeklärt. Der Polizeipräsident hat auch schon angeboten mit den betroffenen Journalisten zu sprechen.« Damit löste er eine Welle von Kritik in den sozialen Medien aus – dortige Nachfragen ließ er bisher unbeantwortet. Ein Ministerpräsident diskutiert nicht.
Am Donnerstag hatte ein TV-Team für das ZDF – unter anderem war der Leipziger Journalist Arndt Ginzel beteiligt – den Besuch Angela Merkels in Dresden dokumentiert. Dafür wollten sie auch Bilder einer gegen die Bundeskanzlerin gerichteten Demonstration von AfD und Pegida einfangen. Das erregte den Zorn der Demonstranten, sie skandierten »Lügenpresse!« Ein Mann mit Deutschlandhütchen ging dem weit entfernt filmenden Kameramann entgegen und forderte in die Linse blickend: »Hören Sie auf, mich zu filmen, Sie halten die Kamera direkt auf mich.« Ein anderer Demonstrant versuchte, die Kamera wegzuschlagen. Auf die Antwort des Kameramanns, dass sie doch einfach gehen sollen, wenn sie keine Porträtaufnahmen wollten, reagierten sie nicht. Statt diese mutmaßliche Nötigung zu unterbinden, hielten die von den Pegida-Teilnehmern hinzugerufenen Polizeibeamten den Kameramann fest. Das ist auf einem Video festgehalten:
https://twitter.com/GKDJournalisten/status/1030618683465523200
Dort ist auch zu sehen, wie die Polizei dem hinzueilenden Journalisten Ginzel jede Aussage verweigert. Noch nicht einmal ein Grund für die polizeiliche Maßnahme wird angegeben. Das ganze Prozedere dauerte 45 Minuten, so Ginzel, der schrieb: »Sächsische Polizeibeamte machen sich zur Exekutive.«
Erstaunlich, wie sich Ministerpräsident Kretschmer diesen Fall betreffend äußert: Journalisten, die ihrer Arbeit nachgehen, nennt er »nicht seriös«. Woran er das festmacht? Seriös ist keine politische Kategorie wie »rechtsstaatlich«, »ungesetzlich« und »unrechtmäßig«. Was Kretschmer an den Polizisten besonders seriös findet, sagte er nicht. Seinem Tweet vom Samstag schob er einen Tag später eine Erklärung hinterher: Als Ministerpräsident müsse er sich vor seine Beamten stellen. Dass er sich gleichermaßen für die Pressefreiheit einsetzen sollte, führte er nicht aus. Dabei bestätigen Dresdner Journalisten-Kollegen, dass sie diese Situation auch schon erlebt hätten: Auf Beschwerde von Pegida seien sie als Pressevertreter erst einmal festgehalten und überprüft worden. Zudem greift Kretschmer mit seiner Bewertung den Ermittlungen vor.
Der Deutsche Journalismusverband, Abteilung Sachsen, kann anhand des Videomaterials kein Fehlverhalten der Reporter erkennen: »Die Einsichtnahme der Belege bestätigt: Unsere Kollegen haben sich hochprofessionell verhalten. Fragen wirft dagegen das Verhalten der Polizeibeamten auf. Das muss aufgeklärt werden.« Auch die Journalistenunion betont: »Es ist erschreckend und beunruhigend, dass die systematische Verletzung der Rechte von Journalistinnen und Journalisten besonders während Großveranstaltungen mittlerweile offenbar zur alltäglichen Realität geworden ist.« Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Beamten ist gestellt, erklärt Rechtanwalt Jürgen Kasek. Linke- und Grünenpolitiker fordern Aufklärung im Landtag. Und auch der Koalitionspartner teilt das Urteil des Ministerpräsidenten nicht. So twitterte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig mit Deutlichkeit an dessen Adresse: »Es ist journalistische Aufgabe, von öffentlichen Demos zu berichten. Die Arbeit von Journalisten ist eine ernste Angelegenheit, ich kann hier kein ›unseriöses‹ Verhalten erkennen. Ich begrüße, dass der Vorfall untersucht wird und der Polizeipräsident ein Gespräch anbietet.«