Kinos machen in der Pandemie eine schwere Zeit durch. Aber gleichzeitig erfahren sie auch eine Menge Solidarität der Film-Fans.
Die Hainstraße ist wie ausgestorben. Vom Verkehr, der sich sonst in der Großen Fleischergasse staut, keine Spur. Petra Klemann betritt ihr Büro in den Passage Kinos, aber in diesen Tagen ist alles anders. Die
Kinos sind seit Mitte März geschlossen. Wann sie wieder öffnen können, ist ungewiss. »Es fühlt sich seltsam an«, sagt Petra Klemann. »Es ist ein eigenartiger, beunruhigender Mix aus Warten und Hoffen.«
Die Situation in der Kino- und Filmbranche ist prekär. Nach Angaben der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) drohen der deutschen Branche durch die Folgen des Coronavirus zwei Milliarden Euro Umsatzeinbußen. Außerdem seien 36 Prozent der 80.000 Arbeitsplätze akut gefährdet und sie befürchtet, dass 20 Prozent der 6.700 Branchen-Unternehmen in Deutschland insolvent gehen könnten. Deshalb haben viele Bundesländer bereits Soforthilfen für die Kinobranche angeschoben. Nur nicht in Sachsen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern. Die sächsischen Arthouse-Kinos haben sich Mitte April in einem Brief an die Förderinstitutionen gewandt, in dem sie die kulturelle Bedeutung und die Notwendigkeit von Zuschüssen aufzeigen.
Derweil versuchen die Kinos, am Leben zu bleiben. Leipzig hat eine gesunde Kinolandschaft. Die Häuser sind seit vielen Jahren etabliert und gut besucht. Nora Freytag ist mit ihrem Cineding Einzelkämpferin im Westen der Stadt. Die Pause gibt ihr erst mal die Möglichkeit, durchzuatmen. »Da ich die letzten acht Jahre komplett alles dem Kino untergeordnet habe, werde ich die Zeit auch nutzen, um den Akku wieder aufzuladen.« Wirtschaftlich trifft es sie in einem guten Jahr. »Dank ›Parasite‹ lief der letzte Herbst/Winter gut, so dass ich keine Altlasten an Filmmieten mehr habe. Wäre die gleiche Sache ein oder zwei Jahre früher passiert, hätte es mit großer Wahrscheinlichkeit das Ende bedeutet.«
Sorge bereitet ihr aber die Ungewissheit. »Eine kleine Pause ist ganz gut zu schaffen; wenn es länger dauert, wird es eine große Herausforderung.« Für Michael Ludwig vom Luru-Kino ist die Situation existenzbedrohend. »Wir hoffen weiterhin auf Förderungen vom Staat, von den Kinoverbänden et cetera. Derweil sammeln wir Spenden und verkaufen Gutscheine.« Die Solidarität der Kinobesucher sei groß, sagen Ludwig und Freytag.
Wie die meisten Häuser nutzt auch die Schauburg die kinofreie Zeit für Renovierungsarbeiten. Das Team bleibt erst mal zu Hause, wie die Passage hat auch die Schauburg auf Kurzarbeit geschaltet. Der Kredit der Sächsischen Aufbaubank hilft, sagt Susanne Schönberg. Sie informiert sich derweil in den Kinoforen, wann und wie es weitergehen könnte. »Je nachdem, wie die Kriterien aussehen, könnte es schwierig werden für uns. Wir haben zwar große Säle, müssten dann aber vielleicht auf die Klimaanlage verzichten.« Ob sie öffnen, wenn sie wieder dürfen, hängt daher von den Auflagen ab, sagt Schönberg. »Hinzu kommt, dass Mitte, Ende Juni in der Regel kaum Filme starten.«
Als kommunales Kino treffen die Cinémathèque in der Nato die finanziellen Einbußen nicht so hart wie die anderen Leipziger Kinos. »Aber auch eine solche öffentliche Förderung ist von einer Ko-Finanzierung durch den laufenden Betrieb abhängig«, sagt Sarina Lacaf. »Da brechen uns gerade komplett die Einnahmen weg.« Um den Kontakt zum Publikum nicht ganz abreißen zu lassen, hat die Cinémathèque einen Instagram-Account gestartet. Dort warten Filmtipps und Gewinnspiele. Auch das Programm des 2cl Sommerkinos auf Conne Island nimmt langsam Gestalt an. »Wir hoffen sehr, dass bis Ende Juni Kino unter freiem Himmel gefahrlos stattfinden kann und darf.« Auch die Schaubühne Lindenfels ist durch die institutionelle Förderung gesichert. Wesentlich schwerer sei die Situation allerdings für die freiberuflichen Partner, die Künstler, sowie für Filmvorführer und Kassenkräfte.
Miriam Pfeiffer von der Kinobar Prager Frühling ist entspannt. »Ich sehe das pragmatisch, weiß aber um schlimmere, dramatischere Schicksale. Wir können durchaus einige Monate überbrücken.« Immerhin ist sie schon seit 23 Jahren im Kinogeschäft tätig. Sie freue sich auf den Sommer, vor allem auf das Open-Air-
Kino in der Feinkost. Mit dem Blick auf den Herbst hat sie allerdings Sorge, dass zu viele Filme starten und sich gegenseitig das Publikum wegnehmen werden.
Erschwerend hinzu käme der mögliche Wegfall des Filmfestivals Cannes, von dem die Branche in jeder Form profitiere.»Unser Ziel ist, dass niemand entlassen werden muss«, sagt Petra Klemann. »Das werden wir auch definitiv hinkriegen. Wir planen intern bis Ende Juni, rechnen aber damit, dass die Kinos zu den letzten Locations gehören werden, die wieder öffnen dürfen.« Dann werden die Leipziger hoffentlich die Säle stürmen. Petra Klemann glaubt an die Kraft des Kinos: »Wenn die Leute wieder raus und in Gemeinschaft einen Film schauen können, wenn dann der Gong ertönt – das sind Momente, für die wir das Kino lieben. Deshalb glaube ich daran, dass es wie Phoenix aus der Asche steigen wird.«
Update: Mittlerweile ist es den Kinos wieder möglich, zu öffnen. Allerdings unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln. Für die Programmkinos ist diese Auflage jedoch wirtschaftlich nicht umsetzbar. Nora Freytag vom Cineding sagt: „Unter Einhaltung der Abstandsregeln kann ich maximal neu Gäste in den Saal lassen. Ich brauche aber mindestens 15 pro Vorführung, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Im Moment ist es daher weniger teuer, das Kino geschlossen zu lassen, als es zu öffnen.“ Die meisten der Leipziger Kinos haben sich daher entschlossen, der Empfehlung der AG Kino zu folgen, die eine Öffnung zum 2. Juli für sinnvoll erachtet. Bis dahin wird es möglich sein, ein Programm zusammenstellen, dass dann auch wieder Neustarts beinhalten wird.