Für Popkultur ist in der Erzählung von der Wende ‘89 bislang kein großer Platz gewesen. Die Veranstaltungsreihe »Sounds of ’89« will das ändern und lenkt den Blick auf Rave im Ostblock und Pogo vorm Altar.
Anlässlich des nahenden Dreißigsten der friedlichen Revolution in Ostdeutschland wird dieser Tage viel darüber gesprochen und geschrieben, an was man sich überhaupt erinnern will, welche Geschichten aus welchen Gründen Teil der Geschichte sind und welche nicht. Für Popkultur ist in der Erzählung von der Wende ‘89 bislang kein großer Platz gewesen – man hat höchstens einen David Hasselhoff (»Looking For Freedom«) im Kopf, der nicht so richtig checkt, was eigentlich abgeht, aber das Beste daraus macht, und einen Roger Waters auf dem Höhepunkt seines Cäsarenwahns, der die historische Stunde als ideale Kulisse für eine Darbietung von »The Wall« direkt an der Mauer begreift (der Sound soll furchtbar gewesen sein).
Die Veranstaltungsreihe »Sounds of ’89«, veranstaltet in Kooperation zwischen der Nato und Kurator Alexander Pehlemann, nimmt sich dieser Leerstelle im Erinnerungsdiskurs an. Seit dem 2. Oktober bis in den Dezember hinein gibt es, dem Geist der Wendetage entsprechend, eine ganze Menge zu bereden, zu bedenken, zu schauen und reichlich Party zu machen. Den Anfang macht eine Ausstellung in der Galerie Kub. Bis zum 13. Oktober werden »Fotos, Plakate, Filme, Kassetten und LPs und nicht zuletzt Sounds« gezeigt, welche in Kombination als »begehbarer Klangkalender« eine Ahnung vom Klang der bewegten Zeit geben sollen.
Flankiert wird die Installation von Veranstaltungen in der Galerie mit Bildungsauftrag: Wussten sie etwa schon Bescheid über die Blüte der bulgarischen Rockmusik im Wendejahr? In »Rock’n’Roll« erzählt Borislav Kolev, wie die Stromgitarre spät, aber mit Macht ihre kulturelle Stellung in Bulgarien einforderte. Beim Talk zum Thema »Der letzte Pogo vorm Altar – Kirche, Musik und Opposition in der DDR 1989«, sprachen Protagonisten von damals aus Berlin, Leipzig und Dresden, um über die unwahrscheinliche Allianz von progressiven Geistlichen und subkulturellen Oppositionellen, Religion und musikalischem Underground, in der Endphase des real existierenden Sozialismus zu reden.
Geschwitzt werden darf am 10. Oktober, wenn die Reihe einen Abstecher ins Institut für Zukunft macht: Anschließend an den Film »Era Of Dance« über die Anfänge von (Post Punk-)Rave im Ostblock und seine dissidentische Funktion gibt es erst die Diskussion, dann die Party mit Untergrundsounds von damals. Beschlossen wird die Ausstellung am 13. mit der Finissage, auf der Lutz Schramm und Christoph Heinemann das Jahr 1989 aus dem Blickwinkel der damaligen Kultradioshow »Parocktikum« betrachten.