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Kultur

Himmelsscheibe reloaded

Neue Horizonte in Halle

  Himmelsscheibe reloaded | Neue Horizonte in Halle

Eine Ausstellung zeigt: Die Himmelsscheibe von Nebra ist ein Schlüssel zu einer ganzen Epoche.

Zwanzig Jahre ist es her, dass die Himmelsscheibe von Nebra der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Scheibe war illegal geborgen worden, aber nicht nur deshalb war der Fund spektakulär. Die Himmelsscheibe – hergestellt vor circa 3.800 Jahren und in mehreren Schritten modifiziert – gehört als älteste bekannte Himmelsdarstellung zu den faszinierendsten Objekten der Bronzezeit. Das Landesmuseum für Vorgeschichte präsentiert mit seiner Sonderausstellung die Erkenntnisse der letzten zwei Jahrzehnte – zur Himmelsscheibe und zur Epoche. Eine davon ist, dass die Materialien, aus denen die Scheibe angefertigt wurde, sozusagen international sind, etwa aus dem heutigen Cornwall oder Österreich stammen. Das bedeutet: In der Bronzezeit hatten die Menschen weitreichende Beziehungen, sowohl was den Handel als auch allgemeines Wissen wie astronomische Kenntnisse betraf. Das Reisen zur damaligen Zeit war ein zeitintensives, gefährliches Unterfangen, konnte jedoch sehr lohnend sein, wenn Kontakte am Reiseziel und unterwegs geknüpft oder wertvolle Dinge wie Edelmetalle oder Gewürze mitgebracht wurden.

Die Verbindungen der Bronzezeit spiegeln sich in der Ausstellung in den vielen Leihgaben aus 14 Ländern wider, die 1.400 Jahre abdecken. Da sind zum Beispiel Ösenringe aus dem National Museum of Beirut, und das British Museum in London hat zehn Prozent der ausgestellten Exponate zur Verfügung gestellt, darunter das noch nie in Deutschland gezeigte Cape von Mold. Das reich verzierte Goldblechcape schmückte in der Frühbronzezeit vor ungefähr 3.600 bis 3.900 Jahren in Wales die Schultern einer Dame. Die Leihgaben ergänzen die Funde aus Sachsen-Anhalt, zu denen bei Weitem nicht nur die Himmelsscheibe gehört. Parallelen zwischen England und Sachsen-Anhalt beweisen ebenfalls, dass die Menschen in Kontakt gestanden haben müssen. Die Ringform von Stonehenge lässt sich im Ringheiligtum von Pömmelte im Salzlandkreis wiederfinden, von dem ein Modell für die Schau angefertigt wurde.

Ausgangspunkt der Ausstellung in Halle ist das ausgehende Neolithikum mit der schnurkeramischen Kultur um 2800 bis 2200 vor Christus. Im Atrium des Hauses werden neben der Himmelsscheibe und dem Cape aus Gold weitere rituell und kultisch bedeutsame Objekte der Bronzezeit gezeigt, etwa der Goldhut von Schifferstadt in Rheinland-Pfalz um 1400 bis 1300 vor Christus. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Elitegräber der frühen Bronzezeit, vom Ende des dritten Jahrtausends vor Christus bis in die Zeit der Himmelsscheibe hinein, als in verschiedenen Regionen Europas einige Tote mit Beigaben wie reich verzierten Waffen, edlem Schmuck und kostbaren Trinkgefäßen aus Edelmetall bestattet wurden. Wer tiefer eintauchen will in die religiöse Vorstellungswelt, astronomische Erkenntnisse, Fernbeziehungen und die Entwicklung früher Herrschaftsformen, kann dafür auch die mit der Ausstellung korrespondierenden Standorte aufsuchen.

Dieser Text erschien zuerst in der August-Ausgabe des kreuzer 08/21.


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