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Paradies Sachsen

Du sollst... – 19 Gebote für ein besseres Sachsen

  Paradies Sachsen | Du sollst... – 19 Gebote für ein besseres Sachsen

Wir haben da mal ein paar Gedanken zusammengeschrieben, wie Sachsen zum Paradies werden kann. 19 Dinge, die wir im Freistaat ganz schön super fänden.

Warum sind es denn nun ausgerechnet 19 Gebote für ein besseres Sachsen und nicht 20? Das, liebe Leserinnen und Leser, weiß nur der Heilige Geist. Fragen Sie doch mal die Juden, warum im Talmud 248 Gebote stehen – und nicht etwa glatt 250. Vermutlich ist es der gebietenden Macht schlicht egal, ob da eine runde Zahl herauskommt oder nicht. Was aber feststeht, ist, dass einige der hier von der kreuzer-Redaktion eingebrachten Gebote an die Landesregierung ein bisschen Geld kosten werden. Aber auch dafür haben wir eine Lösung.

Erstens: Den Zukunftssicherungsfonds des Freistaates auflösen. Das bringt etwa 1,2 Milliarden Euro, mit denen man dann die Zukunft sichern könnte, statt sie auf einem Konto zu bunkern. Zweitens: Die EU und den Bund anpumpen und das Geld tatsächlich in Projekte fließen lassen. Bringt etwa 3,7 Milliarden Euro; wenn die AfD stärkste Kraft, aber nicht an der Regierung beteiligt wird, vielleicht sogar 4,7 Milliarden. Drittens: Die Schuldenbremse abschaffen. Sparweltmeister Sachsen hat seit 2006 keine neuen Schulden mehr aufgenommen. Jetzt ist die Zeit reif, das zu ändern. Bringt 5 Milliarden. Viertens: Sondervermögen auflösen, das ergibt 3,5 Milliarden. Fünftens: Rücklagen auflösen, so gibt es mindestens 2,1 Milliarden für den Fortschritt.

Das sind schon mehr als 15 Milliarden Euro. 15.000.000.000 Euro! Da soll mal einer sagen, das reicht nicht. Oder, es wäre kein Geld da.    

... kulturellen Austausch zwischen Stadt und Land fördern

Angesprochen auf die vielbeschworenen Unterschiede beispielsweise im Wahlverhalten zwischen Land und Stadt speziell in Sachsen meinen manche, es sei weniger ein Unterschied zwischen Städten und Dörfern als vielmehr zwischen Leipzig und dem Rest. Hier die linken Spinner, da die Stockkonservativen und Nazis, so geht die gängige Erzählung mit wahrem Inhalt, besieht man sich auf den eingefärbten Wahlkarten das Verhältnis von rot-grünem Fleck zu Schwarz und Blau. Außerhalb Leipzigs steht die freie Kulturszene noch viel stärker unter Beschuss von rechts, da dort die gewachsenen zivilen und politischen Strukturen fehlen, die sie in Leipzig schützen. Orte wie das Kunstzentrum Dresden-Hellerau erklärt die AfD schon im Vorhinein für »nicht förderungswürdig«. Diesem Druck muss dort und anderswo in Sachsen mit mehr Solidarität, mehr Kooperation, mehr Interesse an den kulturellen Akteuren in Städten und Dörfern begegnet werden. Zivile Initiativen wie #wannwennnichtjetzt machen es vor: Austausch ist der Schlüssel. Einer zukünftigen sächsischen Regierung, welche dem kulturellen Auseinanderdriften nicht weitgehend tatenlos zuschauen will, wäre zu raten, diese Aufgabe des Austauschs nicht länger auf den Schultern der Zivilgesellschaft abzuladen, sondern ihn aktiv zu fördern. Es braucht geförderte Gastspiele freier Gruppen, Bands, Kollektive aus allen Sparten und Orten in Leipzig – und andersherum strukturelle Unterstützung für Touren durch die Provinz. Oder ein »Sachsen Allstars«-Festival, wieso eigentlich nicht? Hauptsache, die Leute kommen zusammen und tauschen sich aus. KAY SCHIER

... Buchläden und Fahrbibliotheken für jeden Ort bereitstellen

Mittlerweile gibt es unzählige Studien, die die positive Wirkung des Lesens belegen. Sei es die Verlangsamung des Herzschlags, die Stressreduktion, Förderung des Empathie- und Konzentrationsvermögens – Lesen macht uns zu besseren Menschen. Wer lesen lernen durfte, kann sich glücklich schätzen; es war und ist auf dieser Welt nicht überall Normalität, Bücher zu lesen. Gerade deshalb sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, überall mit Büchern zu leben – immerhin werden sie wie Lebensmittel auch nur mit sieben Prozent besteuert. Aus dem Bericht des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels »Buch und Buchhandel in Zahlen 2018« geht hervor, dass in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen »mit einem Umsatzanteil von 47,1 Prozent (…) der Sortimentsbuchhandel weiterhin der wichtigste Absatzkanal für Bücher« bleibt. Gleichzeitig wächst das Geschäft im Onlinebuchhandel.

Das passiert sicher auch, weil Menschen in Leipzig keine Lust haben, ihr Buch im nächsten Laden abzuholen. Aber vor allem passiert das, weil die Bewohner von Otterwisch nach Grimma fahren müssen, um sich in einer Buchhandlung umzusehen. Amazon ist der wohl größte Konkurrent der unabhängigen Buchhandlungen und generiert seine Gewinne aufgrund von Ausbeutung. Würde der Konzern endlich rechtmäßig Steuern zahlen, könnte mittels dieser Gelder der Aufbau unabhängiger Buchhandlungen in Sachsen vorangetrieben werden. Für alle Orte mit weniger Einwohnern gibt es dann eine Fahrbibliothek, die von Otterwisch nach Kleinbardau fährt, vollgepackt mit Büchern zum Leihen und Kaufen. LINN PENELOPE MICKLITZ

... Gemeinschaftsschulen gründen

Der Freistaat hat ein gut bewertetes Schulsystem, das steht außer Frage – aber perfekt ist es nicht. Besonders sozial gesehen. Gemeinschaftsschulen, in denen die Kinder nach der 4. Klasse nicht mehr getrennt werden, sind ein richtiger Ansatz, um dies zu verbessern. Die Wahrscheinlichkeit, einen höheren Abschluss zu schaffen, hängt weiterhin stark von Einkommen und Bildungsstand der Eltern ab. Das zeigte beispielsweise eine Sonderauswertung des PISA-Tests von 2015. Schon im Alter von ungefähr 10 Jahren wird entschieden, welchen Bildungsweg ein Kind nehmen soll, Oberschule oder Gymnasium. Zwar ist die Bildungsempfehlung nicht mehr verpflichtend, aber ihren selektierenden Charakter hat sie behalten. Selbst zwischen Stadtvierteln zeigen sich immense Unterschiede. In manchen wird mehr als 80 Prozent der Kinder geraten, ins Gymnasium zu wechseln, in anderen gerade so 20 Prozent. Im Endeffekt bedeutet das, die sozioökonomisch benachteiligten Kinder bleiben unter sich. Wieland Kiess, Direktor der Poliklinik für Kindermedizin der Universität Leipzig, hat zudem festgestellt, dass gesundheitliche Unterschiede zwischen den Bildungswegen bestehen.

Die Gemeinschaftsschule könnte ein Mittel für bessere soziale Durchmischung sein, meint Kiess. Es gebe wenige Untersuchungen, aber die lieferten Hinweise dafür. Leistungsstarke Schülerinnen würden dort nicht geschwächt, »sondern in der Gemeinschaftsschule wird ihr soziales Bewusstsein gestärkt«. Laut der Pressestelle des Kultusministeriums in Baden-Württemberg zeichnet sich genau das dort schon ab. Seit 2013 lässt das Bundesland öffentliche Gemeinschaftsschulen zu und hatte im vergangenen Jahr bereits 306 davon. DAVID MUSCHENICH

... Rückenwind für neue Energien geben

Braunkohle ist eine ökologische wie ökonomische Katastrophe – schmutzig, gering im Wirkungsgrad, hoch subventioniert. Zeit für neue Energien in Sachsen, die den herkömmlichen Erneuerbaren-Mix ergänzen und auch Wertschöpfung generieren. Warum nicht die Geothermie ausbauen? Sachsens Boden liefert gute Werte für einen Erdwärmeertrag. Auch innovative Ansätze wie der Mehrkammerbiomeiler brauchen Förderung: Das Leipziger Pionierprojekt von Biomasseforschungszentrum und Annalinde-Gärtnerei verwandelt Gartenverschnitt und andere Grünabfälle effizient in Wärme und Kompost. Die Plug-and-Play-Lösung kann man sich bald hinstellen. Einfach die Bio-Batterie einstöpseln, mit eigenem Verschnitt oder Lieferung vom Grünflächenamt befüllen, und schon läuft die Energiegewinnung. Noch einen Schatz birgt Sachsen, konkret: im Erzgebirge. Hier schlummern mehr als 100.000 Tonnen Lithium, das sonst in Australien und Südamerika vorkommt. Das Leichtmetall ist wichtig für den Akku-Bau und damit den Ausbau der Elektromobilität. Es muss nur geschürft werden – was das Erzgebirge sogar nochmals zur Bergbauregion werden ließe. TOBIAS PRÜWER

... die Dorfkneipe wieder zum Leben erwecken

Viele Dörfer wirken wie leer gefegt, nicht nur abends. Wer von der Arbeit kommt oder etwas besorgt hat, steuert oft direkt das eigene Haus an. Wohin auch? Man muss keine Statistik zitieren, um zu sehen, dass das Kneipensterben auf dem Land weit fortgeschritten ist. Ältere Wirte machten ihren Laden dicht, weil keine Nachfolge zustande kam. Junge Leute zogen weg, weil sie anderswo einen Job fanden und im eigenen Dorf »nischt los is«. Mancherorts lädt nur noch die Freiwillige Feuerwehr jährlich zum »Feuerwehr-Ball« oder zum gemeinsamen Säubern des Dorfteiches ein. Da gibt es dann Bockwurst und Bier vom Discounter, die Schwarzgastronomie blüht. Der Dorfkrug, oft mit Saal plus Bühne und Biergarten in bester Lage, verfällt. Doch Rettung ist möglich, wenn engagierte Bewohner eine Genossenschaft gründen und gemeinsam wieder für Leben in der Bude sorgen. Seit mehr als 150 Jahren bewährt sich diese Form für bürgernahe Unternehmen. Sie ist eine Chance, unterschiedliche Akteure an einen Tisch zu bekommen, um die finanziellen, technischen und juristischen Hürden zu stemmen – durch Selbstverantwortung, Selbsthilfe und Selbstverwaltung.

Die Vision: Mit der Renaissance der Dorfkneipe erhält das öffentliche Leben auf dem Land wieder (s)einen Platz. Der Staat sollte dies nach Kräften unterstützen! Am Stammtisch muss ja nicht immer nur Bier getrunken werden. Da können sich von der Nachbarschaftshilfe bis zum (Kinder-)Lesezirkel noch ganz andere Gruppen austauschen. Alte wie Junge haben einen Treff vor der Haustür, Groß- und Kleinkünstler eine Bühne. Das hebt die Lebensqualität und strahlt in die Umgebung. Dann ist auch wieder was los aufm Dorf! PETRA MEWES

... 1.000 neue Polizistinnen mit Migrationshintergrund einstellen (und Kennzeichungspflicht für alle)

Sachsen ist umzingelt. In Brandenburg gibt es sie seit 2013; auch Sachsen-Anhalt, Thüringen und sechs weitere Bundesländer haben sie in den letzten Jahren eingeführt. In den meisten Staaten der Europäischen Union ist sie Standard: die Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten.

Eine individuelle Kennzeichnung fördert das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei, argumentieren Befürworter. Und mehr Vertrauen in die sächsische Polizei scheint dringend nötig. Kaum eine Landespolizei hat einen derart schlechten Ruf. Die Gründe sind vielfältig: freundschaftliche Kontakte zu Neonazis, Behinderung von Pressearbeit und öffentlichkeitswirksame Skandale wie der »Sachsen-Panzer« oder eine verlorene Maschinenpistole, die bisher auch nicht wiedergefunden wurde. Polizisten tragen besondere Verantwortung und mit dem neuen sächsischen Polizeigesetz erhalten sie bald mehr Befugnisse. In einer Demokratie muss die Staatsgewalt sich in ihrem Handeln kontrollieren lassen. Erst 2017 kritisierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fehlende Kennzeichnung von zudem noch maskierten Polizeibeamten.

Wenn Ministerpräsident Michael Kretschmer jetzt »1000 neue Polizisten« verspricht, dann bitte mit Kennzeichnungspflicht. Und wenn die Polizei aufstockt, könnte sie dabei gleich diverser und weiblicher werden – bis nach oben. 2017 lag der Frauenanteil in der sächsischen Polizei bei 30 Prozent, in leitenden Positionen bei nur zehn Prozent. Und während Sachsen-Anhalt gezielt nach Nachwuchs mit Migrationshintergrund sucht, sind solche Bemühungen in Sachsen derzeit kein Thema. Dabei ergäbe das doch mal ein anderes Bild der sächsischen Polizei – auch bundesweit. AIKO KEMPEN

... flächendeckende und schnelle Elektro-Mobilität sicherstellen

Innerhalb Sachsens gibt es genau eine ICE-Verbindung: die zwischen Leipzig und Dresden. Die letzte schnelle Verbindung von Dresden nach Leipzig fährt täglich um 20.46 Uhr. Danach erhöht sich die Fahrtzeit um mindestens 30 Minuten. Für Abendtermine in der Landeshauptstadt mag das noch im Rahmen des Erträglichen liegen. Aber versuchen Sie mal, an einem Wochentag um 21 Uhr aus der Universitätsstadt Freiberg mit dem ÖPNV nach Leipzig zu kommen (oder mit ihm aus Leipzig dort hinzufahren). Fahrtzeiten zwischen zwei und drei Stunden sind die Regel. Von der Erreichbarkeit kleinerer Ortschaften ganz zu schweigen: Die haben vielleicht nicht einmal mehr einen Bahnhof. 530 Schienenkilometer sind in den letzten 30 Jahren in Sachsen stillgelegt worden. Beste Voraussetzungen für individuellen PKW-Verkehr. Da darf man sich dann aber nicht über die täglichen Staus auf A 4, A 9, A 14 oder A 72 wundern. Glücklich scheint, wer sich überhaupt ein Auto leisten kann. Jugendliche, Senioren und sozial Schwächere werden da schnell abgehängt. Oper, Konzerte und hochklassige Sportveranstaltungen, aber auch Arbeitsplätze sind vor allem in größeren Städten zu finden. Wichtig sind aber neben dem Ausbau des Schienenverkehrsnetzes ebenso dessen höhere Taktung und mehr schnelle Verbindungen zwischen den Ballungszentren. Dort, wo die Schiene abgehängte Gemeinden nicht ohne Weiteres wieder eingliedern kann, darf der ÖPNV gern über Elektromobilität laufen. Elektro-Busse und Elektrotankstellen wären auch für kleinere Orte im Paradies Sachsen ein Gewinn. EDGAR LOPEZ

... rumopferndem Sachsenstolz beenden

Helle, heeflisch, heemdigsch« nennen sich die Sachsen, und »fischelant«. Sie sehen sich als kluge, höfliche Schlitzohrsympathen mit besonderem Auge für Ungerechtigkeiten. Aus dem Abweichen realer Erfahrungen von diesem Selbstbild leitet man in Sachsen einen besonderen Opferstatus ab. Trotz seiner Gloria sei das Königreich Sachsen zuerst von bösen Preußen in den Staub gedrückt worden. Dann konnte ja keiner ahnen, dass Napoleon, an dessen Seite Sachsen kämpfte, unterliegen würde. Und dass früher und massenweiser Zuspruch für die Nationalsozialisten Krieg bedeuten könnte, konnte auch niemand voraussehen. Und ups, die Frauenkirche und Ulbricht, dieser Sachse. Dann dieser Dialekt, über den sich gemeinerweise alle lustig machen! Oder dass man bundesweit als braunste Ecke des Landes verschrien ist. Diese Ungerechtigkeit! Ein korrektes Geschichtsbild wäre der erste Schritt, dem Sachsenstolz ein Ende zu bereiten. Ein zweiter braucht sicher Zeit. Sich einfach auf die nächste Erzählung zu werfen (z. B. die, in der die Sachsen oder Leipziger im Alleingang die DDR gestürzt haben), wiederholt nur die traumatische Erfahrung, wenn sich dieses neue Weltbild wieder als brüchig erweist. Vielleicht kann der Sachse ja eines Tages darauf stolz sein, nach der Pegida-usw.-Krise das ganze Bundesland in ein weltoffenes, fortschrittliches, ehrliches Sachsen gewandelt zu haben, in dem es sich ohne Scham und Großmannssucht leben lässt. TOBIAS PRÜWER

... auf Wertschöpfung mit Grünem Wasserstoff setzen

Vom Prinzip her ist alles recht einfach: Unter Nutzung verschiedenster Elektrolyseverfahren (muss man nicht verstehen, funktioniert aber seit 200 Jahren) wird mit Strom aus Überkapazitäten von Wind- oder Solaranlagen Wasser in reinen Sauerstoff und Wasserstoff gespalten: Damit erhält man, im Gegensatz zum Strom, ein speicher- und transportfähiges sowie rückwandelbares Gas (H2). Der Energieträger Grüner Wasserstoff ist geeignet, Probleme bei der Zuführung von Energie im regenerativen Strommix zu entstressen:

• als flexibel regulierbarer Energievorrat in vorhandenen Speicherformationen,

• als Zumischung in bestehende Gasnetze zur rückverstromten oder speicherbaren Energie am Zielort und

• als Kohlendioxid-neutraler Brennstoffzellentreibstoff für die Batterien lasten- und reichweitenintensiver Straßen- oder Schienenfahrzeuge des ÖPNV

Als unabdingbares chemisches Element in der Kohlenstoffchemie (Plastik, Sprit et cetera) kann Grüner Wasserstoff strategisch zur schrittweisen Dekarbonisierung klimaschädlicher Kohlendioxid-Schleudern beitragen. Der Leipziger Großprojektträger und eingetragene Verein Hypos verfolgt seit 2013 im hiesigen Chemiedreieck diesen Ansatz. Gleichzeitig ist der Verein in der Realisierung des dann weltweit größten Kavernenspeichers für Grünen Wasserstoff bei Bad Lauchstädt federführend.

Die regionalen Chancen, für wasserstoffgetriebene Mobilitätskonzepte Produkte zu entwickeln, liegen auf der Hand, ob im Fahrzeug-, Bahn- oder Schiffsbau. Die riesigen Flächen zukünftiger Braunkohlebrachen ließen sich teilweise für die Erzeugung des Grünen Wasserstoffs mittels Photovoltaik- oder Wasserstoffbioreaktoren (Algenfarmen) nutzen. STEPHAN SCHWARDMANN

... neue Bäume pflanzen

Erst im Juli beklagte Wolfram Günther, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Sächsischen Landtag, einen dramatischen Rückgang von Straßenbäumen. Konkret ging es ihm um sogenannte Bundes- und Staatsstraßen, die seit Jahren immer baumloser werden. 2010 waren es ganze 269.375 Bäume an Bundes- und Staatsstraßen, von denen wurde ein knappes Viertel gefällt (23,5 Prozent). Neu gepflanzt wurden in dieser Zeit im Durchschnitt lediglich knapp zehn Prozent (9,17 Prozent). Die Zahlen erhielt Günther nach einer Kleinen Anfrage vom Verkehrsministerium. Das Ministerium zählte auch auf, warum die Bäume entfernt wurden. Sie mussten dem Straßenbau weichen, sie waren dem Wachstum anderer Bäume im Weg oder wurden beschädigt, vor allem aber mussten sie aus Gründen der Sicherheit weg, waren zu alt oder von Trockenheit sowie Stürmen angegriffen. Das Ministerium schreibt, dass »grundsätzlich mehrfacher Ersatz für gefällte Bäume gepflanzt« würde, nur eben dann woanders, nicht mehr am Straßenrand. Dafür habe man keine Daten. Günther weiß allerdings, dass lediglich 39 Prozent der gefällten Bäume in einer Neupflanzung weiterleben. Dabei ist der Wert von Bäumen unstrittig: Sie produzieren Sauerstoff, filtern die Luft, sorgen für Schatten wie Kühle, können vielen Arten Lebensräume bieten und außerdem Landschaftsräume verbinden. Ach, und gut sehen sie auch aus, nicht nur an Alleen. FRANZISKA REIF

... einen Arzt pro Ort garantieren

Mobilität ist wichtig, aber gewisse Infrastrukturen müssen für die Menschen auch direkt vor Ort zugänglich sein. Eine medizinische Grundversorgung gehört zu diesen Dingen. Und Hausarzt oder Hausärztin sind für viele Menschen der Inbegriff einer solchen. Vor allem bei einer älter werdenden Gesellschaft. Das sächsische Gesundheitswesen leidet seit geraumer Zeit an Ärztemangel. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom April arbeiten in Sachsen 17.000 Ärzte. Rund 9.500 von ihnen seien in Krankenhäusern tätig, 7.400 arbeiteten ambulant. Schon jetzt fehlen laut Ministerium 255 Hausärzte. Und die Zahl der offenen Stellen wird sich bei gleichbleibender Entwicklung in Zukunft noch erhöhen, denn laut Ministerium haben die 2.600 Hausärzte im Land ein Durchschnittsalter von rund 54 Jahren. Eine Unterversorgung, vor allem in ländlichen Gebieten, in die immer weniger junge Mediziner und Medizinerinnen ziehen wollen, ist vorprogrammiert. Damit Sachsen zukünftig nicht nur Paradies wird, sondern auch erste Welt bleibt, fordern wir daher mindestens einen Arzt pro Ort mit mehr als 500 Einwohnern. Den einen Königsweg zu diesem Ziel wird es nicht geben. Vielmehr muss über die Stärkung von Polikliniken, einen Ausbau von Mobilität und Kulturangeboten auf dem Land sowie andere mögliche Anreize für angehende Ärzte und Ärztinnen, die sich im ländlichen Raum niederlassen wollen, genauso nachgedacht werden wie über eine höhere Zahl an Studienplätzen für Medizin in Sachsen. EDGAR LOPEZ

... Kunst für alle ermöglichen

Der Freistaat verpflichtet sich, die Grundversorgung mit bildender Kunst für alle zu gewährleisten. Das heißt nicht nur, dass bereits in der frühkindlichen Erziehung, in den Schulen, Betrieben besonderer Wert auf das Machen, Reden und Konsumieren von und über Kunst gelegt wird, sondern der ländliche Raum und Städte gleichberechtigt behandelt werden. Das umfassende Programm entsteht auf der Grundlage eines Entwicklungsplanes zu Kunstorten und -initiativen. Dabei kommunizieren Akteure, Verwaltung und Politik miteinander, um ein möglichst großflächiges Versorgungsnetz entstehen zu lassen. Wichtig für alle Seiten ist, dass die Kunst gleichberechtigt zu anderen Gesellschaftsbereichen existiert. Die Initiativen von Kunstsammlungen – mit dem Bus ihre Sammlung außerhalb zu präsentieren – verdienen ebenso Unterstützung. Beim Eintritt zu allen Kunstorten gilt: »Pay what you want«. Kommunen, die Künstlerresidenzen anbieten, werden vom Freistaat besonders unterstützt. Dahinter steckt der Gedanke, dass das Eigene oftmals durch den Blick eines Anderen ganz neue Dimensionen annehmen kann. Zusätzlich werden Kommunen unterstützt, wenn sie Kunstlabore einrichten – ältere Bürgerinnen nennen sie Haus der Volkskunst. Hier stehen der Bevölkerung gegen Spende Mittel und Material für künstlerische Produktion zur Verfügung einschließlich einer künstlerischen Beratung. Der Freistaat unterstützt zudem Projektmitarbeiter, die die einzelnen Initiativen begleiten und vernetzen – unabhängig von Projektzuschüssen. Zudem werden die Öffnungszeiten der Kunstorte den Bedingungen des Arbeitslebens angepasst. BRITT SCHLEHAHN

... schnelles, günstiges Internet vor allem in die Provinz bringen

2014 versprach die Kanzlerin, dass bis Ende 2018 alle Haushalte im Land Zugang zu Internetanschlüssen mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) haben werden. Ein kurzer Blick auf den »Breitbandatlas« des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zeigt, dass dieses Ziel in Sachsen nur in Leipzig und Dresden ansatzweise erreicht wird. Je nach Region variieren die Werte zwischen 50 und 95 Prozent. Das hört sich auf dem Papier erst einmal viel an. Aber der Mobilfunkstandard 4G/LTE, der derzeit für den Endverbraucher das Maß aller Dinge ist und die Übertragungsrate von 50 Mbit/s bietet, ist bereits jetzt nicht mehr ausreichend – und in Deutschland übrigens auch viel zu teuer. Um in Zukunft beispielsweise flächendeckend autonomes Fahren zu ermöglichen, schauen die Entwickler schon längst auf den 5G-Standard. Mit diesem sollen einmal Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde erreicht werden. Vor allem die Vernetzung von großen Industrieanlagen würde sich dadurch erheblich beschleunigen und deutlich vereinfachen. Nicht jedes mittelständische Unternehmen hat die Möglichkeiten, eigene Netze für ihre Werkstätten zu errichten. Das Paradies Sachsen täte gut daran, sich schnellstmöglich für diesen Breitbandausbau einzusetzen. Ein weiterer Vorteil: Das extrem schnelle Internet würde kleinen Gemeinden dabei helfen, neue Bewohner anzulocken, die in der IT-, Kreativ- oder Wissensbranche arbeiten, aber den großen Städten entfliehen wollen. Die könnten dann nämlich auch von dort aus arbeiten und Netflix gucken. EDGAR LOPEZ

... den Radverkehr ordentlich fördern

Sinnvolle Stadtverkehrspolitik setzt nicht aufs Automobil. Das zeigen weltweite Vorbilder, die neben attraktivem ÖPNV vor allem dem Fahrrad Vorfahrt gewähren. Dabei steigt auch in Sachsens Städten der Radverkehr, nur die öffentliche Förderung wächst nicht mit. In Leipzig liegt die Investitionsquote unter drei Euro pro Einwohner, in Dresden sind es rund vier Euro, in Chemnitz zweieinhalb Euro. Damit liegen sie im Durchschnitt deutscher Großstädte – im Vergleich mit europäischen Nachbarn aber weit abgeschlagen. Utrecht gibt ganze 132 Euro aus, da wirkt selbst Fahrradtraumstadt Kopenhagen (36 Euro) lächerlich. Ein Anheben dieser Förderung ist sachsenweit notwendig, kleinere Kommunen könnten das über Zweckverbände stemmen. Die Investitionen sollten in die entsprechende Infrastruktur, also mehr Flächen für Radwege und Sicherheitsmaßnahmen wie Trennung vom Autoverkehr und versetzte Grünphasen eingesetzt werden. Dabei geht es nicht ums Gängeln der Motorisierten, sondern den Umstieg aufs Velo als echte Alternative. Denn weil bei Unfällen mit Verletzten Auto- und Pkw-Fahrer die Hauptverursacher sind, schont der flächendeckend fahrradfreundliche Ausbau nicht nur die Umwelt, sondern die Gesundheit aller. TOBIAS PRÜWER

... Bäder ausbauen, Leben retten

Jeder mag die Kombination aus Chlorgeruch und Pommes-Schranke. Das Paradies Sachsen erfordert aber nicht nur deswegen eine Grunderneuerung der regionalen Badelandschaft. Es geht um Höheres: Schwimmbäder sind, wie der Präsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) kürzlich betonte, Daseinsvorsorge. Vorbei sein sollen die Zeiten der maroden Becken und der Schließungen. Besonders im ländlichen Raum ist die Wiederbelebung der Schwimmhallen erforderlich. Diese müssen gut erreichbar, die Nutzung erschwinglich sein. Kommunen, die mit der Finanzierung von Ausbau und Instandhaltung überfordert sind, müssen unterstützt werden. Ein entsprechendes Bundesprogramm für die Förderung solcher Einrichtungen gibt es sogar bereits. Hurra! Leider profitieren die neuen Bundesländer bisher vergleichsweise wenig davon. Das sollte sich ändern, denn neben dem Genuss von bunter Tüte und Eis am Stiel bieten Badeorte viele weitere Vorteile: Sie gewährleisten, dass Schwimmunterricht flächendeckend für alle Kinder stattfinden kann. Das macht nicht nur Spaß und ist gesund, sondern rettet auch Leben. Daher lohnt sich die Sanierung selbst wenn die Kosten niemals wieder erwirtschaftet werden können. Schwimmen gilt nicht zufällig als Kulturgut. Stellen Sie sich eine Gesellschaft vor, in der ein großer Teil der Erwachsenen nicht schwimmen kann. Horror! Zusätzlich machen Hallen- und Freibäder Wohnorte lebenswerter und bieten Treffpunkte für Groß und Klein. In Badeshorts und Bikini sind alle gleich. LUCIA BAUMANN

... flächendeckende gute Jugendhilfe umsetzen

Im Januar 2019, kurz vor dem Beschluss des Doppelhaushaltes 2019/20, wurde es in Leipzig unruhig. Der Grund: In den Haushaltsplanungen war die Fördersumme für die Jugendhilfe so gering angesetzt worden, dass vielen Initiativen und Vereinen das plötzliche Aus drohte. Erst ein gemeinsamer Kraftakt von Politik und Bürgern sorgte schließlich für eine Erhöhung der Fördermittel. In den Jahren 2006 bis 2016 sank die Zahl der Jugendarbeitseinrichtungen in Sachsen kontinuierlich. Jugendhilfe hat ein Imageproblem und wird schlecht bezahlt. Dabei ist die Rolle, die ihr zugedacht ist, entscheidend für die politische Willensbildung junger Menschen und so für die gesamte Zukunft der gesamten Gesellschaft. Jugendhilfe hat unter anderem die gesetzlich verankerte Aufgabe, Jugendliche an demokratischen Prozessen partizipieren zu lassen, ihre Stimmen hörbar zu machen. Zudem schafft sie, gerade auf dem Land, Strukturen, in denen Jugendliche sich aufhalten können. Fallen diese weg, entsteht ein Vakuum, das dann andere aktive politische Akteure, Nazis und Antidemokraten zum Beispiel, gern ausfüllen. Zwar wurde im letzten sächsischen Haushalt die Fördersumme für die Jugendhilfe erhöht. Doch vielen, darunter der Dachorganisation AGJF Sachsen, gehen die geplanten Förderungen nicht weit genug. Wenn die Jugendarbeit die Herausforderungen, die mit der Digitalisierung und der politischen Situation einhergehen, annehmen soll, dann braucht es dazu Geld, klare Konzepte und eine bessere Kommunikation zwischen Staat und den vielen engagierten Trägern der Jugendhilfe. JOSEF BRAUN

... nichthierarchische, kollaborative Strukturen in allen Behörden einführen

In allen, wirklich allen Behörden des Landes Sachsen, inklusive der Sicherheitsbehörden, wird ein nicht-hierarchischer und kollaborativer Management- und Arbeitsstil praktiziert. Gesellschaftlicher, wissenschaftlicher, technologischer und ökonomischer Fortschritt im 20. und 21. Jahrhundert hat vor allem mit einem zu tun: dem Abbau von hierarchischen Strukturen und der Förderung von Kollaboration. Das heißt im Grunde nichts weiter, als dass die Leute über Abteilungsgrenzen hinweg zusammenarbeiten und dabei ihre eigene Birne benutzen sollen, statt allein vor sich hinzuwurschteln und stumpf Weisungen auszuführen. Es sind die Werte der Aufklärung, die hier gefördert werden. Vor allem Forschungsinstitutionen und Universitäten in der westlichen Welt haben dieses Modell der Zusammenarbeit seit dem 2. Weltkrieg eingeführt und praktiziert. Es ist darum kein Wunder, dass sich die populistische Gegenbewegung vor allem wider die Erkenntnisse von Wissenschaft und Forschung in Stellung bringt.     

Das Bundesland Sachsen gibt etwa 38 Prozent seines gesamten Etats (im Doppelhaushalt 2019/20 mehr als 15 Milliarden Euro) für eigenes Personal aus. Dieser riesige Apparat übt Macht aus und formt die Gesellschaft mit. In ihm müssen zeitgemäße Strukturen herrschen. ANDREAS RAABE

... mehr Bürger-Bildung wagen

Der politische Wille zur politischen Bildung darf nicht länger fehlen. Diskussionen werden in Sachsen sofort als Streit ausgelegt, sie gehören aber zur Demokratie – genauso wie ein kritischer Geist. Zwar darf Persönlichkeitsentwicklung nicht in der Schule aufhören, aber dort bedarf sie besonderer Förderung. So ist der Lehrermangel hausgemacht, allein mit Quereinsteigern wird man ihm nicht beikommen. Die politische Bildung an sächsischen Schulen kommt zu kurz. Die Stundenwochenquote fürs Sammelfach Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft fällt gering aus, zudem beginnt der Unterricht erst ab Jahrgangsstufe 9. Die offizielle Geschichts- und Gedenkstättenpolitik will vom »Dritten Reich« weniger wissen als von der DDR. Das muss sich ändern, damit aus Sachsen Citoyens, also mündige Bürger, erwachsen, denen man auch mal ins Gesicht filmen kann. TOBIAS PRÜWER

... diese Gebote meistern, sonst machen wir den LEXIT

Tja Sachsen, liebe (zukünftige) Landesregierung, wir meinen es gut mit euch, gut mit uns. Denn wir alle sind ja auch Sachsen! Selbst wenn wir von sonstwoher kommen, drei Köpfe, lila Haut und zwölf Finger haben, rückwärts sprechen oder Cthulhu anbeten. Was  die meisten von uns nicht tun. Doch wir wollen ohne Scham sagen können: »Ja, wir sind Sachsen! Und Sachsen ist richtig cool!« Dieses Land braucht neue Fakten. Aber wenn sich nichts ändert, können wir auch anders. Dann wird Leipzig den LEXIT machen – raus aus Sachsen (s. kreuzer 12/2016). Zusammen mit ihrer bezaubernden Freundin Halle wird die Stadt ein eigenes Bundesland gründen. Im Ballungsraum Leipzig-Halle leben 1,2 Millionen Menschen. Das reicht uns – und dann seht ihr ganz alt aus. Zwinkersmiley. ANDREAS RAABE


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