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Stadtleben

Männer, die Hilfe suchen

Häusliche Gewalt trifft nicht nur Frauen – eine Schutzeinrichtung in Leipzig fängt männliche Opfer in Krisensituationen auf

  Männer, die Hilfe suchen | Häusliche Gewalt trifft nicht nur Frauen – eine Schutzeinrichtung in Leipzig fängt männliche Opfer in Krisensituationen auf  Foto: Chris Schneider

An Tobias Lohs wenden sich Menschen aus unterschiedlichsten Milieus und Lebensphasen: 18-jährige Schüler, Professoren, Personen ohne Aufenthaltstitel, Väter, Arbeitslose, Rentner. Ein Anruf bei ihm ist meist der letzte Ausweg. Die Hilfesuchenden sind Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Lohs ist Sozialarbeiter und leitet das Männerhaus in Leipzig, das für sie einen Zufluchtsort bietet.

Seit 2017 gibt es die Wohneinrichtung des Vereins Lemann, in der bis zu drei Menschen gleichzeitig unterkommen können. Damit ist Sachsen Vorreiter: Dieses Projekt war das erste seiner Art, das von staatlichen Geldern finanziert wird. Im selben Jahr wurde ein Männerhaus in Dresden eingerichtet, im Februar 2019 noch eines in Plauen. Dass das Bundesland in Sachen Männerschutzarbeit breit aufgestellt ist, liegt daran, dass dieser im Gleichstellungsgesetz festgeschrieben ist. Chancengleichheit soll unter anderem durch den Zugang zu Schutzeinrichtungen für alle erreicht werden.

Inzwischen gibt es deutschlandweit neun Männerwohnungen mit insgesamt 24 Plätzen für Schutzbedürftige. Sie sind rar gesät, weshalb Betroffene aus allen Teilen des Landes nach Leipzig kommen, um sich von ihrem gewaltvollen Umfeld zu distanzieren. »Es ist ein Ergebnis der Kämpfe von Frauen, dass es die nötigen Infrastrukturen gibt«, sagt Jörg Gakenholz von der Landesarbeitsgemeinschaft Jungen- und Männerarbeit in Dresden.

Wie die Unterstützung für die Bewohner konkret aussieht, orientiert sich ausschließlich an deren Bedürfnissen. Manchmal sind es drei Wochen Schlaf und ein offenes Ohr, andere brauchen rechtlichen Beistand, eine neue Wohnung oder Termine beim Amt. »Hilfe zur Selbsthilfe« lautet die Devise. Lohs ist der einzige Mitarbeiter und bekleidet nur eine Dreiviertelstelle, er kann nicht rund um die Uhr für die Betroffenen da sein. Zusätzlich bietet er auch Einzelberatung für Männer an, die Orientierung und Schutz suchen, aber nicht im Haus leben wollen oder können. Seine Jungen- und Männerarbeit leistet der Verein aus einer feministischen Überzeugung heraus. »Wenn man will, dass Männer ihre Probleme angehen, sich Hilfe suchen und über Gefühle reden, muss es dafür auch ein Angebot geben«, findet der Sozialarbeiter.

Laut Landeskriminalamt sind knapp ein Drittel aller Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, männlich. Die Täter sind Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen in hetero- oder homosexuellen Beziehungen, Familienangehörige oder sonstige Personen aus dem sozialen Umfeld. Viele zögern lange, bis sie mit ihren Erfahrungen nach außen treten. Zu groß ist die Scham, die Angst, Schwäche zu zeigen. »Das stereotype Bild von Männlichkeit und dem Umgang mit Konflikten ist so tief verwurzelt ist, dass es wirklich brennen muss, bis ein Mann sich Hilfe sucht. Weil er es nie gelernt hat«, sagt Lohs. Wenn er ans Telefon geht, sagen Anrufer häufig, sie hätten sich nur verwählt. Gespräche mit den Opfern zeigen, dass Gewalt sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Viele bagatellisieren Ohrfeigen und leichte Schläge. Denn bereits Jungen wird früh vermittelt, Schmerzen aushalten zu müssen und körperliche Angriffe einzustecken. Hauptsache stark sein.

Die Statistik zeigt jedoch auch deutlich, dass die meisten Gewaltausübenden ebenfalls Männer sind. Und: Die Gewalt gegenüber Männern und Frauen unterscheidet sich stark in ihrer Intensität. Während weibliche Betroffene öfter schwere Körperverletzung und sexuellen Missbrauch erleben müssen, sind Männer eher psychischer oder finanzieller Gewalt ausgesetzt. Laut Lohs müssen diese Relationen immer mitgedacht werden. »Patriarchale Strukturen wirken natürlich auch auf Männer. Aber schlussendlich sind sie gegenüber Frauen und anderen Geschlechtern im Vorteil.« Personen, die selbst gewalttätig handeln, können nicht im Männerschutzhaus einziehen. Sie verweist der Berater dann auf die Leipziger Initiative Triade. Diese bietet täterorientierte Anti-Gewaltarbeit an, um Konflikte in der Zukunft besser zu lösen und bei der Selbstreflexion zu unterstützen.

Das Männerhaus ist ein Modellprojekt, das aktuell evaluiert wird. Fällt die Auswertung positiv aus, kann die Einrichtung in die Regelförderung aufgenommen werden. Lohs ist zuversichtlich, dass das Projekt in einer ähnlichen Form Bestand haben wird. »Wir müssen für Männer die Möglichkeit schaffen, sich zu wandeln und Sozialisation zu hinterfragen.«

 

> Männerhaus Leipzig: Schutzeinrichtung für von häuslicher Gewalt betroffene Männer, Tel. 22 39 74 10, www.maennerhaus-leipzig.de

> Lemann: Netzwerk Jungen- und Männerarbeit Leipzig, Bernhard-Göring-Str. 152, 04277, www.lemann-netzwerk.de

> Triade: Beratungsstelle für täterorientierte Anti-Gewaltarbeit, Arno-Nitzsche-Str. 45, 04277, Tel. 3 50 21 33, www.triade-le.de


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