Weil ein V-Mann über Waffen und Sprengstoff bei Linken in Connewitz berichtete, wurden Sachsens Sicherheitsbehörden aktiv. Nichts davon stimmte. In die Kriminalitätsstatistik ging die Falschinformation trotzdem ein – und legte offen, was geheim bleiben sollte.
»Täter beschaffen Waffen und Sprengstoff« – es sind fünf Worte, die zweifellos für Alarmstimmung sorgen; zumal dieser Satz im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität steht. Und so wurden Sachsens Sicherheitsbehörden Anfang 2018 äußerst aktiv, um in Leipzig eine schwere staatsgefährdende Gewalttat von links zu verhindern. Hausdurchsuchungen, Verhöre, intensive Ermittlungen gegen fünf Personen. So geht es aus Schilderungen der zuständigen Staatsanwaltschaft hervor. Der Haken an der Geschichte: Nichts von dem anfänglichen Verdacht bewahrheitete sich, die Ermittlungen wurden ergebnislos eingestellt. Ob die Personen, gegen die damals ermittelt wurde, je in der linken Szene aktiv waren, ist fraglich. In die Statistik der politisch motivierten Kriminalität (PMK) für 2018 ging der Anfangsverdacht dennoch ein.
Der Fall legt vor allem eines offen: Sachsens Sicherheitsbehörden arbeiten offensichtlich in Kreisen, die sie für linksextreme Strukturen halten, mit V-Leuten – und zwar alles andere als erfolgreich.
»Im Ergebnis hatte sich nichts bewahrheitet«
»Die Ermittlungen wurden aufgrund von Angaben einer polizeilichen Vertrauensperson geführt«, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden auf eine Anfrage des kreuzer. Das besagte Verfahren wegen »Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« wurde durch die Antwort auf eine Landtagsanfrage im Juli 2019 eher zufällig öffentlich. In einer Auflistung politisch motivierter Kriminalität in Leipzig für das Jahr 2018 fand sich inmitten von 515 Verfahren auch die alarmierende Formulierung über Täter, die sich Waffen und Sprengstoff besorgt hätten. Als Tatort ist Leipzig-Connewitz angegeben, eingeordnet ist der Fall unter »PMK links«. Anschließende Recherchen des kreuzer ergaben den Zusammenhang mit dem Einsatz von polizeilichen V-Personen, der zu den ergebnislosen Ermittlungen geführt hatte.
Im konkreten Fall, erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, habe ein V-Mann von einer dritten Person den Hinweis erhalten, dass fünf Personen sich bereits Waffen und Sprengstoff beschafft hätten. »Weil sich davon im Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen (nach erfolgten Wohnungsdurchsuchungen und Beschuldigtenvernehmungen) nichts bewahrheitet hatte«, sei das Verfahren eingestellt worden.
»Geheimhaltung« – keine Angaben zu Einsatz und Vergütung von V-Leuten
Eine große Öffentlichkeit erreichten die damaligen Ermittlungen nicht. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf eine Medieninformation zu dem Fall. Der kreuzer sprach mit zahlreichen Initiativen und politischen Akteuren in Leipzig. Alle gaben an, zum ersten Mal von den Hausdurchsuchungen und Ermittlungen zu hören. In welche Kreise genau die Sicherheitsbehörden versuchten Einblicke zu bekommen, während sie mit falschen Informationen versorgt wurden, wissen wohl nur die Behörden selbst – und sie behalten dieses Wissen für sich.
Der Einsatz von sogenannten V-Personen durch die Polizei ist umstritten – und in der Regel streng geheim. Sicherheitsbehörden verweigern jegliche Auskünfte zu dem Thema. Von Seiten des Landeskriminalamts Sachsen könne man »nur eingeschränkt antworten«, teilt ein Sprecher mit, um direkt anzufügen, dass jegliche Auskunft »verwehrt« sei. Unbeantwortet bleibt unter anderem, wie die V-Person für ihre Infos, von denen sich laut Staatsanwaltschaft »nichts bewahrheitet hat«, vergütet wurde und ob sie weiterhin als V-Person geführt wird. Auch allgemeine Angaben zum Einsatz polizeilicher V-Personen in Sachsen und zu deren Vergütung fallen unter die Geheimhaltung. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärt dem kreuzer ebenfalls schriftlich, er bedaure »keine weiterführenden Informationen zum Thema übermitteln zu können«.
Richterin erklärt »Einsatz von V-Personen durch die Polizei ist illegal« – Sicherheitsbehörden schweigen dazu
Die Berliner Richterin und promovierte Juristin Anna Luise Decker setzte sich kürzlich in einem langen Artikel mit rechtlichen Fragen rund um den Einsatz von V-Personen auseinander. Unter der Überschrift »Warum der derzeitige Einsatz von V-Personen durch die Polizei illegal ist« kritisierte sie mangelnde Kontrollmöglichkeiten und fehlende Regelungen, insbesondere beim Einsatz von V-Personen durch die Polizei. Sie erklärt, die entsprechenden Regelungen der Strafprozessordnung könnten lediglich als Rechtsgrundlage für »Ermittlungshandlungen von geringer Intensität« dienen, etwa Erkundigungen im Umfeld einer Person oder das Notieren und Überprüfen von Kennzeichen – Hausdurchsuchungen nennt sie nicht.
Diese Einschätzung der Rechtslage wollen sowohl das LKA Sachsen als auch das Innenministerium dem kreuzer gegenüber nicht kommentieren. Die Sprecher beider Behörden gehen in ihren schriftlichen Antworten nicht auf entsprechende Fragen ein.