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Kultur

Die Briefe des jungen Dichters

Bescheiden, klug, zu Tränen rührend: Neuauflage von Rilkes »Briefe an einen jungen Dichter«

  Die Briefe des jungen Dichters | Bescheiden, klug, zu Tränen rührend: Neuauflage von Rilkes »Briefe an einen jungen Dichter«

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Diesmal schreibt Literaturredakteurin Micklitz über einen Briefwechsel, der auch nach knapp 100 Jahren noch zu Tränen rührt

Rilkes »Briefe an einen jungen Dichter«, die 1929 nach seinem Tod erstmals herausgegeben wurden, sind zum Standardwerk für Schreibende geworden. Beim Lesen sah man sich selbst in der Rolle des Fragestellers Franz Xaver Kappus. Der österreichische Schriftsteller und Journalist wollte Rat vom großen Dichter – und er bekam ihn. Als die Briefe erscheinen, schreibt er im Vorwort bescheiden »Allein wichtig, sind die zehn Briefe, die hier folgen, wichtig für die Erkenntnis der Welt, in der Rainer Maria Rilke gelebt und geschaffen hat, und wichtig auch für viele Wachsende und Werdende von heute und morgen. Und wo ein Großer und Einmaliger spricht, haben die Kleinen zu schweigen.«

2019 verlegte Wallstein nun eine Neuauflage der Briefe, in denen eine Leerstelle gefüllt wird. Mit einem eigenen Text wendet sich Kappus damals an Rilke im Herbst 1902 – dieser erste Versuch ist nicht erhalten und so beginnt die Korrespondenz auch hier wieder mit Rilke selbst. Schon den ersten Brief möchte man beim Wiederlesen am liebsten durchweg zitieren und der Gedanke daran, wie Rilke sich die Mühe macht, auf eine so bescheidene und kluge Weise auf die Bitte des andern zu antworten rührt einen auch knapp 100 Jahre später noch zu Tränen. Wie sollte Rilke wissen, dass diese Briefe nach seinem Tod veröffentlicht und zu seinem meistgelesen Werk werden würden.

Auch Kappus selbst muss es eine solche Rührung empfunden haben, denn sogleich antwortet er mit derart überschwänglichen und demütigen Worten, dass einem die Dankbarkeit dieses jungen und verunsicherten Autors aus den Zeilen förmlich entgegen springt. Und obwohl er selbst empfindet, dass er die Mühe Rilkes nicht wert ist, drängt es ihn zur ausführlichen Antwort – es spricht der Lehrling, der sich nach einem Lehrer sehnt. So fasst er seinen Mut und schreibt: »Vielleicht erlauben Sie mir, daß ich in der Zukunft manchmal, wenn es zu heftig um meine Ohren saust, ein paar Worte oder ein paar Lieder an Sie sende und um einige Zeilen bitte«.

Der Austausch, der folgt, hat nichts von seiner Aktualität und Kraft eingebüßt. Es ist eines dieser Bücher, die wieder und wieder gelesen werden müssen.


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