Nach den Sexismus-Vorwürfen im Tanzcafé Ilses Erika kündigten gleichzeitig acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Club reagierte zunächst überrascht und distanziert – will sich nun aber doch ausführlich zu den Vorkommnissen äußern. Der kreuzer sprach mit den Beteiligten.
Der Brief beginnt mit den Worten »Lieber Sexismus, wir kündigen«. In dem offenen Schreiben auf dem Blog »Tresensexismus« führen acht anonyme Mitarbeiter des Tanzcafés Ilses Erika strukturellen Sexismus an ihrem bisherigen Arbeitsplatz aus. Es heißt, sie wollen die Situation im Connewitzer Club nicht länger stillschweigend ertragen. Erwähnt werden unter anderem »struktureller Sexismus von Seiten der Gäste, in erster Linie aber von übergeordneten Angestellten«. Kollektiv haben die Verfasser*innen beschlossen, zu gehen.
Ein Vorfall im Juni war für die ehemaligen Club-Beschäftigten der letzte Anstoß für den Brief und die Kündigungen: Eine im Club arbeitende Person erkannte unter den Gästen eine Person, die diese in der Vergangenheit mutmaßlich sexuell missbraucht haben soll. Als sich das Teammitglied an das Türpersonal wandte und bat, die Person der Party zu verweisen, antwortete das Sicherheitspersonal offenbar, diese »Privatangelegenheit« solle doch bitte anderweitig geklärt werden. Die an der Bar arbeitende Person verließ daraufhin den Club, eine weitere Mitarbeiterin folgte ihr.
»Das wurde zur Normalität«
Was an diesem Abend im Juni passiert ist und was nicht, wissen nur die Beteiligten. Seit sich die scheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Brief an die Öffentlichkeit gewandt haben, brodelt die Gerüchteküche in der Stadt. Der Club selbst veröffentlichte einige Tage nach den Vorfällen auf seiner Facebook-Seite eine sehr allgemein formulierte Stellungnahme zu den Awareness-Anforderungen und Strukturen in Ilses Erika, was die Situation mehr anheizen als dämpfen konnte.
Am gravierendsten sind für den Club die Vorwürfe, dass die zuständige Abendleitung in der Ilse solche Vorfälle nicht nur im oben genannten Fall, sondern auch in der Vergangenheit standardmäßig herunterspielen, oder gar ignorieren würde. Für die Gruppe der Briefschreibenden wirkt es, als würde nach dem Motto: ‚Damit muss man leben, wenn man in der Gastronomie arbeitet‘ gehandelt werden. »Das wurde für uns zur Normalität, bis wir schließlich gar keine Hilfe mehr gesucht haben«, heißt es.
Ex-Mitarbeiter: Das Problem liegt beim Türpersonal
Auch eine Ex-Mitarbeiterin spricht von strukturellem Sexismus durch die Gäste, dieser sei »Arbeitsalltag« gewesen. Die Gruppe, die den Brief veröffentlicht hatte, will nun insgesamt Aufmerksamkeit für das Thema schaffen, »weil das ein generelles Problem ist, nicht nur in diesem Club, sondern in der gesamten Gastronomie«. Im Gespräch mit dem kreuzer betonen die ausgeschiedenen Mitarbeitenden immer wieder, dass das Problem in erster Linie nicht bei Clubchef Jörn Drewes liege, sondern bei der zuständigen Abendleitung an der Tür: »Das sind zwei, drei Personen – Männer in Führungspositionen – die das seit vielen Jahren machen, die wissen, dass sie unantastbar sind. So lange bei denen die Entscheidungshoheit liegt, wird sich nichts ändern.« Ein Pochen auf Hierarchie, so beschreiben es die ehemaligen Mitarbeiter. Gespräche seien stets fruchtlos verlaufen, konkrete Vorschläge, etwa auch weibliches Einlasspersonal zu beschäftigen, seien zurückgewiesen worden, über die vor einigen Monaten aufgehängten »Awarenesszettel« habe man sich schlicht lustig gemacht.
Mit den Vorwürfen konfrontiert, zeigt sich Christian Feist, Booker und Sprecher der Ilse, stellenweise überrascht, kann einige Punkte aber nachvollziehen. Ein langjähriger Mitarbeiter habe Einsicht gezeigt, ein anderer würde darauf noch warten lassen. »Da geht es nicht nur um Sexismus. Wenn er Dienst hat, spielt er sich auf, als wäre er der Chef.« Feist erklärt, dass sich besagter Mitarbeiter in einer Art Probezeit befinde: Ändere sich nichts, bleibe nichts anderes übrig, als ihm zu kündigen
Auch der Generationenkonflikt zwischen Alteingesessenen und jungem Barpersonal sei der Clubleitung bewusst gewesen, ebenso das offenkundige Fehlverhalten weniger Mitarbeiter. Der offene Brief habe die Geschäftsführung jedoch ziemlich »vor den Kopf gestoßen«, da das Ausmaß der internen Konflikte weder ihm selbst, noch seinem Kollegen Drewes vollständig bekannt gewesen sei, so Feist. Er kündigte im Gespräch mit dem kreuzer an, dass es von Seiten der Ilse noch ein ausführlicheres Statement geben wird.