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Stadtleben

Ruinen-Abklappern

Auf der Drei-Gleichen-Wanderung lassen sich Perspektiven 
mit Katzenminze erleben

  Ruinen-Abklappern | Auf der Drei-Gleichen-Wanderung lassen sich Perspektiven 
mit Katzenminze erleben

Es ist eine "Zahl eine – bekomme drei"-Tour: Die Wanderung zu den drei Gleichen in Thüringen ist eine Tagestour, die auch bei Gewitter sehenswert ist. Oder auch gerade dann. Ein Text aus dem kreuzer 8/20.

Ein grelles Zucken, ein zorniges Grollen, der Nachthimmel voll elektrischer Entladungen. Ängstlich ducken sich die Menschen weg und starren doch immer wieder zum Geschehen über ihren Köpfen. Plötzlich gabelt sich ein Blitz, schlägt als Dreizack in einander benachbarte Burgen. In einer Mainacht 1231 soll sich diese Wetterepisode zugetragen haben, die den Höhenburgen zwischen Erfurt und Gotha ihren Namen gab: Drei Gleichen. Markant heben sie sich wie ein hingelegtes Dreieck ab, zerschnitten von der Autobahn 4. Es lässt sich jedoch bequem mit der Bahn anreisen, um alle Burgen zu bewandern.

Die 16 Kilometer lange Strecke ist als Rundwanderweg angelegt, die Start- und Zielbahnhöfe Wandersleben und Haarhausen sind von Erfurt aus leicht zu erreichen. Anspruchsvoll ist die Strecke durchs Thüringer Becken eher nicht, allein die Aufstiege zu den Burgen erhöhen den Puls. Das macht sie auch für Familien mit Kindern interessant. Abwechslungsreich ist die geschützte Landschaft, fast immer hat man eine Burg im Blick – deren Besuche mit romantischem Mittelalterflair die emotionalen wie topografischen Höhepunkte bilden.

[caption id="attachment_110454" align="alignright" width="230"]Eine Burg an einem sonnigen Tag Foto: ArtHdesign[/caption]

Gleich mehrere Sagen ranken sich um diese Gegend. Eine handelt von der Doppelehe des Grafen Ernst von Gleichen. Er soll auf einem Kreuzzug in Gefangenschaft der Sarazenen geraten sein. Eine schöne Sultanstocher – wer sonst – verliebt sich in ihn, verspricht, ihm zur Flucht zu verhelfen, wenn er sie heiratet. Auf dem Rückweg über Rom vollzieht der Papst höchstselbst die Hochzeitszeremonie. Bei der Rückkehr auf die Burg Gleichen ist auch die zurück-gebliebene Ehefrau entzückt, dass sie nun doch keine Witwe ist und die Kinder keine Waisen sind. In Eintracht habe das Trio fortan gelebt, so die Sage.

Aber was weiß die schon? Auch der Name Drei Gleichen ist irreführend, denn sie haben sich nie gleichzeitig im Besitz derselben Herrscher befunden. Nur die Wanderslebener Burg trägt den Namen Gleichen – der wohl aber auf einen keltischen Begriff für Felsen zurückzuführen ist. Man erreicht dessen Fuß bequem vom Bahnhof in Wandersleben. Unterwegs findet man mit den zwei Steinkreuzen nahe des Gasthofs Freudenthal eine Besonderheit der Region: Diese Sühnezeichen für Mordtaten musste der Täter im Rahmen seines Strafmaßes am Ort des Verbrechens aufstellen. Eine aufgezogene Fahne auf dem Turm zeigt von Weitem an, ob die Burg geöffnet ist. Ästhetik der Ruine: Das romanische Ensemble stammt aus dem 11. Jahrhundert, Herrenhaus und Bergfried haben sich erhalten. Der Wehrturm beherbergt eine Ausstellung zur Geschichte und zum Naturraum des Drei-Gleichen-Gebietes
– und bietet eine herrliche Aussicht. Beim Abstieg sollte man auf die Pannonische Katzenminze achten, diese Pflanze wächst eigentlich nur in asiatischer Steppe. Wie sie wohl hierher kam?

[caption id="attachment_110456" align="alignleft" width="395"]Drei Gleichen Burgenland in Thüringen Burg Gleichen Drei Gleichen Burgenland in Thüringen Burg Gleichen
Foto: Animaflora PicsStock[/caption]

Unterwegs werden sich immer wieder Trockenrasenflächen auftun: die Thüringer Badlands. Weiter geht es zur Mühlburg (rote Wandermarkierung); einfach unter der A4 durch. Das älteste erhaltene Gebäude Thüringens – um 700 erwähnt – sieht wie der Scherenschnitt einer Dampflok aus. Die Ruine wirkt gegenüber ihrem eleganteren Wanderslebener Pendant massiv-gedrungen und beeindruckt durch augenscheinliche Wehrhaftigkeit und offensichtliche Aussicht. Auf der Schlossleite, so heißt der Bergrücken, führt der Weg (blaue Markierung) an den Resten der Radegundekapelle vorbei Richtung Veste Wachsenburg. Talwärts öffnet sich dann der Wald, vorbei am Alabastersteinweg kann der Berg erklommen werden. Die Wachsenburg wurde im 19. Jahrhundert wiederaufgebaut, was man leider sieht. Immerhin kann man im hiesigen Restaurant einkehren und die Aussicht auf die anderen zwei Burgen ist grandios.

Die Rückreise nach Leipzig lässt sich mit der Bahn vom nahen Haarhausen aus antreten. Wer noch Reserven hat, sollte durchs Gleichental zurück nach Wandersleben tippeln. Hier, zwischen Fischteichen mitten im Burgendreieck, eröffnet sich noch einmal eine ganz andere Perspektive auf die erhabenen Drei Gleichen. Das macht etwas demütig – auch ganz ohne Gewitter.


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