Ist eine Seifenoper über den Alltag an einer Kunsthochschule ein subversiver Akt oder einfach nur schlechter Geschmack? Die Youtube-Serie »In Art We Trust« untersucht die Parallelen zwischen Telenovela und Gesellschaft. Im Gespräch mit dem kreuzer erzählt der Regisseur Benedict Reinhold von seiner Diplomarbeit, von der Produktion und wie es weiter geht. Das Interview zum Text in der April-Ausgabe des kreuzer.
kreuzer: Zuallererst, wie kam es zu der Idee eine Seifenoper über den HGB Alltag zu drehen? Hast du früher viel »GZSZ« geschaut?Benedict Reinhold:Am Anfang stand vor allem, dass es gewisse Erzählstrukturen gibt, die sich ähneln, zwischen einer Kunsthochschule und einer Soap. Die HGB ist ein abgeschlossener Bereich, wo es keinen Einblick gibt, so entsteht für Außenstehende eine Neugier, weil man nicht weiß, wie das funktioniert. Deshalb schien mir das Genre geeignet, um einen Alltag an der Kunsthochschule zu verfilmen. Es ist wie bei einem Hotel oder Krankenhaus. Deshalb war gerade „Sturm der Liebe“ stilprägend. Da habe ich mir den Aufbau von Szenen angeguckt, also gerade Kameraauflösung studiert und wie Leute den Raum betreten.
kreuzer: Du hast zum ersten Mal mit vielen unterschiedlichen Schauspielern zusammengearbeitet. Wie lief für dich die Produktion während des Lockdowns? Reinhold: Manchmal kam es mir bei der Serie so vor, als ob viel improvisiert wurde. War das Absicht?Auf jeden Fall passt es in die Ästhetik hinein. Wenn wir über die Produktionsweise reden, ist es erst einmal wichtig anzumerken, dass wir von einer Kunsthochschule kommen und nicht von einer Filmhochschule. Klassische Abläufe sind uns nicht so geläufig und dadurch entstehen dann Reibungen innerhalb der Produktion. Es ähnelt eher einer Performance, die man versucht darzustellen. Da lässt man einfach Dinge weg, die überflüssig sind. Ich bin ein großer Fan davon, wenn Leute einfach anfangen Film zu drehen. Allen war klar, wir müssen jetzt konzentriert arbeiten. In Absprache mit der HGB beispielsweise hatten wir nur das Pfingstwochenende, um die Szenen vor Ort zu drehen. Fast wie in einem Rausch. Wir hatten eine Woche Zeit zu planen, deshalb ist einiges sehr spontan passiert. Ich finde diese Reibung in der Produktion aber gar nicht schlimm. Dadurch entsteht eher eine Leichtigkeit. Es transportiert sich eher die Lust Geschichten einfach erzählen zu wollen und sie dann aber auch erzählt zu bekommen.
kreuzer: Was ist die Idee hinter der Produktionsfirma, die du gemeinsam mit Irma Blumstock gegründet hast, der »Gesellschaft poetischer Film«?Reinhold: Die Produktionsgesellschaft hat ihre Ursprungsidee tatsächlich darin, dass wir das Gefühl hatten, dass sich in unserem im künstlerischen Umfeld schnell eine Kamera gegriffen und sehr dokumentarisch gearbeitet wird. Irma und ich wollten dem etwas Poetisches gegenüberstellen. Oder wir haben alles, was wir dieser Art von Filmemachen entgegenstellen wollten, poetisch genannt. Für Irma und mich war es sehr schwer herauszuarbeiten, was das konkret sein sollte. Wir wussten eher was es nicht sein sollte. Beispielsweise, dass die Produktionen nicht umsonst sind, einfach dass man es schafft nicht mehr für umsonst zu arbeiten. Das hört sich bekloppt an, aber das sind grundlegende Sachen. Eine Plattform zu geben sich gegenseitig zu unterstützen und zu professionalisieren. Wodurch auch eben Förderer aufmerksam werden. Für uns fühlte es sich nämlich fast wie eine Unterwanderung an, Kulturstiftungen eine Telenovela als Kunstprojekt anzupreisen.
kreuzer: Die Reaktionen auf »In Art We Trust« sind ja grundlegend positiv gewesen. Was sind die nächsten Projekte, die ihr mit der »Gesellschaft poetischer Film« angehen werdet? Wird es eine zweite Staffel geben? Reinhold: Ich für meinen Teil habe nicht vor noch eine zweite Staffel zu drehen. Irgendwann war die Idee durchgespielt. Deshalb war es für mich auch okay, die Serie für beendet zu erklären. Ich persönlich mag auch keine Serien. Ich finde das Format superlangweilig und habe bestimmt noch keine einzige Serie zu Ende geschaut. Einige Leute waren richtig enttäuscht, dass die Charaktere nicht auserzählt wurden. Aber das Projekt ist für mich vorbei. Erst einmal beginnt nach dem Diplom meine Zeit als freischaffender Künstler. Gerade mache ich auch andere Sachen neben Filmen. Für solche Filmprojekte brauche ich auch viel Zeit, um mich einzulesen. Es gibt schon einige Parallelen zwischen Gesellschaft und Telenovela. Und obwohl ich mich gerne an TV-Formaten bediene, hat sich das Soap-Format für mich auserzählt. Im nächsten Film soll es aber um einen Müller aus dem 15. Jahrhundert gehen, der glaubt die Welt sei Käse.