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Stadtleben

Ein Viertel erhalten

Häuserkampf in der Südvorstadt: Bewohner wollen bezahlbaren Wohnraum erhalten – und Investorenpläne ermöglichen

  Ein Viertel erhalten | Häuserkampf in der Südvorstadt: Bewohner wollen bezahlbaren Wohnraum erhalten – und Investorenpläne ermöglichen

Vier Häuserblöcke in der Südvorstadt sollen teuer saniert werden. Seit Jahren stehen die Gebäude nahezu leer. Die verbliebenen Bewohner möchten eins der Häuser kaufen und bezahlbaren Wohnraum erhalten. Auch der Weg für die Sanierungspläne wäre dann frei. Doch die Verhandlungen mit dem Investor sind schwierig.

Die Leipziger Südvorstadt ist nahezu durchsaniert. Die ehemals bröckelnden Altbauten sind herausgeputzt, auch in der Kantstraße erstrahlen die meisten Fassaden in neuem Glanz. Allein vier große Häuserblöcke stechen heraus. Die Bausubstanz bröckelt sichtbar. Schnörkellose Häuserwände erinnern an Vorwendezeiten. Eine Ziegelmauer grenzt die Zwischenhöfe zur Straße hin ab. Dahinter erstreckt sich ein Wirrwarr an Pflanzen, Gräsern und Sträuchern. Auf der Wiese liegt zwischen Gartenstühlen allerhand Kinderspielzeug.

Die meisten Wohnungen in den acht Aufgängen stehen leer, Bautüren versperren den Zugang. Inmitten des Leerstands spielt sich der Alltag der verbliebenen Bewohner ab. »Ich muss sagen, dass wir ein absolutes Bullerbü haben. Die Kinder können im ganzen Karree spielen«, erzählt Anna*, eine junge Hausbewohnerin. »Wir haben ein bisschen das Gefühl, dass das unsere Einfamilienhäuser sind.« Gemeinsam mit Marie*, einer weiteren Mieterin erzählt sie aber auch von den Schattenseiten die das Leben in den unsanierten Häusern mit sich bringt.

Sanierungspläne stehen – Mieter wollen nicht weichen

Beide Frauen berichten von Gesprächen mit Handwerkern, die bestellt wurden, um die größten Mängel zu beheben. Manche Dachdecker hätten sich nicht mehr für Reparaturen aufs Dach getraut, erzählen sie. Das sei lebensgefährlich. Die Gebäude sind ohne Frage reperaturbedürftig. Das sieht auch der Eigentümer so, die Instone Real Estate. Seit einigen Jahren will die Firma die Gebäude sanieren. Bauanträge und Modernisierungspläne liegen auf dem Tisch.

Immer wieder versuchte der Eigentümer, mit Einzellösungen den Sanierungsplan durchzubringen. Verträge bei Mieterwechsel wurden nur befristet ausgestellt. Auch mit Abfindungen bei Auszug wurde gelockt. Auch aus diesen Gründen stehen die Häuser seit längerem nahezu leer. Die verbliebenen Bewohner schlossen sich zusammen und suchten Unterstützung bei der Solidarischen Wohngenossenschaft (SoWo). Durch die Auseinandersetzung mit den Plänen der Instone Real Estate und dem Widerstand dagegen, seien die Bewohner zusammengewachsen. »Letztlich schweißt Leid ja auch zusammen. Wir lachen viel. Manchmal vielleicht ja auch, damit wir nicht weinen müssen«, überlegt Anna.

Kompromissangebot: Ein Haus kaufen, drei Häuser räumen

Für die Mieter blieb trotz der Sanierungspläne das Kredo: »Wir wohnen hier gern, zahlen erschwingliche Mieten und das soll auch so bleiben.« Daraus entstand ein Kompromissangebot an den Projektentwickler Instone: Die SoWo erwirbt eines der Gebäude, das die verbliebenen Mieter der vier Blöcke beziehen könnten. Für den Investor wäre dann der Weg zur Sanierung der drei Nachbarhäuser frei.

Das Angebot über einen mittleren sechsstelligen Betrag liegt der Instone vor. Dort scheint das Angebot zu niedrig. Auf eine konkretes Gegenangebot warten die Mieter bisher vergebens. »Ich habe den Eindruck, es gibt da ein bisschen dass Gefühl, sich nicht von irgendwelchen Mietern auf der Nase rumtanzen lassen zu wollen«, mutmaßt Tobias Bernet von der Solidarischen Wohngenossenschaft und verweist darauf, dass eine konstruktive Lösung für beide Seiten von Vorteil wäre: »Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, Instone konnte sich ganz gut als jemand darstellen, der einen guten Kompromiss gefunden hat.«

»Seitdem die Verhandlungen mit Instone so schleppend oder gar nicht mehr vorankommen, kommt bei vielen das Gefühl auf: Wir machen es uns jetzt schön«, lächelt Anna triumphierend. Erst kürzlich feierte die Häusergemeinschaft erneut ein Gartenfest, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Wohl auch, um sich und ihr Bullerbü zu feiern.


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