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Die Revolution vermisst ihre Kinder  

Die AfD will in Sachsen die Macht übernehmen und beruft sich auf die Tradition von 1989. Viele sehen darin einen Affront, dabei hatte die Wende durchaus ihre völkisch-nationalistischen Ausläufer 

  Die Revolution vermisst ihre Kinder   | Die AfD will in Sachsen die Macht übernehmen und beruft sich auf die Tradition von 1989. Viele sehen darin einen Affront, dabei hatte die Wende durchaus ihre völkisch-nationalistischen Ausläufer 

Das Jahr 2019 werde »in der Kontinuität von 1989« stehen, prophezeit die AfD in ihrem 10-Punkte-Plan zur »Machtübernahme« in Sachsen. Bundes- und Landtagsabgeordnete der Partei haben ihn entworfen, denn nächstes Jahr sind Landtagswahlen im Freistaat und die AfD will stärkste Kraft werden. Da reicht das Ausländerthema vielleicht nicht, also heftet man sich den 89-Orden an. Überraschend ist das nicht.

Auch Bürgerrechtlerin Ines-Maria Köllner hätte ausreichend Gründe, mindestens genauso enttäuscht zu sein wie die anderen. Denn das, wofür sie 89 stand, wurde mit der ersten Volkskammerwahl abgeschmettert, manche ihrer Forderungen sind marginalisiert, wenn nicht gar verschrien. Ihre Partei, Bündnis 90/Die Grünen, hat in Sachsen noch nie einen Stich gesehen. Dass Wahlen in Sachsen seither immer nur ein Ergebnis, nämlich den Sieg der CDU, gebracht haben, trägt sie mit Fassung: »Ich wollte freie Wahlen, da muss ich auch akzeptieren, dass die Wahl so ausgeht, wie es mir nicht gefällt.« Vielleicht hat sie das mürbe gemacht, vielleicht ist es das Alter, kampflustig wirkt Köllner nicht. Doch sie ist bei ihren Idealen geblieben, und das ist offenbar mehr, als man erwarten kann. Gunter Weißgerber zum Beispiel, Gründungsmitglied der Leipziger SPD, arbeitete sich öffentlich vor allem an den Protesten gegen Legida ab, meint, Migranten sollen in Aufnahmelagern unterkommen, Grenzen kontrolliert, eine »Kapazitätsgrenze« eingeführt werden. Seine Thesen für ein »weltoffenes Deutschland« publizierte er 2017 mit zwei Mitstreiterinnen als Buch. »Das macht natürlich Freude, wenn man so was liest«, sagt Droese, denn die »Analyse« sei ja der seiner Partei »sehr ähnlich«. Das Buch steht auch bei Köllner im Regal, Weißgerber kennt sie von früher, wohl deshalb hält sie sich mit einem Urteil zurück, »nicht lesenswert« findet sie es.

War damals wirklich alles so schön, oder wird es schöngeredet? Seit Pegida stellt sich diese Frage. »Wenn uns heute unheimlich ist, was da passiert, dann wirft das ein Bild auf das, was damals passiert ist«, sagte Schriftsteller Peter Richter 2015 bei einer Podiumsdiskussion in seiner Geburtsstadt Dresden. Es sei »genau das Volk, was damals auch auf der Straße war. Was damals die Revolution getragen hat.« Auf dem Podium saß auch Historiker Harry Waibel, seit den neunziger Jahren forscht er zu Neonazis und Rassismus in der DDR und ist überzeugt, schon damals gab es im Osten eine rechte Bewegung, die übrigens auch die DDR abschaffen wollte. Hier sei die Kontinuität rassistischen Denkens von den Wendejahren bis heute zu suchen, sagt Waibel.

Auch in Leipzig? Nein, sagt Köllner, »Ausländerfeindlichkeit war hier in keiner Weise bestimmend«. Ein Stück weit gibt ihr die Gegenwart recht, Legida ist gescheitert, im Vergleich zum Rest von Sachsen steht die AfD in Leipzig nicht ganz so gut da, aber auch hier war sie drittstärkste Kraft bei der Bundestagswahl, nach Die Linke und der CDU. Droese verdankt sein Bundestagsmandat Leipzigern. Jetzt will er die »Machtübernahme« seiner Partei in Sachsen. Und dann? Dann soll es doch keine Revolution sein, Droese wünscht sich ein »Rollback hin zu früherer konservativer Politik alter CDU-Prägung, also zu Franz Josef Strauß«. Ausgerechnet Strauß, der 1983 einen Milliardenkredit der Bundesrepublik für die DDR einfädelte, der vermutlich die Existenz der DDR verlängerte. 


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