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Literatur

Kämpfen und erinnern

Die Holocaust-Überlebende Hédi Fried gibt Antworten

  Kämpfen und erinnern | Die Holocaust-Überlebende Hédi Fried gibt Antworten

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Diesmal schreibt Literaturredakteurin Linn Penelope Micklitz über »Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden« von Hédi Fried.

»Danke, guter Gott / für den Abend / dass die Qualen der Erde / um einen Tag verringert wurden.« Mit diesem Gedicht des ungarischen Schriftstellers János Arany endete für Hédi Fried jeder Tag im Konzentrationslager Auschwitz. Angst vor dem Tod hatte die 1924 geborene ungarische Jüdin nicht. Aber sie fürchtete, was man ihr antun könnte, um sie zu töten.

1944 wird ihre Familie nach Auschwitz verschleppt und getrennt. Auf die Frage nach dem für sie schlimmsten Erlebnis, fällt diese Trennung als Antwort kurz und präzise zu Beginn des Buches. Der Vater und die Mutter kamen in die Gaskammern, Hédi und ihre Schwester Livi wurden in die Baracken gebracht. Sie überleben Auschwitz und sie überleben auch Bergen-Belsen.

Mehrere Bücher hat sie über den Holocaust und ihr Leben verfasst, hält Vorträge an Schulen und Universitäten. 2019 ist nun ein weiteres Buch erschienen, in dem sie 46 der Fragen beantwortet, die ihr von Schülerinnen und Schülern immer wieder gestellt werden. Von Vergebung bis hin zu Hunger, Träumen und der Periode – die Autorin scheut sich nicht, jede Frage offen, ehrlich und herzlich zu beantworten. Etwas mit Herz tun ist für Hédi Fried einer der wichtigsten Schlüssel, um das zu verhindern, was jederzeit wieder passieren kann. Dass nämlich Vorurteile, Angst und Hass zu einem Vernichtungszug gegen Menschen führen, dessen Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit niemals nur mit dem Verstand zu begreifen ist, sondern immer auch mit dem Herzen begriffen werden muss.

Darum will sie nicht, dass Kinder in Schulen nur Jahreszahlen auswendig lernen müssen, sie plädiert für eine lebendige Erinnerungskultur. Und zu dieser tragen die beiden Schwestern aus Siebenbürgen, die seit 1945 in Schweden leben, unermüdlich bei. Die 150 Seiten, auf denen Hédi Fried von den Verbrechen der Nationalsozialisten erzählt, sind schlicht erschütternd – und sie sind notwendig. Hoffnung hat sie noch immer, sagt die mittlerweile 95-Jährige ermutigend, obwohl wieder »charismatische Führungspersonen einfache Antworten auf komplizierte Fragen« geben und sie durchaus Parallelen zwischen sich und den Geflüchteten auf dem Mittelmeer sieht. Und so schließt sie mit den Worten: »Wir müssen weiterkämpfen.«


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