Muskulöse Monster seilen sich über London ab. Von Luftschiffen setzen sie auf den Big Ben und das Parlamentsgebäude über. Sie stürmen den Buckingham Palace, die Queen muss evakuiert werden. England droht die feindliche Übernahme – nur einer kann noch helfen. Wirklich? Nein, da braucht es ein Doppelpaket. Daher kommen im Comic »M.O.R.I.A.R.T.Y.« gleich zwei Duos der Weltliteratur zusammen, um die Scharte auszuwetzen. Und startet in ein großes Abenteuer.
Dr. Watson und Mr. Hyde, Dr. Jekyll und Sherlock Holmes: Diese vier Figuren stehen im Zentrum des Guten. Die Autoren Fred Duval und Jean-Pierre Pécau bedienen sich bei den Klassikern, um ihre Comic-Mannschaft aufzustocken. Sherlock Holmes ist dabei herrlich verschroben, wie man ihn aus den alten Geschichten und den späteren Serien kennt. Beständig wechselt er die Verkleidungen und wandelt sein Äußeres, was nicht nur den guten Dr. Watson verwirrt. Auch der Leser ist manchmal leicht irritiert, was Sherlock jetzt wieder anstellt – das ist hübsch spannungssteigernd. Dr. Jekyll und Mr. Hyde führt die Geschichte als Krimi im Krimi ein. Als das Rätsel um dieses Doppelleben gelöst ist, werden sie zu Mitstreitern. Der durch Drogenexperimente immer wieder ins Monstrum Hyde transformierende Jekyll erscheint dadurch als eine Figur wie der unglaubliche Hulk: Immer wenn die Brechstange notwendig wird, ist er mit der Faust zur Stelle. Natürlich kann auch Holmes einmal mehr seine Gentleman-Kampfkunst einsetzen, sind seine Fußtritte und Handkanten fein inszeniert.
Ein mechanischer Pokerspieler, Bestien auf dem Opiumtrip, Roboterpanzer und eine diabolische Doppelspitze: Das Album enthält einen bunten Strauß an Steam-Punk-Ideen. Im viktorianischen England angesiedelt, ist die Geschichte mit vielen Erfindungen dieses fantastischen Paralleluniversums gespickt. Das wirkt aber nie plakativ, sondern fügt sich in die höchst wendungsreiche Story ein. Gerade wenn ein Rätsel gelöst ist, erweist sich das als Baustein für ein noch größeres Geheimnis. Diese Unberechenbarkeit macht die Lektüre sehr spannend. Noch dazu sind die Gangster nicht nur finster, sondern ausgefuchst. Wo man mit Holmes und Watson zunächst das bekannte, düstere Subjekt namens Professor Moriarty als Hintermann wittert, zeigt sich letztlich eine ganze Industrie des Bösen als verantwortlich. Eben jenes »Mechanische Imperium«, das der Untertitel ankündigt. Es gibt also ein globales Netzwerk, das mit Paramilitär und Drogenmonopol die Welt ausquetschen will.
Voller Action
Die Geschichte ist abgeschlossen, kann aber als Auftakt für weitere Abenteuer dienen. Dies ist auch auf der bildlichen Ebene gelungen. Die sehr detailreichen Zeichnungen deuten mal nur an, dann halten sie wieder jedes Haar fest. Das hat trotz der Fülle an Einzelheiten eine gewisse Leichtigkeit. Die variantenreiche Seitenstrukturierung schafft Dynamik und in Szenen voller Action sind die Darstellungen leicht verwischt, was die Dramatik bis hin zum Finale unterstützt. Dieses lässt nichts aus. Denn der Kampf für das Gute findet im Himmel, auf der Erde und unter Wasser statt. Noch einmal wird die Steam-Punk-Maschine angeworfen, um das Imperium zurückzuschlagen.
Schlussendlich reibt sich der Leser die Augen und wird dem Meisterdetektiv Sherlock Holmes unbedingt zustimmen müssen, der einmal meinte: »Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.«
Tzzzz, ein SchwertNichts Geringeres als eine Prinzessin zu retten, ist die Aufgabe des »Adventure Huhn«. Die Raupe Susan hat der Vogel im Gepäck, weil er ihren Kokon zerstört hat – beim Schwertwerfen ging was schief. Nicht gerade glatt verläuft die Heldenfahrt für beide beim Versuch, der Froschprinzessin den Thron zurückzuerobern. Eigentlich ist Köpfchen gefragt, aber daran hapert’s. Doch gemeinsam finden sie immerhin aus allen Fettnäpfchen heraus, in die sie das Adventure Huhn geführt hat. Sehr lustig liest sich Franziska Ruflairs Geschichte. Munter geht es voran, viel Witz ist in den bunten Zeichnungen verbaut, die ein Mix aus Funnys und Bilderbuchillustrationen sind – wenn man es so beschreiben mag. Lustige Einfälle finden sich en masse, jedes Fantasyklischee umgeht die originelle Geschichte elegant, sodass sie für geschulte und ungeschulte Leser gleichermaßen höchst bekömmlich ist.
Ein Schatz!In die Welt der modernen kommerziellen Unterwasserschatz-Suche führt »Der Schatz der Black Swan«. Auf realen Begebenheiten beruht die Geschichte: Der Schwarze Schwan ist nur ein Tarnname mit dem das Unternehmen kaschieren will, dass es ein spanisches Wrack ausgehoben hat. Den gewaltigen Münzfund reklamiert es daher für sich. Der spanischen Regierung bleibt nicht viel Zeit, zu handeln. Packend ist der Politthriller erzählt, die Perspektive des kleinen Diplomaten, der hineingerissen wird in die Intrige, wirkt schlüssig. Guillermo Corrals Erzählfluss zieht hinein. Leider wirken Paco Rocas Zeichnungen etwas statisch, sodass vor allem die Worte die Geschichte voranbringen. So sind oft Panels voller Steht- und Sitzszenen zu langen Dialogen angeordnet. Die Geschichte trägt und ist spannend, aber ein bisschen mehr visuelle Dramaturgie hätten dem Comic gut getan. Aber: Das ist jammern auf hohem Niveau.
Gegen die WandIn manchen Momenten trifft der Vorwurf, zu statisch zu sein, auch auf »Nada« zu. Am Anfang und dann noch einmal im Mittelteil hat die Geschichte optisch ein paar Hänger, weil grafisch zu wenig passiert. Dann aber gewinnt sie wieder genug Drive, um zu überzeugen. Düster wie ein Film noir ist diese Story um die Entführung eines US-Diplomaten durch linke Terroristen gestaltet. In einem Pariser Sex-Club der 70er-Jahre greift ihn die Gruppe auf, verschleppt ihn aufs Land. Die Polizei ist ihnen immer auf den Fersen. Mit nicht zimperlichen Methoden gehen die Ermittler vor und man verfolgt als Leser, wie allmählich die Gruppe verfällt. Bevor alles im großen Show-Down endet. Die Gruppe handelt irgendwie aus politischen Gründen, aber aus ihnen spricht auch eine gewisse Faszination an Grenzüberschreitung und Gewalt. Max Cabanes‘ Zeichnungen sind von einiger Brillanz. Tageszeiten und verschiedene Wetterlagen bringt er stimmig zu Papier, sein Gefühl für wechselndes Licht sorgt für viel Atmosphäre. Dass er auch Tempo und Action famos darzustellen vermag, darf er zum Glück auf den hinteren Seiten mit Bravour zeigen. So bleibt man beim Lesen dran, auch wenn alles auf ein katastrophales Ende der Gruppe hindeutet. Dicht, düster, realistisch.
Mind blowingPuh, sieht so die Hölle aus? Oder was ist da los? Garth Ennis hat hier wirklich einen Höllentrip entworfen. Irgendwo in einem Lagerhaus treibt sich das Böse herum, das abgrundtief Böse. Keiner kommt hier lebend raus: »A Walk Through Hell«. Oder ist das nur das Kopfkino des Ermittlerduos? Man weiß es nicht, zermartert sich immer wieder die Birne, was da los ist. Geschickt sind die Geschicke um die zwei Ermittler gebaut. Sie jagen einen pädophilen Serienmörder, was in Rückblenden erzählt wird. Allmählich dämmert ihnen – mit dem Bösen im Lagerhaus konfrontiert –, dass der Fall mit der aktuellen Lage direkt zu tun haben könnte. Nur was? Clever ist die Story, ein bisschen glatt manchmal die Zeichnungen, wobei eingefügte Horrorszenarien wieder versöhnen. Wer wollte nicht schon mal gesehen haben, wie das Röntgenbild eines Mannes ausschaut, der sich mit der eigenen Hand selbst erstickt hat? Eben. Ein krasser Schocker für Schockresistente. Fortsetzung folgt.