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Stadtleben

Profit und Profiteure

Kolumne: Eine Saison mit Rasenballsport Leipzig

  Profit und Profiteure | Kolumne: Eine Saison mit Rasenballsport Leipzig

Im siebten Teil ihrer Kolumne betrachtet das Blogkollektiv Zwangsbeglückt die entscheidenden Spiele des Bundesligisten: Spiele mit öffentlichen Geldern

Läuft richtig gut bei den Rasenballsportlern. In der Bundesliga sind sie endlich wieder in der Verfolgerposition. Die Tabellenführung war auch wirklich nicht standesgemäß. Die Mär vom aufstrebenden Kleinstverein mit begrenzten Mitteln drohte zu bröckeln. Zudem waren die Kollegen Nagelsmann und Rangnick schon ganz erbost über die sich breit machende Lethargie.

Darüber hinaus steht die K.O.-Runde der Champions League an, wo man sich endlich mit anderen sympathischen Clubs messen kann, die sich im Namen der sportlichen Konkurrenzfähigkeit auf ähnlich kreative, die Regularien nur am Rande einhaltende Sponsoring-Modelle verständigt haben wie man selbst. Wohin das führen kann, hat jüngst Manchester City vorgemacht, die in den nächsten zwei Jahren erstmal nicht weiter mitspielen dürfen. Mal sehen, was die DFL von dieser Entscheidung und der anstehenden sportgerichtlichen Auseinandersetzung lernen kann.

Neben diesen sportlichen Aspekten sprießt und gedeiht das Projekt auch baulich. Die Stadt beschloss jüngst, dem Antrag auf Bau der RB-Geschäftsstelle und eines Parkhauses auf dem Stadionvorplatz zuzustimmen. Die Gegenargumente von Anwohner*innen, Umweltschutz und Stadtplanern wurden mit dem Verweis auf 300 bis 500 entstehende Arbeitsplätze bis 2030 (!) beiseite gewischt. Wo die wohl entstehen werden? Vermutlich in der Rechtsabteilung (siehe DFL), denn Dienstleistungen rund um die zweiwöchentlichen Fußballspiele sind seit langem an Personalagenturen vergeben.

Pikant ist zudem, dass die Rasenballsportler das großzügige Entgegenkommen der Stadt damit belohnten, eine saftige Geldforderung zu stellen: Zwei Wochen nach der Bau-Zusage forderte die Red-Bull-Besitzergesellschaft mit Sitz in München von der Stadt Leipzig für die Jahre 2013 bis 2017 eine Grundsteuernachzahlung von mehr als 180.000 Euro. Hintergrund ist eine mögliche Falschberechnung der von der Stadt gemieteten Flächen, unter anderem im Hauptgebäude der Arena, die wiederum an Dritte wie den SC DHfK weitervermietet werden. Derzeit kläre man, wie man das Problem lösen könne. Aus dem Sportamt hieß es, die Situation sei »ein riesiges Puzzle-Spiel, das alle Seiten lösen wollen«. Schon klar. Eher ein Monopoly-Spiel, bei dem der neue Eigentümer des Stadions gleich mal die Miete beim überrumpelten Vorbesitzer eintreibt.

Profitieren von Steuergeldern hat bei den Rasenballsportlern Geschichte. So darf daran erinnert werden, dass Red Bull – die Firma, nicht der Verein – für etwa 70 Millionen Euro ein Stadion kaufte, das im Bau 116 Millionen Euro kostete, von denen Bund und Stadt drei Viertel bezahlt hatten. Durch einen Steuertrick (der Verein kaufte 6 Prozent, die Betreibergesellschaft aus München 94 Prozent) umging man noch die fällige Grunderwerbssteuer. Mit dem Verkauf des Stadions schrieb die Stadt also nicht nur investierte Steuergelder von etwa 30 Millionen Euro ohne einen einzigen Cent Gewinn ab, sie wurde noch um Steuereinnahmen der neuen Eigentümer gebracht – und soll nun auch noch nachzahlen.

Klar, ist juristisch offenbar alles wasserdicht, und die Ersten rufen wahrscheinlich schon wieder »Das machen doch alle so!« (was zu beweisen wäre).

Gleichzeitig zeigen sich doch zwei Dinge sehr deutlich: Erstens sind die ach so privatwirtschaftlich agierenden Betreiber von RB Leipzig sehr an öffentlichen Geldern interessiert, seien dies Zuschüsse und Investitionen, oder eben Steuerzahlungen, die man lieber vermeiden will. Und zweitens sind sie und die Stadtspitze sich nicht zu dumm, das auch noch damit zu rechtfertigen, dass RB die Wirtschaft der Stadt stärke. Belegt sind allerdings derzeit nicht viel mehr als 100 zusätzliche Arbeitsplätze, und da stellt die Profiabteilung den Hauptanteil.

Dieses Bild des allumfassenden Gelingens rundet schließlich ab, dass die Rasenballsportler beim Ball des Sports 2020 des Stadtsportbundes zur Mannschaft des Jahres ausgezeichnet wurden. Bereits zum vierten Mal in Folge! Wer hier Langeweile aufkommen sieht, liegt richtig. OBM Jung, der den Preis überreichen durfte, nahm‘s dementsprechend gleichmütig: »Die Wahl wird wohl niemanden überraschen«, um sich dann doch noch zu einem »Dieses Jahr stehen die Jungs auf dem Balkon!« durchzuringen. Na dann. Angesichts der geschäftlichen Volten von RB und seinen Betreibern wäre darüber nachzudenken, nur die Vereine für den Preis zu nominieren, die auch ein Interesse an den öffentlichen Belangen der Stadt haben.


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