Insgesamt zehn Personen mussten sich in den letzten Tagen in drei Prozessen am Amtsgericht wegen des »Sturm auf Connewitz« verantworten. Erneut zeigte sich, dass für Bewährungsstrafen bereits minimale Einlassungen ausreichen. Wer schweigt, wird hingegen zu Haftstrafen verurteilt.
In den Verhandlungen zum Angriff auf Connewitz wurden diesen Monat zum ersten Mal seit Beginn der Prozessreihe im letzten Sommer wieder Haftstrafen ohne Bewährung verhängt – die vier Angeklagten verweigerten jegliche Aussage zu den Vorwürfen. Nach zwei langen Verhandlungstagen fiel am Freitagabend gegen 19 Uhr das Urteil: Ein Jahr und sechs Monate Haft für drei der Angeklagten, der vierte erhielt aufgrund von Vorstrafen einen zusätzlichen Monat Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung wahrscheinlich. Die Verteidigung hatte geschlossen Freispruch für ihre Mandanten gefordert. Im Laufe des Prozesses taten sich vor allem zwei als rechte Szeneanwälte bekannte Verteidiger hervor, die das Verfahren mit zahlreichen Anträgen, Beschwerden und Erklärungen in die Länge zogen.
Sieben Minuten Anklageschrift – dreieinhalb Minuten Geständnisse
Dabei hat sich in den letzten Tage ebenso gezeigt, dass in Verhandlungen zum Angriff auf Connewitz bereits minimale Einlassungen ausreichen, um mit Bewährungsstrafen davonzukommen. Am Vortag reichten in einem anderen Prozess zum gleichen Sachverhalt bereits dreieinhalb Minuten aus, um genug Raum für die »geständigen Einlassungen« von gleich zwei Angeklagten zu geben. Beide ließen von ihren Verteidigern erklären, dass sie am Abend des 11. Januar 2016 in Connewitz waren und mit der Gruppe mitgelaufen sind, aus der heraus Geschäfte, Wohnhäuser und Autos angegriffen wurden. Die Geständnisse nahmen somit weniger als die Hälfte der Zeit ein, die die Staatsanwaltschaft benötigte, um die Liste der Schäden vorzutragen. Das Urteil erging nicht einmal zwei Stunden nach Beginn der Verhandlung – inklusive einer 45-minütigen Unterbrechung. Beide Angeklagten kamen mit Bewährungsstrafen von einem Jahr und fünf Monaten davon. »Wir haben zwar keinen Deal geschlossen«, verwies Richter Pirk auf die in vergangenen Prozessen übliche Verfahrensabsprache, doch hätten auch in diesem Fall die Geständnisse eine umfangreiche Beweisaufnahme inklusive Zeugenvernehmungen erspart und seien entsprechend zu berücksichtigen.
»Ihnen ist bekannt, dass wir von Ihnen einen Whatsapp-Verlauf haben?«
Etwas ausführlicher äußerten sich wenige Tage später zumindest drei der vier Angeklagten im aktuellsten Connewitzprozess. Sebastian L., Robby S., und Marcus S. beteuerten mehr oder weniger ausführlich, lediglich geplant zu haben, die Legida-Demonstration zu besuchen und sich dann in einer Situation wiedergefunden zu haben, aus der sie nicht mehr weggekommen seien. Alle drei berichten von »Aufpassern«, die dafür gesorgt haben sollen, dass sich niemand aus der Gruppe entfernt. Nur deswegen seien sie nicht gegangen, als um sie herum erste Scheiben zu Bruch gingen. »Ich hab´s versucht, aber es ging nicht«, so Sebastian L. Auch beim ersten Treffpunkt der Gruppe am Naunhofer See sei bereits entsprechender Druck aufgebaut worden. »Wir haben die Kennzeichen, wer jetzt abhaut ist dran«, schildert Robby S. die Situation. »Wenn Sie bei einem Ihnen Umbekannten mitgefahren sind, hätte man Sie über das Kennzeichen doch gar nicht identifizieren können«, hält ihm daraufhin Richterin Hahn vor. Auch Sebastian L.s Darstellung der Geschehnisse will sie nicht unkommentiert stehen lassen: »Ihnen ist bekannt, dass wir von Ihnen einen Whatsapp-Verlauf haben?«
Dem Mitangeklagten Marcus S. hält das Gericht ebenfalls vor, dass sich seine Äußerungen im Vorfeld nur bedingt mit dem Bild decken, das er vor Gericht zeichnet. Zu Beginn seiner Einlassung bittet er um Entschuldigung und sagt über Gewalt und Sachbeschädigung: »Das ist nicht meine Art«. 2016 schrieb er kurz vor dem Angriff in einer Nachricht an einen Bekannten 56 mal das Wort »Wamsen« (schlagen). »Der hat sich ein bisschen eingegroovt, sich eingesungen«, kommentiert die Statsanwaltschaft die Nachricht später.
Deutlich knapper fällt die Einlassung von Mike J. aus. In drei Sätzen teilt sein Verteidiger mit, er räume den Tatvorwurf ein, habe im Vorfeld über »Buschfunk« davon erfahren, ohne den genauen Plan zu kennen und sei nach der Arbeit nach Connewitz zu gefahren. Auf die Rückgabe der bei ihm sichergestellten Quarzhandschuhe verzichte er und stehe für weitere Fragen nicht zur Verfügung. Sein Verteidiger nennt dies später ein »umfassendes Geständnis«, bei dem er den Tatvorwurf im Gegensatz zu seinen Mitangeklagten »ohne wenn und aber« eingeräumt habe.
Verhandlung dank Verständigung »problemlos und ohne großen Aufwand« beendet
Für eine Bewährungsstrafe reicht auch diese knappe Einlassung letztendlich aus. Sebastian L. und Robby S. werden zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Mike J. und Marcus S. erhalten Bewährungsstrafen von einem Jahr und fünf Monaten – strafverschärfend wirken die mitgeführten Handschuhe bei J. und die »wamsen«-Nachricht von S.
Richterin Hahn ließ im Laufe der Verhandlung mehrfach in deutlichen Worten wissen, dass sie den Angeklagten nicht alles glaube – »Alle Leute, die wir hier verhandeln, sind ganz hinten gelaufen und haben alle nichts gemacht…« – und ließ vor der Urteilsverkündung in rhetorischer Härte wissen: »Wer meine Stadt zerkloppt, der hat hier schlechte Karten.« Zugleich liegt das verkündete Strafmaß im üblichen Rahmen der bisherigen Verhandlungen – sofern eine minimale Einlassung der Angeklagten erfolgte. Entsprechend führte auch die Verteidigung bereits im Vorfeld aus, dass man die Verhandlung dank der erfolgten Verständigung »problemlos und ohne großen Aufwand zu Ende bringen« konnte.