anzeige
anzeige
Kultur

Palast der armen Künstler

Ein städtisches Kreativcenter soll den Norden beleben und Künstlern ein Heim bieten

  Palast der armen Künstler | Ein städtisches Kreativcenter soll den Norden beleben und Künstlern ein Heim bieten

Noch bis 2029 läuft der Mietvertrag der Stadt für ein ehemaliges Autohaus im Leipziger Norden. Genutzt wurden die Räume zunächst nicht. Ursprünglich sollten dort Geflüchtete untergebracht werden. Nun sollen Künstler den Standort beleben – und die Stadtkasse zumindest um einen Teil der laufenden Kosten erleichtern.

Ein strahlender Glas-Metall-Palast thront im Leipziger Norden an der Lindenthaler Straße und lässt die neunziger Jahre aufleben. Damals standen hinter den riesigen Scheiben glänzende Automobile: ein Palast anstelle von Automärkten mit glitzernder Wimpelkette an Straßenecken. Im Sommer 2015 bot der Autohauseigentümer – die Dinnebier Automobile GmbH – der Stadt den Palast als Unterkunft für Geflüchtete zur Miete an. Die Umbauten dauerten ihre Zeit, sodass die Unterkunft im August 2017 der Stadt zur zwölfjährigen Miete übergeben werden konnte. Seitdem steht sie als Reserve zur Unterbringung von Geflüchteten bereit und das kostet die Stadt einige Euros. Aufgerufen waren 7,90 Euro kalt plus 2,50 pro Quadratmeter Betriebskosten. Hochgerechnet auf zwölf Mietjahre kämen circa 7,5 Millionen Euro raus. 
Daher verordnete der Oberbürgermeister im April 2018, dass alternative Nutzungen zu suchen sind. Und Nutzer für leere Räume gibt es in der Stadt zur Genüge.

Angespannte Ateliersituation in Leipzig

Da wären zum Beispiel die bildenden Künstler. Der Bund Bildender Künstler (BBKL) geht davon aus, dass ungefähr 1.500 bildende Künstler in der Region Leipzig leben und arbeiten. Dazu kommen jährlich noch die Abgänger der Kunsthochschule sowie Zuzüge aus der ganzen Welt. Als vor mehr als zehn Jahren das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit den Kulturwirtschaftsbericht Sachsen herausgab, war darin zu lesen, dass der Freistaat mit geringen Mieten und niedrigen Lebenshaltungskosten punktet. Dazu gab es noch jede Menge Leerräume, weil keine blühenden Industrielandschaften Raum einforderten. Damals rationalisierte das Kulturamt das mit städtischen Mitteln finanzierte Atelierprogramm in den ehemaligen Pittlerwerken weg, weil es offenbar auch ohne Unterstützung ging. 2012 wurde den Kunstschaffenden in den Pittlerwerken wie auch im Atelierhaus Erich-Zeigner-Allee gekündigt. Der kreuzer berichtete im Oktober 2017 über die angespannte Ateliersituation. Das Kulturamt schrieb dem kreuzer damals, dass die Stadt laufend prüft, ob städtische Liegenschaften für Kunst- und Kreativschaffende zur Verfügung gestellt werden können. Das schien nun mit dem Autosalon der Fall zu sein. So einigten sich das Amt für Wirtschaftsförderung, das Sozialamt und das Kulturamt auf eine Nutzung im Sinne eines städtisch subventionierten Hauses, das von der stadteigenen Leipziger Gewerbehof Service Gesellschaft (LGH) verwaltet wird.

Mitte Dezember 2018 beschloss die Ratsversammlung die Nutzbarmachung des Objektes Lindenthaler Straße 61 bis 65 für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Im Ratsbeschluss steht, dass der Oberbürgermeister sicherstellt, dass eine nicht kostendeckende Miete für Künstler und Kreativschaffende beziehungseise weitere 
Nutzer erhoben wird. Daher kostet die Miete für hauptberuflich Kunstschaffende 5 Euro warm. Wenn der Kunstschaffende einen Antrag auf Fördermittel der Stadt stellt, dann muss die bezuschusste Miete explizit genannt werden. Im Gegensatz zu den Künstlern zahlen die Angehörigen der Kreativwirtschaft 5 Euro kalt plus Betriebskosten von 2,50 Euro pro Quadratmeter.

Stadt sieht Künstlerhaus als Entwicklungsmotor für die nahe Georg-Schumann-Straße

Die Stadt besitzt bereits sehr konkrete Vorstellungen, wie es mit der Immobilie und den Kunst- und Kreativschaffenden weitergeht. Attraktiv scheint der Standort trotz S-Bahn, Bus und Straßenbahn direkt vor der Tür, umgeben von Tankstelle, Döner- und Asia-Imbiss sowie Softeisladen nicht so richtig. Gohlis-Mitte klingt nicht nach Hotspot. Aber die Stadt ist sehr optimistisch und sieht das Haus gar als Entwicklungsmotor für die nahe Georg-Schumann-Straße. Ungefähr die Hälfte der einhundert Ateliers soll 2019 vermietet sein. Von 2022 bis zum Mietende 2029 liegt die geplante Auslastung bei 90 Prozent.Jetzt muss erst einmal das Liegenschaftsamt die Immobilie zur Gewerbenutzung umschreiben und dann kann die Vermietung beginnen. Die Studioräume sind begehrt. Erste Besichtigungen fanden schon vor Wochen statt.

Wie wird aus einer Unterbringung nun ein Atelierhaus? Beim Rundgang durch das Objekt Ende Februar mit dem LGH-Geschäftsführer Kai Thalmann versichert dieser, dass große Umbauten nicht zu erwarten sind. Die ungefähr 100 Ateliers verteilen sich auf drei Etagen. Sie haben Größen von 13 bis zu 34 Quadratmetern. Große Kunst sollte der Mieter nicht produzieren, denn sie muss durch handelsübliche Türen passen, bevor sie in die Welt gelangt. Als vor einigen Jahren seitens der Stadt Kunstschaffenden die Immobilie schmackhaft gemacht werden sollte, lehnten die dankend ab. Die Zeiten änderten sich.

Kulturamtsleiterin Susanne Kucharski-Huniat schrieb Ende Januar an den kreuzer: »Wir gehen davon aus, dass der Standort mit dieser Nutzung zur Belebung des Stadtteiles beitragen und die Ateliersituation in der Stadt etwas entschärft wird. Bei mehreren Begehungen im Vorfeld des Ratsbeschlusses waren BBKL, Kreatives Leipzig und ein Netzwerk von Künstlerinnen begeistert.« Auf dass die Begeisterung anhält!


Kommentieren


0 Kommentar(e)