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Politik

Bedingungsloses Grundeinkommen – jetzt

Kommentar aus der April-Ausgabe

  Bedingungsloses Grundeinkommen – jetzt | Kommentar aus der April-Ausgabe

Vom bedingungslosen Grundeinkommen profitieren alle. Spätestens jetzt in der Corona-Krise wird deutlich: Es muss kommen. Ein Kommentar aus unserer April-Ausgabe, die morgen erscheint.

Für die EU ist die Coronakrise inzwischen eine größere als der Brexit oder die Klimakrise – auch wirtschaftlich. Der Ausfall der Leipziger Buchmesse und Tausender Kulturveranstaltungen hat schwere Folgen für viele auch in Leipzig. Anspruch auf Entschädigung während einer Quarantäne besteht nur, solange sie offiziell angeordnet wird. Viele Veranstaltungen wurden aber vorsichtshalber abgesagt, ohne offiziellen Beschluss. Die dadurch entstandenen Ausfälle an Einnahmen werden nicht abgedeckt.

Jene, die nur freiberuflich arbeiten und kein festes Einkommen haben, werden besonders hart getroffen. Viele berichten von hohen Einbußen, bei den meisten sogenannten Solo-Selbstständigen liegt das Einkommen spätestens seit Mitte März bei exakt null Euro. Die Rechnungen müssen aber trotzdem beglichen und die Miete bezahlt werden. Es herrscht eine legitime Angst um Existenz, vor allem bei jenen, die auch Kinder oder Ältere pflegen müssen.

Aber wie kann man jetzt Betroffenen schnell, ohne Bürokratie und Wartezeit, effektiv helfen? Die Regierung von Hongkong versuchte es mit einem Geldgeschenk in Höhe von knapp 1.200 US-Dollar. Alle Erwachsenen mit einem festen Wohnsitz in Hongkong erhielten einmalig diese Auszahlung. Problem: Einmalige Geschenke können in einer akuten Lage zwar helfen, auf Dauer aber nicht. Wenn der Knochen bricht, behandelt man das ja auch nicht mit einem Pflaster.

Bundesweit werden Forderungen nach dem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) lauter. Eine Petition auf change.org für die sofortige Einführung des BGE wurde bis zum Redaktionsschluss von mehr als 200.000 Menschen unterschrieben. Außerdem reichte die BGE-Aktivistin Susanne Wiest eine Petition mit der gleichen Forderung beim Bundestag ein und hofft auf eine Anhörung. 

Nach dem BGE sollen alle, unabhängig von Bedürftigkeit, regelmäßig denselben Anteil der Gesamteinnahmen erhalten. Finnland hat das bereits zwei Jahre lang getestet, allerdings nur mit arbeitslosen Menschen. Ziel war, herauszufinden, ob das BGE die Arbeitslosigkeit senken kann. Ergebnis: kaum.

Auch wenn die BGE-Befürworter selbst behaupten, dass das Modell Menschen zur Arbeit motiviere, ist das der falsche Ansatz. Es ist nicht die Verantwortung eines Einzelnen, die Arbeitslosigkeit zu senken. Diese Verantwortung liegtbeim Staat.

Durch die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise wird immer mehr Menschen klar: Arbeitslosigkeit ist oft keine Frage des Desinteresses der einzelnen Betroffenen, sondern eine Systemfrage. Der Glaube, dass arbeitslose Menschen sich bewusst oder aus Faulheit für ein Leben in Armut entscheiden würden, ist ein Produkt des späten Kapitalismus, nach dem der Wert des Menschen nur von der Höhe seines Einkommens abhängt. Dieses System ist dasselbe giftige, das die Interessen von Großkonzernen vor die der Einzelnen stellt. Daraus stammt der Hass auf benachteiligte Gruppen, der bisher zur flächendeckenden Ablehnung des BGE führte: Sie sollen doch arbeiten gehen, anstatt den ganzen Tag »rumzuhocken«.

Nicht nur Leipzig, sondern ganz Deutschland würde vom BGE profitieren. Und die Bundesregierung kann sich das leisten. Die Pandemie ist zwar eine Krise, dennoch gleichzeitig eine Möglichkeit, eine neue Kultur aufzubauen, in der wir Arbeit neu definieren. Die sofortige Einführung des BGE wäre ein erster Schritt.


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