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Kultur

Ein Lichtfest zum Selbermachen

Trotz Pandemie findet das alljährliche Gedenken statt - im kleineren Rahmen

  Ein Lichtfest zum Selbermachen | Trotz Pandemie findet das alljährliche Gedenken statt - im kleineren Rahmen

Auch in diesem Jahr wird am 9. Oktober wieder an die Demonstrationen in Leipzig erinnert - aufgrund der Hygienevorschriften allerdings unter veränderten Bedingungen. Nur 250 Menschen werden auf dem Nikolaikirchhof anwesend sein. Für die übrigen Interessierten gibt es einen Livestream.

Das Lichtfest 2020 findet statt - in echt und mit ausgewählten 250 Menschen auf dem abgeschirmten Nikolaikirchhof. Alle anderen können, wenn es nach den Organisatoren geht, Kerzen kaufen und sie für die Feiertagsstimmung im Jahre 30 der Wiedervereinigung in ihr Fenster stellen.

Ein energisch vorgetragenes »Näh!« so klang es als sich Oberbürgermeister Burkhard Jung bei der Pressekonferenz zum diesjährigen Lichtfest die Frage stellte, ob in der aktuellen Lage ein Verzicht auf das Event vielleicht besser gewesen wäre. Aber auch in Zeiten der Pandemie steht der städtische Erinnerungstag an die Demonstration am 9. Oktober 1989 nicht zur Debatte. Der Feiertag sei »zu wichtig« für die Stadt und ihre Bewohner. Laut Jung soll er nicht nur ein »stimmungsvolles Erinnern« initiieren, sondern auch »Mut für die nächsten Monate machen.« Damit das alles klappt, muss das Ereignis etwas schrumpfen.

Wenn das Lichtfest nun abgeschirmt auf dem Nikolaikirchhof stattfinden wird, sei es nach Ansicht von Pfarrer Stief von der Nikolaikirche wieder gelungen, dass das Lichterfest an seinen authentischen Ort zurückgelangt sei. Hier trafen sich die Menschen in den achtziger Jahren nach den Friedensgebeten, hier wurde die Idee des Lichtfestes mit der Nacht der Kerzen im Jahr 2007 geboren. Insgesamt 250 Menschen sind zu den Feierlichkeiten zugelassen, daher wurde das politische Berlin auch nicht eingeladen, sagte Jung. Kommen wird der Ostbeauftragte der Bundesregierung Marco Wanderwitz. Er weiß: »Corona ist eine andere Herausforderung als die SED-Diktatur« wie er in einem Video-Grußwort zur Pressekonferenz erklärte. Als Gastgeschenk bringt er am 9. Oktober eine solarbetriebene Grubenlampe mit. Was machen aber die übrigen Menschen in Stadt und Land an diesem Feiertag, der das alljährliche Prachtstück der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH darstellt?

»Zu Hause dabei sein«Wer auf die Lichtfest-Homepage geht, findet zwei Banderolen zum Ausdrucken und Selbermachen für seine heimische Kerze auf der Fensterbank. Das Polizeipräsidium, die Reformierte Kirche und die Oper nehmen ebenfalls daran teil, denn die Stadt soll erleuchtet werden. Außerdem gibt es für einen Euro die Möglichkeit, die Patenschaft über ein Teelicht zu übernehmen. Die Kerze wird dann entweder von einem Bürgerrechtler oder einem Vertreter des Jugendparlaments am Abend des 9. Oktobers auf dem Podest, das die »89« formt und auf dem Nikolaikirchhof stehen wird, angezündet. Zu Hause bleiben habe auch den Vorteil, dass innerhalb der Familie über das Jahr 1989 und die Folgen gesprochen werden kann, sagte Jung. Um keine Fragen nach der Sinnhaftigkeit des alljährlichen Großevents aufkommen zu lassen, gibt sich Jung gelassen. Das Lichtfest 2020 werde »klein aber fein«.

Die Kleinvariante wird natürlich live gestreamt und mit im Vorfeld organisierten Clips angereichert. Bisher besuchten die Lichtfest-Organisatoren ein Altersheim in Plagwitz und eine Kinderstation im St. Georg. An den Orten wurden bereits tausende Lichter entflammt, für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Außerdem öffnet das Museum in der Runden Ecke zur »Nacht der offenen Tür« mit der Ausstellung »Stasi - Macht und Banalität«, umgesetzt vom Verein Bürgerkomitee, der das Museum unterhält. »Da noch keine Führungen stattfinden können und zur Zählung erhält jeder Besucher kostenpflichtig einen Audio-Guide ausgeliehen«, lässt sich auf der Homepage nachlesen. Der bisher kostenlose Zugang zur Ausstellung erfolgt plötzlich mit kostenpflichtigen Audio-Guides.

Vorab: Vorbereitungen zur RevolutionaleVor dem Lichtfest veranstaltet die Stiftung Friedliche Revolution außerdem eine Werkstatt zur Vorbereitung auf die Revolutionale 2021, dem Festival für Veränderung, im ehemaligen Karstadt. Inmitten des süßlichen Waffelgeruchs der benachbarten Eisdiele können Wünsche für Themen, die beim nächsten Festival zur Debatte stehen könnten, auf Papier formuliert werden. Der Werkstattraum an der Petersstraße lädt zu Gesprächen und Vorträgen ein. Am Montag um 18 Uhr findet ein Vortrag zu einem Projekt der Studierenden der Fakultät Architektur und Soziale Wissenschaft an der HTWK zum Thema »Wie baut man Demokratie?« statt. Den Ausgangspunkt bildet der Matthäikirchhof. Er soll in den nächsten Jahren zum Forum für Freiheit und Bürgerrechte umgewandelt werden. Wie geht die Generation, die nach 1989 geboren ist, mit der ehemaligen Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit um, ist dabei nur eine von vielen Fragen.


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