Unter dem Motto »#KeinGradWeiter« strömten in ganz Deutschland hunderttausende Menschen zum Globalen Klimastreik auf die Straße. Auch in Leipzig wurde gestreikt, coronabedingt dieses Jahr allerdings auf andere Weise: Anstatt großem Demonstrationsumzug gab es sieben dezentrale Aktionen in der Innenstadt. Der kreuzer war dabei und hat den Demonstrierenden ein paar Fragen gestellt.
Nein, der menschengemachte Klimawandel ist kein Mythos und keine Verschwörungstheorie, sondern dramatischer Fakt. Laut National Geographic hat sich die Zahl der klimabezogenen Katastrophen seit 1980 mehr als verdreifacht und die Welt wird beständig wärmer. So war der Sommer 2020 der heißeste Sommer auf der Nordhalbkugel seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 150 Jahren. Laut NASA ist das Schmelzen der Gletscher der Antarktis nicht mehr aufzuhalten und auch der C02-Ausstoß ist weiter erschreckend hoch. Dabei ist von Fairness keine Rede: Die reichsten 10 Prozent sind für über die Hälfte der CO2-Emmissionen verantwortlich, die zwischen 1990 und 2015 verbraucht wurden. So die traurige Bilanz des neuen Oxfam-Berichts.
Gründe, zu streiken, gibt es also genug. Das dachten sich scheinbar auch zahlreiche Demonstrantinnen: Auf Twitter sprach Fridays for Future Germany von deutschlandweit circa 200000 Menschen an rund 450 Streikorten und auch in Leipzig war vor allem nachmittags am Hauptstandort Augustusplatz einiges los. Dort organisierte Fridays for Future Leipzig ein breites Bühnenprogramm mit Redebeiträgen und Live-Musik. An den anderen Aktionsplätzen von Nikolaikirche bis Richard-Wagner-Platz waren zudem Initiativen wie Omas for Future oder Amnesty International mit Ständen vertreten. Auch eine Bikelane auf der Harkortstraße wurde aufgebaut.
Auf dem Augustusplatz dominierte die gute Laune und ein vorwiegend junges Publikum. Vor der Bühne tummelten sich die Jugendlichen, tanzten und pogten – zumeist mit Mund-Nasen-Bedeckung. Mit Spaß und Stimmung die Politik zum Umdenken bewegen? Teilweise glich die nachmittägliche Lage auf dem Augustusplatz eher der eines Konzerts; in der Innenstadt war, abgesehen von einigen Plakaten rund um die Nikolaikirche, vom Globalen Klimastreik wenig zu bemerken. Und doch: Gegen Ende wurden die Demonstrierenden nochmal laut. »Say it loud, say it clear: Refugees are welcome here« oder »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut« hieß es da.
Auch die Antworten auf kreuzer-Fragen machen klar: Die Leipziger Version des Globalen Klimastreiks ist nicht zur bloßen Unterhaltung gedacht. Die Lage ist ernst:
[caption id="attachment_116943" align="alignleft" width="320"] Markus, 36 Jahre und Stefanie, 34 Jahre[/caption]
kreuzer: Wie stellt ihr euch die Welt in 100 Jahren vor?
STEFANIE: Wüstenreich und mit viel, viel Salzwasser. Ich denke, den Regenwald in Südamerika wird es nicht mehr geben.
MARKUS: Definitiv ohne Winter. Den Klimawandel stoppen geht wahrscheinlich nicht mehr, weil wir einfach schon so viel versaut haben. Wir können aber bestimmt beeinflussen, dass wir zumindest noch etwas länger gut auf diesem Planeten leben können. Aber verändern wird es sich auf jeden Fall, darauf müssen wir uns einstellen.
[caption id="attachment_116938" align="alignleft" width="320"] Friederike, 43 Jahre[/caption]
kreuzer: Was ist Ihr go-to-Nachhaltigkeitstipp?
FRIEDERIKE: Oh, ganz viele. Zum Beispiel öfters das Auto stehen lassen, das kann ohne Probleme in der Stadt ganz abgeschafft werden, in Unverpackt-Läden kaufen oder in ‚normalen‘ Läden nach nachhaltig produzierten Produkten fragen. Also sich nicht immer nur so eine Öko-Blase reinziehen, sondern im Gespräch bleiben mit den Menschen und klar machen, dass Verzicht nichts Schlimmes sein muss. Wir leben komplett über unsere Verhältnisse und wenn es so weiter geht, geht einfach alles vor die Hunde.
[caption id="attachment_116935" align="alignleft" width="320"] Aaron, 19 Jahre und Jakob, 19 Jahre[/caption]
kreuzer: Welchem Politiker oder welcher Politikerin würden Sie das Auto verbieten?
AARON: Beatrix von Storch, Gauland und Jens Spahn würde ich kein Auto mehr anvertrauen. Ich finde die Idee einer allgemeinen Geschwindigkeitsbeschränkung nicht schlecht, wogegen die sich ja immer noch wehren. Es ist einfach sicherer, es ist umweltfreundlicher, wenn man langsam fährt.
JAKOB: Ich würde mir wünschen, dass einfach alle mehr Fahrrad fahren.
[caption id="attachment_116944" align="alignleft" width="320"] Harry, 65 Jahre, Heike, 56 Jahre und Michael, 56 Jahre[/caption]
kreuzer: Welches Unternehmen ist größter Klimasünder und gehört abgeschafft?
HEIKE: Ganz vorne ist ganz klar RWE. Sonst sind natürlich auch Fluggesellschaften große Klimasünder. Fände ich nicht schlimm, wenn es die nicht mehr gäbe oder nur in ganz geringer Form. Automobilindustrie, die ganzen Klassiker. Aber die auch wirklich alle.
HARRY: Alle, die Kohle verbrennen.
[caption id="attachment_116939" align="alignleft" width="320"] Helke, 76 Jahre[/caption]
kreuzer: Glauben Sie, der Klimawandel ist noch zu stoppen?
HELKE: Ich denke den Klimawandel kann man schon noch stoppen. Aber ich bin der Meinung, dass die Umwelt, solange die Profitwirtschaft regiert, nicht zu retten ist. Deshalb ist auch wichtig, eine Debatte darüber zu entfachen, wie so eine Gesellschaft aussehen kann, die nicht den Profitinteressen der Kapitalisten, sondern den Interessen der breiten Bevölkerung entspricht.