Ein sächsischer Polizist hetzte im Internet gegen Geflüchtete, ein Gericht verurteilte ihn wegen Volksverhetzung. Zu dienstrechtlichen Konsequenzen wollte sich sein Arbeitgeber lange nicht äußern. Jetzt wird bekannt: Es gibt keine. Ein Disziplinarverfahren wurde eingestellt.
Im September 2017 verurteilte das Amtsgericht Dresden den Polizeihauptmeister Roland G. zu einer Geldstrafe, weil der Beamte auf Facebook zum Hass auf Geflüchtete aufgestachelt hatte. Er teilte auf seinem öffentlich einsehbaren Profil einen Beitrag, in dem es hieß, »in schwer bewaffneten Horden werden die art- und wesensfremden Ausländer (in der Mehrzahl muslimischen Glaubens) aus ihren Ghettos ausbrechen, die Kontrolle über europäische Großstädte übernehmen und auf bestialische Weise alles ausplündern«. Auch »millionenfache Massenvergewaltigungen von deutschen Frauen und Mädchen« wurden angekündigt. Zudem war die Rede vom »letzten Abschaum aus muslimischen und afrikanischen Ländern« und »unkultivierten Horden, die »aus Deutschen Döner und Hackfleisch machen« würden. »Schreibe es schon seit Monaten, dass sie all die JUNGEN ASSYLANTEN als Waffe gegen uns hetzen«, kommentierte der Polizist darunter.
Diese Aussagen seien in keiner Weise von der Meinungsfreiheit gedeckt, erklärte der Richter damals und verurteilte den Polizisten zu einer Geldstrafe von 4000 Euro. Zum Zeitpunkt des Urteils war G. bereits seit mehr als einem Jahr vom Dienst suspendiert. Sein Verteidiger bat vor Gericht um eine zweite Chance für seinen Mandanten. Ihm würden erhebliche berufsrechtliche Konsequenzen drohen.
Persönlichkeitsschutz: Polizei verweigerte Auskünfte zum Disziplinarverfahren
Das Urteil ist seit 2017 rechtskräftig, ob tatsächlich berufsrechtliche Konsequenzen für den Polizeihauptmeister folgten, blieb jedoch lange unklar. So weigerte sich das Polizeiverwaltungsamt Sachsen gegenüber dem Spiegel Verlag, Auskünfte zum Disziplinarverfahren von Roland G. zu geben und setzte weite Teile dieser Auskunftsverweigerung im Februar 2019 auch vor dem Verwaltungsgericht Dresden durch. Einer Auskunft zum Ausgang des Disziplinarverfahrens stehe der Persönlichkeitsschutz des Beamten entgegen, betonte der Präsident des Polizeiverwaltungsamts in einem Schreiben an den Spiegel Verlag. Er könne lediglich bestätigen, dass es sich bei dem betroffenen Beamten um einen Mitarbeiter des Polizeiverwaltungsamts handelt, dass dieser noch im Polizeidienst sei und keine hoheitlichen Aufgaben erfülle. Dagegen reichte der Verlag Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Dresden ein und bekam im April Recht: Das öffentliche Interesse sei höher zu bewerten, als das Interesse des Polizeibeamten und seines Dienstherrn an der Geheimhaltung. Öffentlich bekannt wurde der Ausgang des Disziplinarverfahrens gegen den verurteilten Polizisten dennoch nicht.
Auf eine Anfrage des kreuzers räumt ein Polizeisprecher nun ein, dass das Disziplinarverfahren gegen Roland G. eingestellt wurde. Als Begründung verweist er auf Regelungen, nach denen milde Disziplinarmaßnahmen wie ein schriftlicher Tadel, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts unzulässig seien, nachdem ein Beamter rechtskräftig verurteilt wurde. Nachfragen, wann das Disziplinarverfahren eingestellt und ob eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geprüft wurde, bleiben hingegen unbeantwortet. »Weitere Auskünfte werden nicht erteilt«, heißt es aus dem Polizeiverwaltungsamt.
»Ein wegen Volksverhetzung verurteilter Beamter hat nichts im Staatsdienst zu suchen«
»Sollte dies zutreffen, wäre dies ein kaum zu erklärender Vorgang«, sagt Valentin Lippmann, Innenexperte der Sächsischen Grünen. »Ein wegen Volksverhetzung verurteilter Beamter hat nichts im Staatsdienst zu suchen, erst recht nicht bei der Polizei, egal ob auf der Straße oder im Innendienst«, erklärt er dem kreuzer. Lippmann verweist auf den Sächsischen Koalitionsvertrag von Grünen, CDU und SPD, in dem sich Sachsens künftige Regierungspartner dazu bekennen, konsequent gegen Verfassungsfeinde im Staatsdienst vorzugehen. Vor diesem Hintergrund erwarte Lippmann, »dass die Möglichkeiten des Disziplinarrechtes in solchen Fällen vollständig ausgeschöpft werden.«
Laut Berichten der Sächsischen Zeitung habe sich der Polizist Roland G. immer wieder ähnlich geäußert und dabei stets seinen Beruf erwähnt. Angesichts dessen erklärt auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der Sächsischen Linksfraktion Juliane Nagel, sie habe keinerlei Verständnis dafür, dass der Polizist im Dienst bleiben darf. »Dieser Fall schwächt das Vertrauen in Justiz und Polizei weiter«, sagt Nagel und erinnert an den Fall des Leipziger Bereitschaftspolizisten Fernando V., der 2015 im Einsatz freundschaftliche Nachrichten mit einem bundesweit vernetzten Neonazi-Kader schrieb. Im Herbst 2019 wurde erstmals bekannt, dass ein Disziplinarverfahren gegen V. eingestellt wurde. Fernando V. ist mittlerweile Ausbilder an der Polizeifachschule Leipzig.