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Stadtleben

Warum leere Stühle jetzt Protest bedeuten

Am Augustusplatz stehen 600 leere Stühle, auf die sich niemand setzen darf

  Warum leere Stühle jetzt Protest bedeuten | Am Augustusplatz stehen 600 leere Stühle, auf die sich niemand setzen darf

Langsam wird es eng für Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter. Mit einer bundesweiten Aktion, die in Leipzig auf dem Augustusplatz über die Bühne ging, zeigten betroffene Unternehmen ihre Existenzangst

»Unsere Zeit läuft ab. Hoteliers, Gastronomen und Veranstalter stehen vor dem unmittelbaren Aus!« Peggy Lau-Höpfel, führende Organisatorin der Aktion »Leere Stühle« in Leipzig, fasst damit die Verzweiflung vieler Unternehmer der Branche zusammen. Nach der Erstaktion am 17. April in Dresden stellten heute Gastronomen und Hoteliers in 77 deutschen Städten rund 35.000 leere Stühle auf, um damit ihrer Situation ein Bild zu geben. Neben zehn leeren Betten standen 600 der Stühle heute symbolisch auf dem Augustusplatz. Der Brunnen vor der Oper wurde zu einem runden Tisch umgebaut, gedeckt mit Geschirr, Besteck und Speisen. Platz nehmen durfte niemand, fünf eigens engagierte Ordner hatten ein Auge auf die Szenerie.

Das am 22. April beschlossene, weitere Hilfspaket der Regierung wertet die Initiative Leere Stühle e.V. als Teilerfolg. Beginnend in Dresden gelang es, deutschlandweit auf die Existenzangst von Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter aufmerksam zu machen. Die verschiedenen Maßnahmen reichen aber bei weitem nicht aus, um der Branche und ihren rund 2,5 Millionen Mitarbeitern das Überleben zu retten – um nichts anders geht es jetzt mehr.

Axel Hüpkes, Leipziger Hotelier und Präsident des Dehoga Sachsen erklärt dazu: »Wir alle, die Unternehmer und unsere Mitarbeiter, bleiben zuhause, um die Gesundheit der Bürger unseres Landes nicht zu gefährden. Niemand soll unsere Forderungen falsch verstehen – wir wollen durch die Krise nicht reich werden, aber viele Unternehmen können am Ende des Monats keine Gehälter mehr zahlen, Tausende Unternehmer und Arbeitnehmer werden ihre Existenz verlieren.«

Während der Aktion übergab Hüpkes an den Wirtschaftsbeigeordneten der Stadt, Uwe Albrecht, einen Katalog mit Forderungen. Albrecht, nach eigener Aussage täglich mit Unternehmern im Gespräch, versprach, diesen an die Bundesministerien für Arbeit und für Finanzen weiterzuleiten. Gefordert wird die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für Mitarbeiter auf 90 Prozent des Nettoeinkommens. Zudem soll die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf Speisen von Dauer sein. Vom Land Sachsen fordert die Initiative, den Förderanspruch auch Gastronomen, Hotelbetrieben und Veranstaltern mit mehr als zehn Mitarbeitern zu ermöglichen. »Die Allgemeinverfügung stellt einen existenzvernichtenden Eingriff dar und entzieht uns jegliche Einnahmequelle ohne irgendeinen Entschädigungsanspruch«, so Hüpkes.

Lutz Albrecht von der Fantastic Group Leipzig, die mehrere Restaurants, darunter im Panorama Tower am Augustusplatz betreibt, rechnete vor: »Wir hatten innerhalb von 14 Tagen Reservierungsstornierungen mit einem Umsatzvolumen von 250.000 Euro zu verkraften, vom Ärztekongress bis zur Familienfeier.«

Gritt Englert vom Restaurant Weinstock musste bereits die ersten, geplanten Weihnachtsfeiern aus dem Reservierungsbuch streichen. Bei weiterer Schließung fehlen die starken Feiertags- und Sommermonate. Selbst für André Münster, erfolgreicher Wirt des Restaurants Münsters, ist das derzeit »ein einziger Überlebenskampf.« Was Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter jetzt brauchen, ist ein Fahrplan, wie und wann es konkret weitergehen kann. Mit kurzfristigen Ansagen ist kaum jemandem geholfen, denn die Einkaufs- und Lieferketten sind derzeit völlig unterbrochen.

Die Initiative möchte weiter demonstrieren. Spätestens am 1. Mai. Denn im Moment gehts ums nackte Überleben.


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