Leipzig darf sich ab sofort Teil der »Kulturroute des Europarats« nennen. Den Beitritt zum entsprechenden Netzwerk hat der Stadtrat bei der letzten Sitzung beschlossen. Welchen Nutzen dies mit sich bringt, weiß der zuständige Kulturausschuss allerdings noch gar nicht. Und auch wie 30.000 Euro für einen passenden Kongress in den Haushalt integriert werden sollen, bleibt fraglich.
Eineinhalb Stunden nach Beginn der letzten Sitzung des Jahres geht es augenscheinlich um nicht viel. Der Lärm von Trillerpfeifen und Sprechchören vor den Türen ist mittlerweile abgeebbt. Vor dem Neuen Rathaus und im Foyer hatten sich Jugendliche versammelt, weil mehrere Jugendclubs und soziale Einrichtungen durch den Haushaltsbeschluss des Stadtrats vor dem finanziellen Aus stehen.
Doch nun steht Sebastian Walther, Mitglied der SPD Fraktion im Leipziger Stadtrat, am Rednerpult und argumentiert für einen Beitritt Leipzigs zum Netzwerk »Via Regia – Kulturroute des Europarates«. Früher wichtige Handels- und Militärstraße, selbst Napoleon sei den Weg entlang gezogen, stehe die Route heute für Kulturtransfer. Mit dem Beitritt könne man möglicherweise Fördermittel der EU sichern, erwähnt Walther, die Vorstellung des Netzwerks selbst bleibt abstrakt. »Es ist beschämend, dass Leipzig nicht dabei ist, zumal die Mitgliedschaft kostenlos ist, das sei am Rande angemerkt«, fügt er vor Ende hinzu. Auch im schriftlichen Antrag der SPD findet sich der Hinweis, dass durch den Beitritt zu dem Netzwerk keine Kosten entstehen. Mit dem Beitritt soll aber laut Wunsch der SPD zugleich der Auftrag an den Oberbürgermeister ergehen, im kommenden Jahr einen internationalen Kongress der Via Regia nach Leipzig zu holen. »Hierfür werden finanzielle Mittel i.H.v. 30.000 Euro bereitgestellt«, heißt es im Antrag.
Schnell zeigt sich: Klarheit über den genauen Nutzen des Beitritts herrscht augenscheinlich ebenso wenig wie über die Frage, woher die entsprechenden finanziellen Mittel stammen sollen. Als Mitglied des Fachausschusses Kultur hatte Linken-Stadträtin Mandy Gehrt zuvor um Vertagung des Antrags gebeten, es gebe noch Beratungsbedarf. Dass der Antrag dessen ungeachtet diskutiert wurde, ärgert auch Kulturbürgermeisterin Jennicke: »Ich bedauere es und finde es schade, dass Sie nicht noch eine Sitzung warten können«. Sie rät, den Antrag abzulehnen. Auf Fördermittel hoffe man mit einem neuen Etikett immer, die EU verhalte sich jedoch oft sparsam. Auch Gesine Märtens von den Grünen meldet sich zu Wort. »Mitten in der Haushaltsverhandlung gleich mal 30.000 Euro ohne irgendeine Quelle, so gehts nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.«
Bei der Abstimmung findet sich trotz offener Kritik, kaum sichtbarem Nutzen und anders lautender Abstimmungsempfehlung des zuständigen Dezernats eine Mehrheit für den Beitritt zur Via Regia. Bürgermeister Torsten Bonew mahnt anschließend: »Aber dahinter liegt jetzt kein Automatismus, ich bitte da um Verständnis. Sonst kriegen wir keine Haushaltsgenehmigung, weil wir einen Haushalt falsch ausgelegt haben.« Die Haushaltsverhandlungen laufen im Stadtrat seit Mitte September. Über den Haushaltsplan in seiner jetzigen Fassung wird Ende Januar kommenden Jahres abgestimmt – jede weitere Ausgabe ist dort nicht vermerkt.
Angesichts des Tempos mit dem trotz eines bestehenden Haushaltsplans finanzielle Mittel für etwas bereitgestellt werden, von dem der zuständige Fachausschuss sagt, er habe sich noch kein Bild davon machen können, pflichtet auch Oberbürgermeister Burkhard Jung der Kritik bei: »Ich möchte Ihnen da ausdrücklich zustimmen. Es sollte die Regel sein, dass wir mit gebotener Sorgfalt die Dinge besprechen in den Ausschüssen. Dazu sind die Ausschüsse da«, merkt er an. Nach der Abstimmung.