110 versuchte Betrugsfälle gab es in Leipzig bereits 2021. Polizeipräsident René Demmler sieht sich in einem Wettrennen mit den Betrügerinnen und nennt die Prävention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Mit einem neuen Flyer macht der kommunale Präventionsrat auf die neuen und alten Gefahren aufmerksam.
Wir alle kennen das Gefühl, sich nicht oft genug bei den älteren Verwandten zu melden. Kommt es dann doch mal dazu, ist die Freude groß und die missverständlichen Gespräche vorprogrammiert. Ein Anruf schützt sie jedoch nicht nur vor Einsamkeit, sondern wirkt auch präventiv gegen Trickbetrug. »So kann wenigstens der Klang der Stimme nicht vergessen werden«, erklärt die Seniorenbeauftragte Kerstin Motzer auf einer Informationsveranstaltung zum Thema Trickbetrug gegenüber Seniorinnen. Auch der neue Polizeipräsident René Demmler und Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal nahmen daran teil.
Besonders weit verbreitet ist der berüchtigte Enkeltrick, bei dem die Betrügerinnen sich am Telefon als Verwandte in Notlage ausgeben und um einen Geldbetrag bitten. Häufig werden seit dem letzten Jahr COVID-19-Erkrankungen als Vorwand genommen, um an Geld zu kommen. Die allgemeine Angst vor dem Virus, dass Begegnungsangebote wegfielen und die Familienmitglieder seltener vorbei schauen, spiele den Betrügerinnen in die Hände. »Eine lange Isolation und fehlende Teilhabe können schnell mit kognitiven und körperlichen Abbauprozessen einhergehen«, sagte Motzer. »Dabei sind Seniorinnen sehr aufgeschlossen und mitteilungsbedürftig.« Trickbetrügerinnen nutzen das aus.
Das bestätigen die Zahlen. Während der Corona-Pandemie habe Trickbetrug stark zugenommen, erklärte Polizeipräsident René Demmler. Im letzten Jahr seien allein in Leipzig Schäden in einem hohen sechsstelligen Bereich zustande gekommen. »Wir haben sachsenweit seit mehreren Jahren eine Zunahme der kriminellen Energie, der Professionalität und der Fallzahlen verzeichnet«, sagte Demmler. »Durch die Pandemie hat dieser Trend noch mal zugenommen.« Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, stetig Energie in Präventionsarbeit und Aufklärung zu stecken. Dass ein Großteil der Betrugsversuche nicht zum Erfolg führen, zeige, dass Präventionsarbeit und Sensibilisierung funktionieren. Doch Demmler warnt auch: Das allein ist kein Selbstläufer.
Vehement nachfragen, ein bisschen misstrauen
Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal gab zu bedenken, dass Seniorinnen nicht nur in die Opferrolle gedrängt werden. Stattdessen sollten sie ermächtigt werden, sich selbst zu schützen – ein neuer Informationsflyer des kommunalen Präventionsrat soll dabei helfen. Darin wird auf die alten und neuen Betrugsmaschen aufmerksam gemacht und Tipps zum Schutz gegen Trickbetrug am Telefon oder an der Haustür gegeben. Er liegt in öffentlichen Einrichtungen und im Leipziger Impfzentrum aus. Neben Schockanrufen durch vermeintliche Verwandte würden sich die Betrügerinnen zuletzt auch häufig als Mitarbeiter von Behörden oder Katastrophenschutz ausgeben und zum Beispiel Schutzausrüstung oder Corona-Tests anbieten.
Stünden auch Personen in Polizeiuniform an der Tür und würden Zutritt in die Wohnung verlangen, sei ein gesundes Misstrauen gut, sagt Seniorenbeauftragte Motzer. »Es ist auch nicht erforderlich, Polizistinnen in die Wohnung zu lassen.« Polizeipräsident Demmler empfiehlt indes, sich Rat bei den Nachbarinnen oder telefonisch bei der Polizei zu holen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass vehementes Nachfragen der potenziellen Opfer dazu führt, dass die Tat doch nicht ausgeübt wird.