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Kultur

Gegen die Leere spielen

Theater sind von Schließung überrumpelt

  Gegen die Leere spielen | Theater sind von Schließung überrumpelt

In Sachsen, dem Bundesland mit der niedrigsten Impfquote, steigen die Inzidenzen. Um das Infektionsgeschehen zu verlangsamen, wurden nun mit dem verordneten Teil-Lockdown auch die Theater geschlossen. Das ist nur teilweise begründet, meinen die freien Produktionshäuser Leipzigs.

Das Sprechen über die Pandemie geschieht in Bildern, die eines gemeinsam haben: Etwas bricht von außen über uns herein. In den wohlbekannten Formeln, bei der das Virus mit einer Naturkatastrophe und die Infektionsentwicklung mit zu brechenden Wellen verglichen wird, gerät ins Hintertreffen, dass es hier keine Fronten, kein Wir gegen die Infektion gibt. Es ist unser individuell, kollektiv und durch staatliche Regelungen choreografiertes Verhalten, auf dessen Grundlage pandemische Entwicklungen oft genau vorausgesagt werden können. In der Rhetorik des Ausnahmezustands, der immer wieder aufs Neue plötzlich über uns kommt, kann die politische Verantwortung auf eine unbeschränkte Notwendigkeit verschoben werden. Warum braucht es wieder eine »Notbremse«, bei der in Sachsen unter anderem Kulturveranstaltungen stark eingeschränkt werden, obwohl Vorschläge vorlagen, die Theateraufführungen schon vor Monaten infektionsarm gestaltet hätten?

Nun bleiben Zuschauersäle bis zum 12. Dezember leer – die Städtischen Bühnenhäuser schließen sogar bis zum 9. Januar –, dabei hätten schon früher Alternativen, etwa eine 2G+ Regelung, durchgesetzt werden müssen. Resigniertes Kopfschütteln erntet die doch überraschend drastische Entscheidung des vergangenen Wochenendes bei der Theaterleitung der Leipziger Cammerspiele. »Die Kultur hat genug Vorschläge für die Durchführung von sicheren Veranstaltungen gemacht und Modellprojekte entwickelt. Irgendwie hat man das Gefühl, das wird weder gehört noch ernst genommen«, schildert Sophie Renz.

Die Geschäftsführerin beteiligt sich an den Aktionen #dasistleipzig und #nurmitkultur, die auf die Notlage in der Kreativbranche aufmerksam machen. Während vor dem Sommer ein guter Austausch mit dem Kultusministerium bestand, sei der über die warmen Monate langsam eingeschlafen, sagt Renz. Müdigkeit stelle sich bei den Engagierten ein, deren Bemühungen Kulturveranstaltungen sicher, aber auch beständig anzubieten, unfruchtbar blieben.

Grundsätzlich stehe Sachsen zur Kultur, meint Anne-Cathrin Lessel. Die Künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des Lofft verweist auf die schnell möglich gemachten Unterstützungsgelder in der gesamten Pandemie. Dennoch wünscht auch sie sich einen besseren Dialog mit der Politik und langfristige Perspektiven. Vom 16. bis 19. Dezember plant das Haus das internationale Festival »Zirkus trifft Tanz!«. Die Theaterleitung steckt in einer Zwickmühle: Sollten die Veranstaltungen jetzt beworben werden, obwohl Kontaktbeschränkungen das Gebot der Stunde sind? Und ist es haltbar, falls die Theater über Weihnachten geschlossen bleiben, den anreisenden Künstlerinnen erst ein paar Tage vorher abzusagen?

Nach Planungssicherheit sehnen sich die Häuser, die bang auf die wiedereinsetzende Schuldenbremse schauen. Bereits jetzt wechseln viele freie Theaterschaffende den Beruf, um sich finanziell abzusichern, bemerkt Jonas Klinkenberg, der künstlerische Leiter des Westflügels. Trotz berechtigter Resignation wäre jetzt der Zeitpunkt, die Bedürfnisse der Häuser und freien Mitarbeiterinnen einzufordern. Das heißt, auf nachhaltige Perspektiven über den Moment der Krise hinaus zu bestehen.

LARA WENZEL


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