... und was sonst so Filmisches in der Stadt passiert.
Film der Woche: Die Grenzbeamtin Tina verfügt über einen ausgesprochen ausgeprägten Geruchsinn, der es ihr ermöglicht, die Abgründe ihrer Mitmenschen zu erschnuppern. Als sie jedoch Vore begegnet, ist sie verwirrt: Der seltsame Fremde verbirgt etwas und doch gelingt es ihr nicht, ihn zu durchschauen. Vielmehr fühlt sie sich animalisch zu ihm hingezogen. Welche irren Handlungskapriolen Ali Abbasis Adaption der Geschichte von John Ajvide Lindqvist (»So finster die Nacht«) noch schlägt, sei nicht verraten. Ins Kino gehen und selber staunen. Ausführliche Kritik von Peter Hoch im aktuellen kreuzer.
»Border«: ab 11.4., Passage Kinos, Kinobar Prager Frühling, Schauburg
Wer sich der Illusion hingibt, es gäbe eine Art Masterplan, um garantiert nicht an der Tür eines Clubs abgelehnt zu werden, muss an dieser Stelle leider enttäuscht werden. Oft sei es ganz einfach sein Bauchgefühl, dass ihn dazu bewegt, bestimmte Leute an der Pforte abzuweisen, formuliert es Smiley Baldwin. Der Türsteher stammt ursprünglich von den Amerikanischen Jungferninseln, kam zu Zeiten der deutschen Teilung als GI nach Berlin und ist einer von drei Protagonisten der Dokumentation »Berlin Bouncer«. Die anderen beiden sind Sven Marquardt (»Berghain«) und Frank Künster (v.a. bis zur Schließung 2017 »King Size«), und sie alle zählen durch ihre Position vor den Toren Berliner Clubs zu den bekanntesten Gesichtern des Nachtlebens der Stadt. Die Doku von David Dietl (»Rate your Date«, »König von Deutschland«) erzählt von ihren sehr unterschiedlichen Lebensgeschichten, aber auch von der Szene, zu der sie schon länger wie selbstverständlich dazugehören. In kurzen Schnipseln sieht man sie alle bei dem, was sie eben tun – den Eingang von Diskotheken bewachen, Leute begrüßen, Leute abweisen. Besonders macht sie vor allem die Art, wie sie das tun. Weil sie selbst wissen, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen und kalt abgewiesen zu werden, setzen sie grundsätzlich auf das Gegenteil: Empathie, Respekt, Freundlichkeit, wenngleich sie doch resolut sind, wenn es angebracht erscheint.»Berlin Bouncer« ist auch dann ein lohnenswerter Film, wenn man noch nie einen Berliner Club von innen gesehen hat. Doch so richtig verstehen können ihn nur diejenigen, die schon vor 25 Jahren nachts in der Hauptstadt unterwegs waren. Die legendäre »Gesetzlosigkeit«, vor allem während der frühen 1990er Jahre im Ostteil der Stadt, ist immer wieder Thema der Doku. So wirkt selbst ein Koloss von 135 Kilo wie Frank Künster verletzlich, wenn er dorthin führt, wo früher exzessiv gefeiert wurde und heute nichts mehr ist, weil wieder ein Schuppen aus irgendeinem Grund dichtmachen musste. Gerade darin liegt die Stärke dieses Films: Er macht die Menschen verständlich und nahbar, die sonst wie unüberwindbare, grimmige Schränke wirken.
»Berlin Bouncer«: ab 13., 16.4., Luru Kino in der Spinnerei, ab 18.4., Kinobar Prager Frühling
Mike Mignolas Comicserie »Hellboy« ist der Stoff, aus dem Trashfilme geboren werden. Heraufbeschworen von den Nazis am Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde der Höllenjunge zu einem Kämpfer für die gute Sache. Mit seiner ruppigen Art, dem Hang zum Alkohol und der Neigung, Probleme mit den Fäusten zu lösen, macht er sich ebensowenig Freunde wie durch sein grobschlächtiges Äußeres. Aber in seinem Job als paranormaler Monsterjäger macht ihm keiner was nach. Der Einzige, auf den Hellboy (David Harbour) hört, ist der Chef der Einheit, Professor Bruttenholm (Ian McShane), den er liebevoll »Vater« nennt. Schließlich nahm er ihn damals auf und machte ihn zu dem, was er ist. Welche Absichten dahinter steckten, was ein mysteriöser Geheimbund damit zu tun hat und wie Hellboy die übermächtige, wiederauferstandene Blutkönigin Nimue (Milla Jovovich) zur Strecke bringt, kann man sich im Reboot der Serie für das Kino anschauen. Im Gegensatz zu Guillermo del Toro spart sich Regisseur Neil Marshall (»Centurion«) die Zwischentöne und setzt selbstbewusst auf Comic-Trash.
»Hellboy - Call of Darkness«: ab 11.4., CineStar, Cineplex, Regina Palast
Die meisten Menschen mit Ostbiographie haben den DEFA-Klassiker von 1966 und die TV-Adaption aus den Achtzigern noch in bester Erinnerung. Für sie wurde die Neuauflage der Abenteuer von »Alfons Zitterbacke« aber eindeutig nicht gemacht. Sie richtet sich mit reichlich Chaos und Chaoten eher an ein junges Publikum. Der 11-jährige Alfons träumt davon, eines Tages Astronaut zu werden und ins All zu reisen. Im Hier und Jetzt muss er sich allerdings mit seinem Erzfeind Nico, den Lehrern und seinen Eltern rumschlagen. Irgendwie haben es alle auf ihn abgesehen. Vielleicht liegt das daran, dass Alfons reichlich Chaos stiftet und beinahe die Schule in Schutt und Asche legt. Um der Welt zu beweisen, dass in ihm ein wahres Genie steckt, plant er, beim Fluggeräte-Wettbewerb zu triumphieren. Sein bester Freund Benni soll ihm dabei helfen und vielleicht gelingt es Alfons ja sogar das Herz seiner neuen Nachbarin Emilia zu erobern. Regisseur Mark Schlichter verleiht der 60 Jahre alten Vorlage einen modernen Anstrich. Die Besetzung überzeugt, die Rap-Einlagen und das hippe Gequatsche gehen dagegen bisweilen auf die Nerven.
»Alfons Zitterbacke«: ab 11.4., Passage Kino, Kinobar Prager Frühling, CineStar, Cineplex, Regina Palast
Im kanadischen Fort McMurray liegt eines der größten und letzten Ölvorkommen unseres Planeten. Wie magisch zieht das »schwarze Gold« Menschen aus aller Welt an. Denn mit dem Ölsand lässt sich so viel Geld verdienen wie nirgend woanders. Doch der Preis ist hoch: Die aufwändige Gewinnung des Öls aus dem Teersand setzt lebensgefährliche Stoffe frei, die Natur, Tiere und Menschen vergiften. Alles andere also als ein Paradies! Ausgerechnet an diesem verlorenen Ort findet Regisseurin Jasmin Herold die große Liebe, ihren späteren Co-Regisseur Michael Beamish. Doch als Michael schwer erkrankt, sind die beiden plötzlich unmittelbar betroffen. Ihr eigener Albtraum beginnt. Die Leipzigerin Jasmin Herold und Michael Beamish erlebten hautnah, wie die Erdölgewinnung in Kanada zum existenziellen Drama wird. Ihre Erlebnisse schildern sie in dem Dokumentarfilm »Dark Eden«. Am 11.4. stellen sie ihn in der Kinobar vor. Am 27.4. gibt es im Anschluss an die Vorführung ein Filmgespräch mit Joachim Eckstein (Vorstand der EGL - Energiegenossenschaft Leipzig), im Rahmen des Tages der Erneuerbaren Energien.
»Dark Eden«: 11., 15./16.4. Kinobar Prager Frühling
Weitere Filmtermine der Woche
Gegenkino Start mit »La casa lobo (Das Wolfshaus)«: Ein faszinierendes Märchen um die Flucht eines Mädchens aus der chilenischen Colonia Dignidad. Vorfilm: »Gulyabani«.
Der Mainstream langweilt nur noch, in den Multiplexen regiert das Fließband und die Kinobetreiber heulen ins Popcorn. Gut, dass es das Gegenkino gibt, wo einmal im Jahr gezeigt wird, was Film kann. Mit Ausstellungen, Konzerten, Diskussionen und den spannendsten Produktionen des Kinojahrs. Das umfangreiche Programm gibt es hier auf www.kreuzer-leipzig.de, einen Vorgeschmack im Heft.11.4., 20 Uhr, UT Connewitz
Der Funktionär
Andreas Goldsteins persönliche Auseinandersetzung mit seinem Vater, Klaus Gysi, Verlagsleiter, Botschafter, Staatssekretär und Kultusminister der DDR. Am 12.4. Premiere in Anwesenheit des Regisseurs Andreas Goldstein
12.4., 19.30 Uhr, Kinobar Prager Frühling
Kosmische Brocken - Frank Zappa und die Deutschen
Das Zappa-Fantum wird als eine frühpubertäre Infektion mit lebenslangen Folgen diagnostiziert, von denen junge Musikliebhaber in West- und Ostdeutschland gleichermaßen befallen wurden. – In Anwesenheit des Filmrgisseurs und Drehbuchautors Jörg Wulf13.4., 20 Uhr, Horns Erben
Zwei Familien auf Weltreise
Eine Reise-Dokumentation über zwei Familien aus Deutschland, die ihr Leben in Frankfurt und Dortmund hinter sich lassen, um die Welt zu bereisen und dabei auch sich selbst besser kennenzulernen. Am 13. April in Anwesenheit der Protagonisten Sandyha und Benedict Durchholz mit ihren Kindern
13.4., 17 Uhr, Passage Kinos
Heilt Hitler!
»Heilt Hitler! beschäftigt sich mit der deutschen Vergangenheit, dass denjenigen, die im Nationalsozialismus lediglich einen Verkehrsunfall deutscher Geschichte sehen, das Hören und Sehen vergehen kann.« (Herbert Achternbusch) – vor dem Film Redebeitrag von Wolfgang Jacobsen mit anschl. Diskussion (17 Uhr) – Achternbusch-Werkschau
14.4., 18 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Marketa Lazarová
Hauptwerk der tschechischen Kinematografie über das düstere Mittelalter, in dem eine adelige Jungfrau von einem Räuber entführt und seine Geliebte wird. – Tschechische Meister. Literaturverfilmungen 1929-1967
14.4., 17 Uhr, Schaubühne Lindenfels
The Swing Eine poetischer Dokumentation über den 90-jährigen Antoine und seine Frau Viviane, mit der er seit 65 Jahren verheiratet ist und die es einfach nicht übers Herz bringt, ihm zu erzählen, dass ihre gemeinsame Tochter plötzlich verstorben ist. – am 15. April im Rahmen der Documentary Convention in Anwesenheit des Regisseurs Cyril Aris in den Passage Kinos
15.4., 20.45 Uhr, Passage Kinos
Dream Away Drei Jahre nach der Revolution spiegelt sich die gegenwärtige Situation Ägyptens besonders deutlich in der einst pulsierenden und schimmernden Stadt Sharm El Sheikh. Der Film begleitet eine Generation junger Ägypter auf der Suche nach einer neuen Identität in der surrealen Touristenhochburg. – am 16. April im Rahmen der Documentary Convention in Anwesenheit der Regisseure Johanna Domke und Marouan Omara in den Passage Kinos
16.4., 20.45 Uhr, Passage Kinos
O-bi, O-ba. Das Ende der Zivilisation
Ein Jahr nach der nuklearen Katastrophe hoffen die letzten verbliebenen Menschen darauf, von einem militärischen Schiff, der Arche, in Sicherheit gebracht zu werden. –KosmOst: Science-Fiction-Filme aus Osteuropa 1959-1989
16.4., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei
Habitat
Migration an einem Baggersee nahe Leipzig: Während pensionierte Bergleute emsig an der Entstehung eines Erholungsgebiets arbeiten und Asylsuchende vergeblich auf ein Bleiberecht oder den Nachzug ihrer Familie hoffen, erwarten Ornithologen sehnsüchtig die Ankunft eines seltenen Zugvogels aus Afrika. – anschl. Fimgespräch mit den Regisseuren, Auftakt der Reihe »Schicht um Schicht«17.4., 18 Uhr, Schaubühne Lindenfels
Shorts Attack: PsychoDie Protagonisten in dieser Kurzfilmrolle sind allesamt reif für den Psychiater. 9 Filme in 85 Minuten. (Filmstill: Enough)
17.4., 20 Uhr, UT Connewitz