Als klar wurde, dass Theater erstmal nicht mehr stattfindet, saßen die Mitarbeiter der Spieltstätten nicht sinnlos herum. Stattdessen nutzen sie ihre Fähigkeiten und nähen Schutzausrüstung für Krankenhäuser oder bauen Spuckwände für die Stadtverwaltung.
Eine Seuche ist es, die im Dramenkomplex um Ödipus und Antigone alle Recht- und Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzt. Eine Seuche ist es ebenso, die das Theater lahm legt. Mit ihren Werkstätten verfügen die Theater aber über gefragte Produktionsmittel in Sachen Corona-Bekämpfung. Das will genutzt sein. Die Leipziger Theater beteiligten sich bereits früh an der Herstellung von Schutzgerät und anderen Diensten gegen die Seuche.
»Die Kulturbürgermeisterin an uns herangetreten«, sagt Lydia Schubert, Verwaltungsdirektorin am Leipziger Theater der Jungen Welt (TdJW). »Wie könnt ihr helfen? Welche Kapazitäten könnt ihr einbringen?«, habe sie gefragt, ergänzt Intendant Jürgen Zielinski. »Was können eure professionellen Werkstätten leisten, wer hat einen LKW-Führerschein?« So haben sich alle drei städtischen Theater eingebracht in die kommunale Corona-Bekämpfung. Mitarbeiter vom TdJW leisten etwa Fahrdienste und üben in einer Notschlafstelle für Wohnungslose Hausmeistertätigkeiten aus. Und beteiligen sich natürlich an der Produktion von Masken. »Die Mitarbeiter sind ja in Sicherheit, was den Arbeitsplatz angeht«, sagt Lydia Schubert, »Aber sie sehen natürlich ihre gesellschaftliche Verantwortung.«
Jetzt werden selbst DDR-Bestände genutzt
Die gemeinsamen Theaterwerkstätten fertigen Spuckschutzwände für Behörden und die Stadtteilbibliotheken. Seit Wochen fungieren sie aber hauptsächlich als Textilfabrik, wie die Direktorin der Opern-Kostümabteilung Silke Wey berichtet. In ihrer Funktion wurde sie zur leitenden Organisatorin der Stoffschutzproduktion. »Wir bekamen einen Kittel als Muster und fertigten einen Prototypen.« Den nahm der medizinische Dienst ab und bis Anfang April wurde ein das St-Georg-Krankenhaus mit 3.000 Kitteln versorgt. »Dann nähen wir jetzt eben Kittel statt schöner Kostüme«, meint Wey. In der Not müsste man praktisch denken. Rasch kam die Maskenfertigung als Aufgabe hinzu. Davon stellen die rund 85 involvierten Mitarbeiter 2.500 pro Woche her, die neben den Kliniken in städtischen Einrichtungen wie dem Gesundheitsamt oder den sozialen Diensten eingesetzt werden. Diese einfachen Schutzmasken bestehen aus kochfester Baumwolle, weshalb sie zum Wiederverwenden desinfizierbar sind. Das Material sei knapp auf dem Markt. Zum Glück habe die Kostümschneiderei noch einiges auf Lager. »Wir haben jetzt auch Schrägbänder aus DDR-Bestand mitverarbeitet«, sagt Wey.
Schutzausrüstung vom Fließband
An drei Standorten wird genäht: Neben der Kostümschneiderei wird der Malsaal der Dekorationswerkstätten und ein Nähatelier, das ein Bildungsträger zur Verfügung stellte genutzt. Nicht nur geübte Schneider sind dabei aktiv. Vom TdJW etwa sind eine Schauspielerin und eine Souffleuse aktiv. Um die Mitarbeiter zu schützen, wurden die Arbeitsplätze räumlich neu organisiert, damit Sicherheitsabstände gewährleistet sind. »Wir haben das wie in einem Konfektionsbetrieb optimiert und eine Produktionslinie aufgebaut, wo jeder einen Schritt macht. Das ist natürlich ungewohnt und anstrengend.« Der Lärm der Industriemaschinen lässt gemeinsames Singen oder Unterhaltungen nicht zu. Aber die kollektive Pausengymnastik schaffe Ablenkung. »Jeder Tag ist anders«, so Silke Wey, »täglich ist eine andere Mitarbeiterzahl da.« Fahren auf Sicht, was geht, geht. „Denn natürlich herrschen auch bei uns Ängste. Aber es ist auch mutmachend, sich in einer solchen Lage selbst zu organisieren.«Die Seuche hat die Gesellschaft im Griff, die Theater haben entsprechend reagiert. Aber natürlich, muss der Spielbetrieb irgendwann weitergehen, meint Wey im Namen aller. Man ist vorbereitet auf die Zeit, wenn die Seuche unter Kontrolle ist und das Theater wieder läuft.