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Kultur

Der Himmel über Auschwitz

Anton Kusters Bildband findet neue Formen der Erinnerung

  Der Himmel über Auschwitz | Anton Kusters Bildband findet neue Formen der Erinnerung

Unzählige Bücher überfluten den Markt. Linn Penelope Micklitz und Josef Braun helfen einmal wöchentlich auf »kreuzer online« bei der Auswahl. Ein Fotoprojekt erinnert auf ungewöhnliche Weise an die Opfer des Holocaust — Literaturredakteurin Linn Penelope Micklitz stellt »1078 Blue Skies/4432 Days« vor.

Gerade in einer Zeit, in der nur noch wenige Zeugen von den Verbrechen der Nationalsozialisten persönlich berichten können, stellt sich die Frage nach dem Erinnern und dem Gedenken. Mit seinem Projekt »1078 Blue Skies/4432 Days« findet der belgische Künstler Anton Kusters eine ungewöhnliche und berührende Antwort. In sechsjähriger Recherche hat er ein Stück blauen Himmels über jedem früheren Konzentrations- oder Vernichtungslager der Nazis in Europa fotografiert. 1078 Himmel-Fotos sind so entstanden. Bilder eines Himmels, den auch die Gefangenen der Lager erblickten, wenn sie an einem der 4432 Tage, die diese Lager existierten, ihren Kopf hoben und nach oben schauten. Ein beklemmender Gedanke und ein nachhaltiger Effekt: Wer den großen schweren Bildband angesehen hat, dem kommt beim gedankenlosen Blick in den Himmel fortan in den Sinn, was Millionen Menschen zur Zeit der Nationalsozialisten erleiden mussten. Jedes Polaroid ist von Hand mit der Anzahl der Opfer unter diesem Stück Himmel sowie mit den GPS-Koordinaten versehen. Mehr als die Hälfte der Lager sind heute nicht mehr existent.

[caption id="attachment_129649" align="alignright" width="231"] »1078 Blue Skies/4432 Days«; Cover: Kehrer Verlag[/caption]

Kusters hat mit seinen Fotografien den kleinsten gemeinsamen Nenner der systematischen Vernichtung abgebildet — auch abseits großer Namen wie Auschwitz, jenseits schockierender Bilder, bleibt schlicht nicht mehr als der Himmel über uns. Sicherlich kein einfaches Buch, sicherlich kein leichter Effekt. Aber warum so viele Deutsche beim Gedenken an die Opfer des NS in Abwehrhaltung gehen, ist auch nicht so einfach zu verstehen. Schließlich leben wir, so zeigt Kusters eindrücklich, unter dem selben Himmel — eine besondere Art der Verantwortung, die aus dieser Erkenntnis wächst. Das stete Erinnern als Grundlage dafür, mit der Kollektivschuld eines unvorstellbaren Verbrechens umzugehen. Auch in der Zukunft.


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