Das Theater der jungen Welt inszeniert mit »Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute« ein Stück, das Kindern und Jugendlichen den industriellen Massenmord im KZ Buchenwald näher bringen soll. Am Samstag feiert Jürgen Zielinskis Inszenierung in Leipzig Premiere.
Der Bär ist neu im Zoo. Und verwirrt. Wie war das mit den Gestiefelten und den Gestreiften, die auf der anderen Seite des Stacheldrahtzauns leben? Wieso kann ein Gestreifter einfach erschossen werden, nur, weil der Bär nicht ulkig genug guckte? Wo ist er denn hineingeraten?
Nach Buchenwald, und zwar in dessen Zoo. Das KZ hatte tatsächlich einen Tierpark, der die Bewacher und Folterer sowie ihre Familien zerstreuen sollte. Was zynisch klingt, greift ein Theaterstück für Kinder auf, in dem sich diese behutsam dem industriellen Massenmord nähern können – sofern das geht. »Das Stück funktioniert über das Trauma des neu ankommenden Bären«, sagt Jörn Kalbitz. Er ist als Dramaturg an der Inszenierung von »Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute« am Theater der Jungen Welt (TdJW) beteiligt.
»Ich weigere mich, einfach Konzentrationslager nachzuspielen«, sagt Regisseur Jürgen Zielinski. Darum sucht er immer wieder nach Kunstgriffen, um für die Altersgruppe zehn plus zu inszenieren. Der preisgekrönte Text von Jens Raschke ist so eine besondere Weise, sich dem Unvorstellbaren zu nähern. »Die Spielsituation wird über die Tiere erzählt, eine sanfte Erzählstruktur führt ins Unangenehmste«, so Zielinski. »Wenn sich diese gegenseitig empfehlen, lieber nicht aufzufallen, kommt da auch der Alltag des Verschweigens und Verdrängens damals zum Ausdruck.«
So handelt das Stück dann auch von rauchenden Krematorienschloten, brutalen Gestreiften und folgsamen Tieren – und der vom Himmel kommenden Befreiung.
In den Reflexionen auf das Verhalten der Tiere stecke, so Kalbitz, auch der aktuelle Bezug, auf die »organisierten Entgleisungen« von heute. Denn der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.
So wird im Stück der Bär zum Helden einer ausweglosen Situation, zum Verteidiger des Humanitären. Wenn der Mensch zum Tier wird, dann scheint aus dem Blick des Tieres das Menschliche durch.