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Kultur

Seelentröster

Schreibt auch für Kinder: Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk

  Seelentröster | Schreibt auch für Kinder: Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Diesmal taucht Familienredakteur Josef Braun mit »Die verlorene Seele« in eine Welt ein, über der ein melancholischer Schleier liegt.

Olga Tokarczuk gehört hierzulande nicht zu den bekanntesten Schriftstellerinnen. Lange war das jedenfalls so. Dann erhielt sie im letzten Jahr den Nobelpreis für Literatur. Jetzt liegen ihre Bücher in allen Buchhandlungen aus. Eine gute Gelegenheit also sie zu entdecken. Das geht auch, wenn man sich für Bilderbücher interessiert. »Die verlorene Seele« ist eine kurze Geschichte aus Tokarczuks Feder, die von der ebenfalls polnischen Illustratorin Joanna Concejo auf unnachahmliche Weise bebildert wird.

»Es war einmal ein Mann, der arbeitete sehr viel und sehr schnell, und seine Seele hatte er schon längst weit hinter sich gelassen«. Mit diesem Satz beginnt Tokarczuks Erzählung. Bald geht der Mann zu einer alten Ärztin, auf der Suche nach Rat. Die erklärt ihm, dass er sich hinsetzen und auf seine Seele warten müsse. In der Folge zieht der Mann in ein Haus am Stadtrand und wartet am Küchentisch darauf, dass seine Seele ihn wieder einholt.

Der Küchentisch ist eines der Motive, die von Concejo aufgegriffen und variiert werden. Ein anderes ist ein kleiner Junge, der mal auf einer Parkbank sitzt, mal eine von Bäumen gesäumte Allee entlang geht. Insgesamt sind die Illustrationen die meiste Zeit über in gedeckten Farbtönen gehalten. Nur vereinzelt mischt sich etwas Farbe in die melancholische Welt, die hier entworfen wird. Als Leser wird man sowohl von den Worten, als auch von den Bildern schnell hineingezogen in die Geschichte, die mit ihren reduzierten Mitteln viel Raum für eigene Interpretationen und Gedankengänge lässt.

»Die verlorene Seele« ist ein rätselhaft-schönes Buch. Für kleine Kinder ist es möglicherweise etwas zu düster. Für ältere dagegen und erst recht für Erwachsene eröffnet es auf wenig Raum und mit sorgsam eingesetzten Mitteln viele Fragen. Und ist überdies ein ästhetisches Erlebnis besonderer Art.


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