Vor rund 40 Jahren hat der zeichnende Hippie Janosch sich als Prophet erwiesen und seine Panama-Papers in Buchform vorgelegt. Als Puppentheater interpretiert zeigt das Theater der Jungen Welt »Oh wie schön ist Panama«.
»Die Übergänge, achte auf die Übergänge«, weist der Inspizient des Theater der Jungen Welt (TdJW) den in der Schlange stehenden Kritiker noch hin. »Welche Übergänge?«, will dieser später fragen – da war doch alles in Bewegung, flossen die Szenen im Gliederpuppenspiel derart ineinander, dass ein bunter Strom entstand – an dem man sich nicht satt sehen konnte. Das Abenteuer um Tiger und Bär auf Steuerflucht gewann so den Charakter eines Kaleidoskops. Aufscheinende Bilder fügten sich nicht nur zur Geschichte, sondern zur Reflexion.
Dies war nicht nur angemessen, weil Janoschs Erzählung auf einer über der Handlung angesiedelten Ebene eine kleine Meditation übers Glück ist: Wie in einem Prisma erscheinen verschiedene Vorstellungen vom guten und schönen Leben. Da das Stück mit Hingabe und Raffinesse gespielt wird, gewinnt es darüber hinaus auch für ältere Besucherinnen und Besucher eine eigene Qualität.
Prophet Janosch
Vor gut 40 Jahren hat sich der zeichnende Hippie Janosch als Prophet erwiesen und seine Panama-Papers in Buchform vorgelegt. Wie im erst kürzlich durch ein Datenleck bekannt gewordenen Steuerskandal wollen bei ihm der kleine Tiger und der kleine Bär nicht mehr vom Steuerelefanten ausgequetscht werden. Also beschließen sie, lieber dorthin auszuwandern, wo es nach Bananen riecht, sie steuerfrei leben können und sowieso alles besser, weil größer ist. Nach Panama. Im Theater der Jungen Welt wird diese alte Geschichte – sie ist immerhin die bekannteste von Janosch – für ein sehr junges Publikum ab vier Jahren mit Puppen wiederbelebt.
Einmal mehr beweist hier Regisseurin Marion Firlus ihre Fähigkeit des exzellenten Erzählens. Das darstellende Trio setzt ihre Interpretation mitreißend um. In den schwarzen Kubus, der den Bühnenraum bildet, ist eine Landschaft aus Kisten hineingebaut (Bühne: Carsten Schmidt). Wie eine Insel liegt sie in der Bühnenmitte, ja thront heimelig im Nichts. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man kleine Schornsteine, einen Steg, saftiges Gras. Diese Kistenburg muss wohl eine Siedlung sein.
Vieles bleibt nur angedeutet
Noch während die Zuschauenden beim Platznehmen über diesen seltsamen Aufwurf grübeln, springen aus diesem drei Herren hinter einer verborgenen Klappe hervor. Schnell sind die Spieler eingeführt, mit wenigen Worten stellen sie sich als Erzähler vor und die Reise nach Panama beginnt.
In den Händen der Spieler treten alsbald die Freunde kleiner Bär und kleiner Tiger auf. Liebevoll sind die beiden als Gliederpuppen aus Schaumstoff geschnitzt, sind nicht komplett den Buchillustrationen nachgestaltet, sondern von eigener, etwas pausbäckiger Form. Man erlebt sie zunächst in ihrem Alltag, beim Fische fangen, Speisen und Faulenzen. Dann zeigt sich die Landschaft als Drehbühne, die verschiedene Sichten, Blicke zulässt auf die Wiese der Wiederkäuer etwa, die Stadt mit dem Bankhaus, den Wald des räuberischen Finanzbeamten und das rote Sofa von Hase und Igel.
Vieles ist dabei nur angedeutet und wird allein durch Spiel und Sprache erlebbar. So reicht für den Fluss, aus dem der Bär das tägliche Mittagsmahl fischt, blau-transparenter Stoff, der am Bühnenrand entlanggezogen wird. Manches ist detailliert ausgeformt, wobei in dieser Hinsicht der Mäusebau heraussticht: Wie in Tierdokumentationen kann man von der Seite in ihn hineinschauen, Küche, Wohnzimmer und Hobbyraum mit Lamborghini bestaunen. Wenn man dann Opa-Maus beim kleinen Geschäft stört, haben die Spieler alle Lacher auf ihrer Seite. Begleitende Musik und ebenso live erzeugte Geräusche bewirken ihrerseits ein großes atmosphärisches Plus.
Eine Ode an die Freunde
Findig ist auch der Puppenbau (Anja Mikolajetz), der variantenreich vorwiegend mit Schaumstoff arbeitet. Besonders hübsch ist der Elefant als Jacke gestaltet, aus deren rechtem Arm der Rüssel erwächst. Es gelingt Moritz Ceste, Patrick Jesch und Marco de Haunt nicht nur, die zwei tierischen Freunde grundsympathisch zu führen und zu spielen. Die drei geben jeder Figur einen individuellen Charakter, versehen jede Puppe mit einer eigenen Stimme, Bewegungsmuster und ja: mancher Macke. Da hyperventiliert das zittrig-fiebrige Huhn, lispelnd mokiert sich der Hase über den ewigen »Ich bin schon da«-Kalauer seines stachligen Kumpels, dem Maulwurf ist alles zu laut. So verfliegen im mal poetischen, mal turbulenten Spiel 70 Minuten, die vor allem eines sind: eine Ode an die Freunde.