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Stadtleben

Ein neuer Bürgermeister könnte helfen

Die Stadt tut zu wenig, um die fragile Clubszene zu schützen – ein Kommentar

  Ein neuer Bürgermeister könnte helfen | Die Stadt tut zu wenig, um die fragile Clubszene zu schützen – ein Kommentar

Die musikalische Artenvielfalt ist Aushängeschild von Leipzig. Doch eine Sensibilität für die Bedürfnisse der Clubszene ist von Seiten der Stadt bislang nicht wirklich zu erkennen, kommentiert Musikredakteur Kay Schier.

In den letzten anderthalb Jahren traf es mit dem Club So & So und der Konzertlocation 4Rooms zwei wesentliche Akteure der Leipziger Musiklandschaft: In beiden Fällen hat der jeweilige Eigentümer des Geländes die renommierten Spielstätten unter rabiater Ausnutzung des rechtlich Möglichen abgeschafft, sprich: ihnen Knall auf Fall gekündigt. In beiden Fällen kommt zukünftiger Profit auswärtigen Investoren zugute, die offenbar wenig Interesse am kulturellen Leben der Stadt haben, in die sie investieren.

Die Distillery am Bayerischen Bahnhof bekommt eine Schonfrist bis 2022, das ist besser als nichts. Trotzdem können diese Phänomene der Verdrängung nicht im Sinne einer Stadt sein, die sich in ihrem Image gefällt, auf kompakterem Raum ein Nachtleben wie sonst nur Berlin (aber mindestens!) zu bieten. Die damalige Stellungnahme des 4Rooms zur eigenen Weggentrifizierung meinte zynisch dazu: »Irgendwie komisch, wir dachten doch tatsächlich, dass wir als Teil der Leipziger Kulturszene irgendwie auch eine Rolle spielen bei all dem Highpzig-Gebrabbel.«

Die musikalische Artenvielfalt ist Aushängeschild der Stadt und für viele mit ein Grund, überhaupt erst hierherzukommen. Eine Sensibilität für ihre Bedürfnisse ist von Seiten der Stadt bislang nicht wirklich zu erkennen, zum Beispiel ist die Distillery genauso wie das benachbarte Institut für Zukunft im Bebauungsplan der Stadt Leipzig nicht einmal als Kulturstätte eingetragen. Die Stadt tut zu wenig, um die fragile Clubszene zu schützen. Stattdessen lässt sie zu, dass solche Orte plattgemacht werden, um Wohnungen zu bauen, die sich die Leute, die frisch hierher ziehen, mutmaßlich nicht leisten können. So kann das aber nichts werden mit Klein-Neuberlin, wenn man zulässt, dass die hiesigen subkulturellen Zentren und Impulsgeber einfach verramscht werden.

Selbst bei der Distillery (die gar nichts dafür kann), gern als Feigenblatt à la »Wir tun was für die Szene« benutzt, wird nun in Kauf genommen, dass sie aus der Südvorstadt verdrängt wird.

Mag sein, dass das Zeitfenster fast schon geschlossen ist, in dem Leipzig die brutale Wirkung der Gentrifizierung auf die Kulturszene abmildern könnte. Hört man sich um, gerade auch an halblegalen Veranstaltungsorten, die noch bestehende Freiräume nutzen, macht sich eigentlich niemand irgendwelche Illusionen, dass man noch einmal einen Ort finden wird, der so gut passt wie der, an dem man jetzt gerade ist. Dieser nüchterne Pessimismus unter vielen, die das kulturelle Leben hier selbstständig gestalten, ist alarmierend.

Konzepte, wie etwa das Amt eines Nachtbürgermeisters umzusetzen, der oder die zwischen den Interessen und Bedürfnissen von Feiernden wie Anwohnern vermitteln soll, wären ein wichtiges Signal von Seiten der Stadt an die Musikszene, dass ihr deren Probleme nicht egal sind. Der gehen in existenzieller Hinsicht gerade die Optionen aus, was eine Bleibe für die eigenen Ideen betrifft, und allen, die hier leben, potenziell ein großes Stück Lebensqualität verloren. Das kann der Politik nicht so egal sein, wie es zumindest gerade scheint.


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