An dieser Stelle veröffentlichen wir das Editorial der Oktober-Ausgabe des kreuzer. Chefredakteur Andreas Raabe berichtet, was es im neuen Heft zu lesen gibt.
Aufgedrängelt hat es sich uns, das Titelthema dieses Heftes – und uns manchmal sogar weggedrängelt. Nämlich in der Straßenbahn, auf dem Fahrradweg, beim Kita-Kennenlerntag, im ärztlichen Wartezimmer, bei der Parkplatzsuche, im Klassenzimmer, im Bürgerbüro, bei der Handwerkersuche, in der Sauna und beim Schwimmen, auf dem Weg zum Cossi, an der Eisdiele. Leipzig wächst und das bedeutet: Es gibt viel mehr Menschen, die dieselbe städtische Infrastruktur nutzen. In den letzten zehn Jahren sind mehr als 76.000 Einwohner dazugekommen. Davon waren es seit 2013 allein 60.000 Menschen – also eine komplette Mittelstadt wie Weimar zum Beispiel, die einfach mal so dazukommt innerhalb von fünf Jahren. Und irgendwo müssen die ganzen Leute ja hin. Klar, dass man da manchmal ein Gefühl von Platznot verspürt – vor allem, weil die Stadtplanung auf so etwas nun überhaupt gar nicht vorbereitet war. Das sieht man selbst an so modernen Stadtplanungs-Aushängeschildern wie der eigentlich sehr vorbildlich umgebauten Karl-Liebknecht-Straße, die zwar eine tolle Verkehrsführung für Straßenbahn, Auto und Fahrrad hat, wo aber jeder weiß, dass der Fahrradstreifen mindestens zweispurig hätte geplant werden müssen.
Es ist kein neues Thema, erst recht nicht für uns aus dem kreuzer-Kollektiv, die wir seit Jahren nicht nur als Privatmenschen in der Stadt unterwegs sind, sondern auch noch beruflich an allen möglichen Ecken und Enden Leipzigs umherrecherchieren, mit den Leuten reden und immer wieder auf ein Problem stoßen: Der Platz reicht nicht aus. Das führt zu höheren Kosten oder höherem Stress oder beidem. Vieles, was es zum Thema Bevölkerungswachstum zu erzählen gibt und gab, haben wir in größeren und kleineren Beiträgen in diesem Stadtmagazin bearbeitet. Doch nun, da die Stadt unmittelbar vor einem großen Sprung steht, nämlich dem über die 600.000er-Marke, haben wir die wichtigsten (wenn auch längst nicht alle) Auswirkungen der wachsenden Stadt gesammelt – und sie der superdurchschnittlichen Familie Schmidt in die Schuhe geschoben. Lesen Sie die Schmidt’sche Odyssee durch den Großstadtdschungel anno 2018 von der Geburt bis zum Tod (da gibt es eine Überraschung!) in unserer Titelgeschichte von Juliane Streich und Lucas Grothe ab Seite 16. Dabei haben wir versucht, darauf zu achten, nicht von der »vollen« oder »zu vollen« Stadt zu sprechen, denn – das bestätigt auch unsere Interviewpartnerin auf Seite 20 – eine »zu volle« Stadt gibt es nicht, es gibt immer nur eine nicht ausreichende Infrastruktur. Da kann und muss man nachbessern, was die Stadt inzwischen erkannt hat. Es dauert nur eben noch ein bisschen.
Zu verkünden gibt eine Personalie: Nach diesem Heft übergibt Tanja Kirmse das kreuzer-Chefdesignerzepter an ihren Nachfolger Falk Schwalbe. Kirmse hat sich im Laufe des letzten Jahres um Gestaltung und Nutzbarkeit des Heftes verdient gemacht und bleibt dem kreuzer erhalten. Schwalbe ist studierter Editorial Designer, ein echter Typografie-Experte und außerdem Postermacher, der mit seinem Kompagnon Hannes Hirche sogar eine kleine Druckwerkstatt namens Rainbow Posters betreibt. – Ja, und ganz bestimmt hat er für Sie, liebe Leserinnen und Leser, was Neues mitgebracht. Gucken wir mal, was draus wird.
Also, ich bin jedenfalls gespannt!
ANDREAS RAABEchefredaktion@kreuzer-leipzig.de