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Politik

Klar Schiff gegen Rechts

Eine Initiative lässt Neonazi-Parolen aus dem Tauchaer Stadtbild verschwinden

  Klar Schiff gegen Rechts | Eine Initiative lässt Neonazi-Parolen aus dem Tauchaer Stadtbild verschwinden

In Taucha, einer Kleinstadt nordöstlich von Leipzig, machen sich Neonazis mit Graffiti und Stickern im Straßenbild breit. Engagierte junge Menschen stemmen sich mit Putzaktionen dagegen und stehen mit Sprühdosen und Spachtel für ein weltoffenes Taucha ein.

»FCK AFA! Nazizone«. In signalroter Schrift steht dieser Spruch an der Wand des Hauses Nummer 14, Bahnhofstraße, Taucha. Ein paar Straßen weiter, am Kleinen Schöppenteich, sieht man ein paar Jugendliche. Neben vertrocknetem Schilf stehen sie mit den Füßen im Wasser, sie tragen bunte Gummistiefel und dunkelgrüne Arbeitsoveralls. Seit dem frühen Morgen wird der Teich von Müll beräumt. Zwei verrostete Fahrräder, verschmierte Verkehrsbaken und unzählige Glasflaschen, all das fand einmal seinen Weg ins Gewässer. Rund um diesen Haufen Sperrmüll versammeln sich nun jene, die bei der zentralen Aktion des Tages helfen wollen: dem Entfernen von Schmierereien, Stickern und Müll aus dem Stadtbild. »Herbstputz« nennt sich die Aktion, organisiert von mehreren Initiativen, unter anderem dem Jugendparlament Taucha.

Es ist »in«, rechts zu sein

Die Stimmung ist gedrückt. Nur etwas mehr als zwanzig Menschen sind gekommen. Beim letzten Putz, im Frühjahr, waren sie noch mehr als hundert. Viele Kinder sind mit ihren Müttern da, aber auch einige Jugendliche. Ein Teenager sitzt auf einer Mauer neben dem Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus und beobachtet die Szenerie. Auf die freundlich-sarkastische Frage, ob er nicht mithelfen wolle, reagiert er nicht. Einige munkeln, der Junge sei ein Späher der örtlichen Neonazis, der nach erkennbaren Antifas bei der Aktion Ausschau hält.

Kurz darauf teilen sich die Anwesenden in kleine Gruppen auf. Eine Hälfte kümmert sich um Müll, die andere um Graffiti und Sticker. Zwei Mädchen und ein Junge gehen in Richtung der nahegelegenen Unterführung, um dort nach Graffitis zu schauen. Die drei kommen aus Panitzsch, gehen aber in Taucha zur Schule und sind bereits in der Oberstufe. Ihre heutige Teilnahme sei vor allem ein Freundschaftsdienst für eine der Organisatorinnen, berichten sie – und erzählen, dass es hier geradezu als »in« gelte, rechts zu sein. Erst auf den Leipziger Demos von Fridays for Future seien sie auch offen linken Jugendlichen begegnet. »Wenn man nach Leipzig reinfährt, das ist wie eine andere Welt«, meint der Junge.

Heroisieren und ignorieren

Als sie an der Unterführung ankommen, fällt ihnen ein großer Schriftzug auf: »Deutsche Jugend in die Offensive!!!«, daneben das Keltenkreuz, ein bekanntes Neonazi-Symbol. Vergeblich mühen sich die drei damit ab, die Buchstaben mit speziellem Lösungsmittel zumindest unkenntlich zu machen. »Das kriegt ihr nicht ab«, kommentiert Mittdreißiger Nils*, der zur Gruppe stößt und Dosen mit roter Farbe zum Übersprühen der Parole mitgebracht hat. Während das Keltenkreuz Stück für Stück hinter gleichmäßigem Rot verschwindet, meint der Panitzscher Schüler, dass die Parole »Deutsche Jugend in die Offensive!!!« ja nicht zwingend rechts sein müsse. Schließlich könne es ja zum Beispiel auch »in die Offensive für den Klimaschutz« bedeuten. Erst nach einer Aufklärung über die Bedeutung des Keltenkreuzes erkennt auch er den neonazistischen Gehalt an.

Nils streift anschließend kreuz und quer durchs Tauchaer Stadtgebiet und entfernt mit einem Spachtel Sticker. Nahezu jedes Straßenschild ist mit Aufklebern der NPD-Jugendorganisation, der Partei »Die Rechte« oder der Fanszene von Lokomotive Leipzig markiert. Ein »Troublemakers Mallorca«-Motiv huldigt beispielsweise den rechten Schlägern, die im Juni auf Mallorca einen dunkelhäutigen Türsteher schwer verletzten und nur wenige Kilometer entfernt von Taucha zur Schule gingen.

Nebenbei berichtet Nils über persönliche Erfahrungen in Taucha. Davon, dass sich im Ort eine rechtsextreme Hegemonie auf der Straße gebildet habe, verkörpert durch etliche Jugendliche, die prominenten Leipziger Neonazi-Kadern aus dem Kampfsportmilieu nacheifern. Weite Teile der Tauchaer Bürgerschaft würden diese Entwicklungen einfach ignorieren. Dabei seien die rechten Jugendlichen unberechenbar und hätten in der Vergangenheit mehrmals auf offener Straße politisch Andersdenkende bedroht. Nils beklagt die fehlende Unterstützung aus Leipzig. Er ist der einzige Leipziger, der extra für die Aktion angereist ist, obwohl im Vorfeld über verschiedene Kanäle zur Teilnahme aufgerufen wurde.

Die Sprühdose versagt ihren Dienst

Die Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 3 »An der Bürgerruhe« und deren unmittelbare Umgebung scheinen das Epizentrum der Schmierereien zu sein. Unzählige Parolen bedecken so gut wie alle geeigneten Flächen der anliegenden Grünanlage: Parkbänke, Mülleimer, Fahrradständer.

Zwischen »Sieg der NSDAP«, »Antifas jagen« und einem großen »Juden Chemie«-Schriftzug auf der Rückseite des Wartehäuschens versagt die Sprühdose den Dienst.

Nach mehr als zwei Stunden Säuberungsarbeit macht sich Nils noch einmal auf den Weg zum Kleinen Schöppenteich. Auf einer Bank daneben sitzen drei Jugendliche, mit Sicherheit noch nicht volljährig, die allesamt in seine Richtung starren. Nils dreht direkt wieder ab. Die drei seien Teil der Tauchaer Naziszene, kommentiert er lediglich.

Zehn Minuten in eine andere Welt

Zum Abschluss des Herbstputzes gibt es für alle Helfer mitten im Stadtgrün ein gemeinsames Mittagessen. Natürlich sind die heutigen Erfahrungen das große Gesprächsthema. Auf die Frage in die Runde der anwesenden Kinder, was sie sich für Taucha wünschen, antwortet ein augenscheinlich nicht einmal zwölfjähriges Mädchen ganz präzise: »Dass die Nazis hier verschwinden«.

Trotz der negativen Erfahrungen ist allen Anwesenden aber ihre Entschlossenheit anzumerken, die Stadt nicht den Rechten und Schweigenden zu überlassen. Viele von ihnen engagieren sich in der Initiative »Solidarische Alternativen für Taucha«, die unter anderem die Einrichtung soziokultureller Angebote fordert, um das solidarische Miteinander in der Stadt zu stärken. Ihre Energie dafür scheint ungebrochen.

Der Weg zurück zum S-Bahnhof ist in kurzer Zeit bewältigt. Die Zugfahrt zum Leipziger Hauptbahnhof dauert gerade einmal zehn Minuten. Zehn Minuten bis in eine andere Welt.

*Name von der Redaktion geändert

Dieser Text erschein zuerst im kreuzer 11/19. 


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