Nur Donatello fehlt, dann wäre das Quartett perfekt: Die Teenage Mutant Ninja Turtles haben die Namen der Renaissancekünstler populärer gemacht, als es jede Ausstellung könnte. Mit »Leonardo, Raffael, Michelangelo – Giganten der Renaissance« agiert die Multimediaprojektion im Kunstkraftwerk analog zur Stoßrichtung der Comicserie um die Schläger-Schildkröte. Nur werden hier keine Schwerter und Dreizacks geschwungen, sondern wird mit Dampfhammerästhetik operiert – was zum Ort passt.
Über ein Jahrhundert fungierte das Gebäude als Gas- und Heizkraftwerk. Jetzt ist der Raum der Popularisierung von Kunst gewidmet und fährt allerhand auf, um damit zu überwältigen. Hier will die Schau den »Giganten der Renaissance« mit gigantischer Inszenierung gerecht werden. Acht Meter hoch schießen die Details von Meisterwerken wie »Das letzte Abendmahl« und dem Deckenfresko der Sixtina. Bekannte Bilder erscheinen in nie gekannter Dimension. Ornamente, Florales und allerlei Getier kommen in den Blick. Auf den Originalen leicht übersehen, dürfen sie hier auch mal ins Zentrum rücken. Und das Publikum ist mittendrin im Großpanorama, wenn die Projektionen den Innenraum ausfüllen. Immersion heißt das Zauberwort. Das spukt seit einiger Zeit im Bereich der bildenden Kunst und im Theater herum, hat »interaktiv« abgelöst. Diese Formate sollen die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion hinter sich lassen, das starre Verhältnis von Kunstwerk und Betrachter auflösen. Plötzlich sind alle irgendwie involviert.
Weil man in der Mitte der Rundumprojektion sitzt oder steht, hat auch die Schau im Kunstkraftwerk das Etikett »immersiv« verpasst bekommen. Einen besonderen Effekt auf den Kunstgenuss oder in besonderem Maße erkenntnisfördernd ist das nicht. So beeindruckend sich die Fakten lesen, die Möglichkeit der intensiven, neuen Auseinandersetzung mit der Renaissancekunst verpufft in der Umsetzung. In den ersten Momenten ist die Inszenierung imposant. Doch kann man den Details im Riesenformat wenig abgewinnen, weil die Projektionen auf unebenen Backsteinoberflächen leuchtschwach und verwaschen wirken. Dazu geschaltete Musik – von Bach bis Bruckner ist viel Klassisches dabei, nur keine Renaissanceklänge – verstärkt den Eindruck des gewollt Pompösen; wenn nicht gerade die Beamerventilatoren nerven. So hat die Schau rein illustrativen Charakter, einführen in diese Kunstwelt will sie nicht. Die zwei Bildschirme im Nebenraum, an denen man sich über das Gezeigte informieren kann, haben – gemessen am Besucherstrom – lediglich Alibicharakter.
So schrammt die Schau knapp am Kitsch vorbei, was besonders fassbar wird, wenn »Die Erschaffung Adams« erscheint, also die berühmt-berührende Zeigefingerszene zwischen Gott und dem ersten Menschen. Einige Zuschauer machen davon ein Foto. Ja, sie fotografieren allen Ernstes eine blasse Projektion eines abfotografierten Gemäldes.
Populäre Zugänge zur Kunst sind wichtig, doch eine bloße Überwältigungsstrategie reicht dabei nicht aus. Erst recht, wenn die Schau pseudosakrale Züge entwickelt, indem christliche Bild- und Musikwerke als meditatives Kaleidoskop inszeniert werden. Da ist eine Motette in der Thomaskirche wohl die bessere Wahl. Oder ein Actionfilm: Am Drehbuch für »Teenage Mutant Ninja Turtels 3« wird gerade gefeilt. »Cowabunga!«