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Kultur

Auf dem Drahtseil

Denkt Vaterschaft neu: Philosoph Björn Vedder

  Auf dem Drahtseil | Denkt Vaterschaft neu: Philosoph Björn Vedder

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Diesmal liest Familienredakteur Josef Braun den Essay »Väter der Zukunft« und findet Überlegungen, die tiefer reichen als so mancher Ratgeber zum Thema Vaterschaft

Über Jahrzehnte schien die Rollenverteilung klar. Was der König im Großen, war der Vater im Kleinen. In seiner Familie verkörperte er das Gesetz. Er war der Vertreter der gesellschaftlichen Ordnung, der sich alle von seiner Frau, bis zu den Kindern zu fügen hatten. Die Väter von einst waren Urteilsverkünder, Richter über die Handlungen ihres Nachwuchses. So jedenfalls beschreibt sie der Philosoph Björn Vedder in seinem Essay »Väter der Zukunft«. Er konstatiert eine Orientierungslosigkeit moderner Väter, die sich aus dem Wegfall der alten Traditionen ergibt. Er schreibt: »Die Väter, die ihren Kindern gegenüber das Gesetz vertreten und ihre Autorität damit legitimieren wollen, dass sie im Namen der Ordnung sprechen sind Schwächlinge. Sie haben nicht die Kraft den Schwebezustand und die Unordnung auszuhalten«.

Rollenbilder

Angelehnt an den Philosophen Bernhard Waldenfels, versteht Vedder die Familie als eine Gemeinschaft, in der jeder seine Rollen spielt. Die Rolle des Vaters und der Mutter werde vom Kind eingefordert, so Vedder. Ja, sie wird erst durch das Kind überhaupt geschaffen. Eltern werden Eltern, in dem Moment, in dem sie Kinder haben, die sie als solche ansehen. Dabei kann ein Alleinerziehender auch beide Rollen ausfüllen. Eine Mutter kann die Rolle des Vaters übernehmen, wenn dieser fehlt. Vedder behauptet kein Vaterbild, das nur von Männern zu erfüllen ist.

In einer klaren Sprache und angereichert mit vielen Beispielen aus Philosophie, Literatur und Film, macht er Vorschläge für den modernen Vater als einen Menschen, der bereit ist, Fehler einzugestehen, wo sie passieren. Er entwirft den Vater als einen Artisten, der den Sprung ins Familienleben ganz vollzieht. Der seinen Kindern Liebe zeigt, ihre Nähe sucht und sie zugleich verzichten lehrt. Sie darauf vorbereitet, dass alles endlich ist. In Zeiten der Klimakrise denkt Vedder den Vater als Vorreiter einer neuen Bewegung, die dem ständigen Mehr des Kapitalismus und den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten ein konkretes Leben entgegensetzt, in dem die Ethik mindestens ebenso wichtig ist, wie der gesellschaftliche Aufstieg. »Väter der Zukunft« ist kein klassischer Ratgeber. Keine Anleitung zur Vaterschaft in zehn Schritten. Seine Stärke liegt in der Reflexion und den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Ein spannendes Buch.


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