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»Techno ist Black Music«

Das Musikkollektiv Music Of Color über die Leipziger Musikszene, Zwänge auf dem Dancefloor und Machtstrukturen im Club

  »Techno ist Black Music« | Das Musikkollektiv Music Of Color über die Leipziger Musikszene, Zwänge auf dem Dancefloor und Machtstrukturen im Club

Obwohl man in Leipzig auf die linke, progressive Clubkultur gerne stolz ist, tut diese sich immer noch sehr schwer damit, Talente zu fördern, die nicht dem Normbild des weißen Rumpeltechno-DJs entsprechen. Der kreuzer sprach mit den Künstlern Vanaenae, Mzngo, Somali Vendetta, Ra-min, Zyber und Do J darüber, wie sie das ändern wollen. An dieser Stelle veröffentlichen wir das Interview aus der Februar-Ausgabe des kreuzer 02/21.

kreuzer: Was verstehen Sie unter dem Begriff »Music Of Color«?SOMALI VENDETTA: Was ich mit dem Begriff verbinde, sind wir selbst, unsere Community. Wir bringen Dinge selbst in Bewegung, weil niemand das für uns tut.MZNGO: Für mich ist es ein gemeinschaftlicher Raum. Mit unseren Radioshows, Veranstaltungen und Diskussionen wollen wir die Perspektiven von BIPoC-Artists (BIPoC steht für »Black, Indigenous, People of Color«, d. Red.) zugänglich machen, sie mehr ins Zentrum dessen rücken, was Leute wahrnehmen, wenn sie auf die Clubkultur einer Stadt schauen, damit ihnen dazu nicht nur weiße Gesichter einfallen.RA-MIN: Es ist kein politischer Fachbegriff. Für mich war das immer schon in erster Linie ein Name, den wir mit Bedeutung füllen können. Das »Of Color« habe ich als Referenz auf den Begriff »People of Color« verwendet, der für mich persönlich sehr empowernd ist. Der Name soll außerdem darauf hinweisen, dass die Wurzeln vieler Genres in Black Music liegen. Vor allem Schwarzen Personen und People of Color verdanken wir zahlreiche Beiträge zur Musik. Dafür wollte ich meinen Respekt ausdrücken.

kreuzer: Was frustriert Sie an der Leipziger Musikszene?VANAENAE: Wenn ich im Club bin, ist es schon immer sehr monoton, was die Richtung angeht, was das Genre angeht. Ich habe gemerkt, dass viele Leute das Gefühl haben, man muss sich auf ein Genre festlegen – womit ich mich auch super schwertue. Seitdem ich mehr bei Music Of Color involviert bin, fällt mir immer mehr auf, wer eigentlich auf den Line-ups steht: Sind das Personen, die einen BIPoC-Hintergrund haben, oder sind das weiße Personen, sind das FLINT-Personen (FLINT steht für »Female, Lesbian, Inter, Trans«, d. Red.) oder nicht? Wenn man darüber nachdenkt und dann auf die Leipziger Musikszene schaut, ist das ziemlich frustrierend. Deswegen sehe ich in Music Of Color auch eine superschöne Chance: Wie können wir auf die Situation von BIPoC in der Musikszene aufmerksam machen, wie können wir den Blick für die Problematik schulen bei Personen, die sich dieser leider noch gar nicht bewusst sind? Wie können wir BIPoC-Personen helfen, die da sind, aber nicht gesehen werden in dem, was sie musikalisch machen?RA-MIN: Wogegen wir außerdem vorgehen wollen, ist die unreflektierte Aneignung von Musik. Techno kommt aus Detroit und wurde dort von Schwarzen Menschen populär gemacht, was viele hier nicht wissen, obwohl es hier eine so große Technoszene gibt. Dafür wollen wir ein Bewusstsein schaffen.MZNGO: Es ist frustrierend, dass die Leute, die sich am meisten mit der Thematik auseinandersetzen, selbst BIPoC sind.RA-MIN: Wir sagen nicht: Du kannst die und die Musik nicht spielen. Wir sagen: Es ist wichtig, die Geschichte der Musik zu kennen, die du spielst. Du solltest ihr mit Respekt begegnen, sensibel damit umgehen und wissen, wie du sie verwendest. Ich denke, dass das in Leipzig nicht wirklich passiert. Es sollte mehr Aufklärung darüber stattfinden, dass Techno eigentlich Black Music ist.ZYBER: Im Moment ist es so, dass viele Leute nicht nur ignorieren, wo diese Musik herkommt. Es gibt bestimmte Clubs, in die BIPoC nicht mal reinkommen. Das ist sehr ironisch und sehr frustrierend.

kreuzer: Ich kann mich an eine Situation während des Gigs beim Outside-Festival Ende September erinnern: Music Of Color haben auf der Bühne getanzt und parallel aufgelegt, das Publikum davor verhielt sich träge bis passiv. Ra-min kam dann nach vorne und rief ihm etwas zu in der Art von: Leute, wir tanzen hier nicht, damit ihr uns anschauen könnt, wir wollen mit euch zusammen tanzen. Erinnern Sie sich daran?RA-MIN (lacht): Nein, tue ich nicht. Vielleicht kann jemand anderes was dazu sagen.MZNGO: So, wie ich mich daran erinnere, habe ich manchmal ins Publikum geschaut und war etwas geschockt, wie die Leute so drauf sind – da kam aber auch einiges zusammen, die Lautstärke wurde oft runtergeregelt, für die Leute war die Musik nicht so laut wie für uns, da ging einiges schief. Aber Tanzen ist ein zentraler Aspekt unserer Gruppe. Die Freestyle-Tänzerinnen und -Tänzer, die oft zu unseren Shows kommen, beeinflussen, wie wir unsere Sets
gestalten, manche Tracks suchen wir speziell aus, weil wir wissen, dass sie es lieben werden, dazu zu tanzen. Wenn sich diese Art von Freude im Publikum nicht widerspiegelt, fühlt sich das merkwürdig an. Man fühlt sich fehl am Platz. Auch wenn ich mich an den exakten Moment nicht direkt erinnern kann, kam Ra-mins Äußerung wahrscheinlich daher. Über das Thema haben wir als Gruppe oft gesprochen.ZYBER: Ich kann dazu sagen, dass ich speziell in Leipzig immer Probleme hatte, mich auf dem Dancefloor frei zu fühlen: Wenn du tanzt, wirst du als Schwarze Frau auf eine bestimmte Weise angesehen und beurteilt. Ich glaube, die unterscheidet sich sehr von der Art und Weise, mit der man weiße Frauen auf dem Dancefloor anschaut und beurteilt.SOMALI VENDETTA: Wir als tanzende Schwarze Personen werden fetischisiert. Selbst wenn ich absichtlich schlecht tanze, sind alle so: »Oh mein Gott, kannst du gut tanzen«, und ich denke mir, fick dich, ich kann nicht tanzen, jetzt in diesem Moment tanze ich nicht besonders gut. Aber ich weiß, warum ihr denkt, dass ich das tue, nämlich, weil ich Schwarz bin. That really fucks me up.

kreuzer: Wenn Clubbing eines Tages wieder möglich ist: Was muss sich ändern?MZNGO: Machtstrukturen. Es geht darum, Macht abzugeben, BIPoC in Entscheidungspositionen zu bringen, damit sie die Clubkultur einer Stadt so gestalten können, dass sie die Zusammensetzung der Menschen, die in der Stadt leben, auch wirklich reflektiert. Das ginge vielleicht auch mit ausschließlich weißen Leuten in Machtpositionen, aber der Beweis dafür steht bis heute aus.DO J: Man muss sich fragen, welche Machtstrukturen gibt es innerhalb des Clubs? Wer ist für das Booking zuständig? Wenn solche Machtfragen besser öffentlich diskutiert würden, könnten sich auch gewisse Strukturen verändern. Dann 
wäre es für Music Of Color vielleicht möglich, auch mal eine Samstagnacht im IfZ zu kuratieren und nicht nur den 
Donnerstagabend.


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