Am 13.12 demonstrierten in Connewitz zahlreiche Menschen gegen rechte Strukturen in der Polizei. Neben Ermittlungen wegen Böllerwürfen und Rauchbomben geht es diesmal aber auch um einen gewalttätigen Polizisten.
Die Sonne ist schon lange weg, da wird es plötzlich wieder hell in der Biedermannstraße in Leipzig-Connewitz. Für das Licht sorgt ein großer, greller Scheinwerfer auf einem LKW. Aufgefahren hat ihn die Polizei, die gerade aus einer Gruppe vorrangig junger Menschen einzelne herausführt, um vor einer Häuserwand Fotos von ihnen zu machen. Ein Anwohner schaut sich die sogenannten »erkennungsdienstlichen Maßnahmen« vom Fenster aus an. Er lehnt sich auf die Fensterbank und raucht, während aus seiner Wohnung Punkrock zu hören ist. Der Songtext: »ACAB«.
Wenige Meter entfernt steht der Sprecher der Polizei Leipzig Olaf Hoppe vor einer Kamera und beantwortet die Fragen eines Journalisten. Wieder ist eine linke Demonstration in Connewitz eskaliert. Die Polizei zählt über zehn Straftaten, darunter Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Bei einem Mann ordnet die Staatsanwaltschaft eine Festnahme an, er soll einen »selbstgebauten pyrotechnischen Gegenstand« bei sich gehabt haben.
Hoppe spricht von einer »anfangs sehr friedlichen Situation«, aus der heraus es plötzlich »zu Bewurf auf Einsatzkräfte kam«. Wie die Polizei auf diese Bewürfe reagiert hat, führt wiederum zu Vorwürfen: Die einen sagen, die Beamten hätten Pressearbeit behindert, die anderen kritisieren grundlose Schläge auf Demonstrierende.
Kampfansage an die Polizei
Im Einsatz ist an diesem Abend die Polizei Sachsen zusammen mit der Bundespolizei. Als Demotag dürfte der 13.12. bei ihnen fest im Kalender stehen. Das symbolisch gewählte Datum steht für die Buchstaben ACAB, eine Abkürzung für »all cops are bastards«. Dementsprechend richtet sich die Kundgebung am Herderpark gegen die Polizei. In einem Aufruf heißt es: »Kampf den FaschistInnen in Uniform«. Wenige Tage zuvor hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) noch medienwirksam die Polizeiwache in Connewitz besucht.
Auch er kennt sich mit Kampfansagen aus. Nach wiederholten Krawallen hat er im September angekündigt, »Linksextremen« das Handwerk zu legen, denen es ohnehin nicht ums Thema gehe – damals ging es um bezahlbaren Wohnraum. Diesmal sprechen die Rednerinnen und Redner von rechten Netzwerken in der Polizei, Todesfällen in Gefängniszellen oder darüber, dass Uniformierte bei Fehlverhalten häufig ohne ernste Konsequenzen davonkommen. Laut Polizei startet die Versammlung mit 150 Menschen und wächst später auf 300 an. Auf die Reden folgen Sprechchöre wie »Ganz Leipzig hasst die Polizei« oder »Deutsche Polizisten schützen die Faschisten«.
Spontaner Aufzug schnell gestoppt
Nach einer Stunde wird es dann hektisch. Obwohl die sächsische Corona-Schutz-Verordnung ortsfeste Demonstrationen vorschreibt, löst sich eine Gruppe aus der Kundgebung und läuft auf die Wolfgang-Heinze-Straße Richtung Connewitzer Kreuz. Die Menschen zünden Rauchtöpfe, werfen Böller und Flaschen auf die Polizei. Es knallt im Sekundentakt. Weit kommt der Aufzug nicht. Innerhalb weniger Minuten dominiert die Polizei das Gebiet, fährt Wasserwerfer auf und räumt den dunklen Herderpark, über dem ein Polizeihubschrauber kreist. Am ursprünglichen Kundgebungsort löst sich nicht nur der Rauch in der Luft, sondern auch die Menge nach und nach auf. Eine kleine Gruppe bleibt und hört einer weiteren Rede zu – umstellt von zwei Polizeiketten.
Als ich mit meinem Presseausweis an einem Polizisten vorbei möchte, lässt er mich nicht durch. »Sind Sie Student?«, fragt er und schaut sich meinen Ausweis an. Ich antworte, dass das ja wohl keine Rolle spiele. Er sieht das offenbar anders und schickt mich weg. Danach erzählen mir Kollegen, dass Bundespolizisten Journalisten angegangen und dabei auch eine Kamera beschädigt haben sollen. Ein Beamter versichert auf Nachfrage, seine Dienstnummer herauszugeben, bevor er sich von seiner Einheit abschirmen lässt und verschwindet.
Die Polizei behindert Berichterstattung
Auch an einer anderen Szene ist die Bundespolizei beteiligt. Ohne Vorwarnung treiben Polizisten die verbliebene Kleinkundgebung auseinander, gehen auf den Redner los und nehmen jemanden fest. Warum, das kann zu dem Zeitpunkt selbst Polizeisprecher Olaf Hoppe nicht beantworten. Der wird bald zum nächsten Streitfall gerufen. Ein Journalist sagt, eine Polizistin habe ihn von der erkennungsdienstlichen Maßnahme in der Biedermannstraße weggeschickt und mit »körperlichem Zwang« gedroht. Im Nachhinein erzählt der Journalist dem kreuzer, wie die Einsatzkräfte reagierten, als er mit dem Polizeisprecher zurück gekommen ist: »Da kamen so Sprüche wie ›Müssen wir jetzt petzen, oder was?‹« Hoppe wirkt genervt und fragt, wo das Problem liege.
Die Polizistin antwortet, der Journalist hätte seinen Presseausweis zeigen müssen. Der erwidert, dass sie ihn dazu nicht aufgefordert habe. Dann mischt sich ein anderer Polizist ins Gespräch ein. »Ich muss Sie nicht ansprechen, sondern Sie sprechen uns an!«, fährt er den Journalisten an. Hoppe versucht zu vermitteln, der Kollege hält lautstark dagegen: »Sie müssen nicht mich belehren!« Er geht bis auf ein paar Zentimeter an den Journalisten heran und redet weiter energisch auf ihn ein. Der Polizist trägt dabei weder Mundschutz noch Visier.
Es ist nicht das letzte Mal, dass Hoppe sich an diesem Abend anbrüllen lassen muss. Während er erneut vor einer Kamera steht, ruft eine junge Frau vom Herderpark aus: »Du kannst gerne erzählen, dass Menschen grundlos ins Gesicht geschlagen wurde!« Ein MDR-Team zeigt ihm ein Video, in dem zu sehen ist, wie ein Polizist eine Person am Boden schlägt und danach liegen lässt. »Es gibt zumindest Anzeichen, dass hier nicht in jedem Fall professionell gehandelt wurde«, gibt Hoppe zu und verspricht, dass die Vorfälle ausgewertet würden. Seine Kolleginnen und Kollegen haben da schon die Maßnahmen beendet und den Scheinwerfer ausgeschaltet. Gegen den noch unbekannten schlagenden Beamten hat die Polizeidirektion Leipzig mittlerweile Ermittlungen eingeleitet.