Dichter Bart, der Blick freundlich und zugleich entschlossen: Vielen ist Tobias Burdukat spätestens seit der #wirsindmehr-Debatte im letzten Herbst bekannt. Damals forderte er, sich intensiver um Jugendliche in den ländlichen Regionen Sachsens zu kümmern. Er selbst leitet als Sozialarbeiter das »Dorf der Jugend« in Grimma, wurde für seine Arbeit mehrfach mit Preisen gewürdigt. Vor wenigen Tagen wandte sich das Projekt mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit, kurz darauf folgte ein Crowdfunding: Nach langer Auseinandersetzung mit dem Jugendamt möchte der Verein unabhängig von öffentlichen Fördergeldern arbeiten können.
kreuzer: Ihr Verein möchte durch Crowdfunding eine Stelle für Jugendsozialarbeit finanzieren. Ist dafür nicht eigentlich das Jugendamt zuständig?
TOBIAS BURDUKAT: Das ist richtig. Normalerweise ist das Aufgabe der Stadt, oder wie in unserem Fall des Landkreises. Wir haben im letzten Jahr einen Antrag für eine Stellenerweiterung für unser Projekt »Dorf der Jugend« gestellt, der wurde aber abgelehnt.
kreuzer: Warum wurde der Antrag abgelehnt?
BURDUKAT: Die Planung der Förderung der Kinder- und Jugendarbeit wird meist für mehrere Jahre festgelegt. Weil wir dort aktuell nicht berücksichtigt sind, wurde auch unser Antrag abgelehnt. Wir haben mittlerweile auch beantragt, als freier Träger in der Jugendhilfe anerkannt zu werden, damit wir beim nächsten Planungsprozess mit berücksichtigt werden, aber das wird noch einige Zeit dauern.
kreuzer: Vor einigen Tagen hat das Dorf der Jugend einen »Hilferuf« verschickt und über »Vorwürfe und Anschuldigungen« gegen Ihre Arbeit und Sie als Person berichtet. Worum geht es da?
BURDUKAT: Die Auseinandersetzung mit dem Jugendamt ist sehr komplex. Es geht im Wesentlichen erst einmal um die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe. Seit 2017 führen wir Gespräche, bei denen immer wieder neue Gründe vorgebracht wurden, warum wir diese Anerkennung noch nicht bekommen können. Formal ist das alles korrekt, zugleich wirkt es an den Haaren herbeigezogen. Mit gutem Willen hätte man das auch problemlos anders auslegen können. Das bittere an der Geschichte sind aber Vorwürfe, die teilweise wirklich absurd sind. Auch die Jugendlichen fühlen sich da attackiert.
kreuzer: Wie sehen diese Vorwürfe aus?
BURDUKAT: Aktuell wird vieles, was zwischen Jugendamt und Träger passiert, auf mich als Person reduziert. Ich sei zu politisch oder würde ein eigenes Bild von Jugendarbeit vertreten. Der Eindruck basiert vermutlich darauf, dass wir bei uns tatsächlich Jugendarbeit für Jugendliche und junge Erwachsene betreiben. In anderen Einrichtungen wird meist mit Kindern bis zum 14. Lebensjahr gearbeitet, für Ältere gibt es aber dann meist keine Angebote. Diese Lücke wollen wir mit unserer Arbeit schließen. Das bringt natürlich ein anderes Bild mit sich. Diese Altersgruppe nimmt ja schon viel stärker an öffentlichen Debatten teil und kommuniziert auch nach außen, was sie stört. Wir als Sozialarbeiter orientieren uns an Menschenrechten und versuchen dies auch an die Jugendlichen weiterzugeben. Das führt ja zu der Selbstständigkeit eines Menschen entsprechend des Grundgesetzes, also dass die Jugendlichen in der Lage sind, diese Grundwerte für sich zu erkennen und auch zu verteidigen. Wenn ein Jugendlicher daraufhin öffentlich Kritik äußert, etwa weil die AfD in ihrer Arbeit gegen Menschenrechte agiert, dann muss das ok sein – ohne unsere Arbeit in Frage zu stellen. Aktuell ist das aus Sicht des Jugendamts aber anscheinend nicht in Ordnung. Wir machen aber keine Werbung für Parteien, sondern regen dazu an, sich beispielsweise mit Parteiprogrammen inhaltlich auseinanderzusetzen. Wenn ein Jugendlicher dabei zu dem Schluss kommt, dass er die AfD gut findet, muss ich das genauso akzeptieren.
kreuzer: Gibt es gerade im ländlichen Raum von Sachsen einen besonderen Bedarf an der Arbeit mit dieser Altersgruppe?
BURDUKAT: Es gibt da einen enormen Bedarf. Wir reden hier von der Altersgruppe, die meist sobald sie mit der Schule fertig ist, auseinander gerissen wird. Wenn die Jugendlichen in dem Alter keinen Bezug aufbauen zu der ländlichen Region, in der sie leben, eben weil sie sich dort nicht wohl fühlen oder attraktive Angebote fehlen, werden sie vermutlich so schnell es geht wegziehen. Wenn sie immer nur als die bösen Jugendlichen wahrgenommen werden, die laut sind, stören und sich angeblich nicht einbringen, dann muss man sich nicht wundern, dass sie die Region verlassen, sobald sich die Möglichkeit bietet. Da bleiben dann wiederum nur bestimmte Gruppen an Jugendlichen zurück, die entsprechend frustriert sind und sich daher empfänglich für rechte Strukturen zeigen. Da docken diese Jugendlichen dann häufig an.
kreuzer: Nach den Ausschreitungen in Chemnitz im letzten Herbst haben Sie und Stephan Conrad vom Treibhaus Döbeln gefordert, sich gezielt dem ländlichen Raum in Sachsen zuzuwenden und gemeinsam den Hashtag »#wannwennnichtjetzt« geprägt. Conrad kandidiert nun bei der kommenden Kommunalwahl. Wie geht es bei Ihnen weiter?
BURDUKAT: Das »Dorf der Jugend« ist unsere Antwort. Ich saß selbst lange im Stadtrat in Grimma, bin aktuell noch im Kreisrat, werde aber nicht noch einmal antreten, sondern meine Energie jetzt auf meine Möglichkeiten als Sozialarbeiter konzentrieren. Ich möchte gute Jugendarbeit im ländlichen Raum anbieten und gerne auch andere Initiativen beraten oder unterstützen. Vielleicht kommen wir ja damit an den Punkt, dass wir in zarten Ansätzen wieder eine flächendeckende Jugend- und Kulturarbeit auf dem Land haben. Die soll ja auch für die Jugendlichen attraktiv sein. Und da wir aktuell keine weitere Förderung vom Jugendamt bekommen, um das Projekt auszubauen, ist unsere Antwort nun das Crowdfunding. Wir möchten ein nachhaltiges Angebot schaffen, das sich fortlaufend um die Jugendlichen in der Region kümmert und nicht nur um die aktuelle Generation. Ehrenamtlich werden wir das dauerhaft leider nicht leisten können.