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Die Pfütze im Rosental

Teich im Rosental trocknet aus

  Die Pfütze im Rosental | Teich im Rosental trocknet aus

Einst schwammen Karpfen und Hechte in ihm, bald soll nur noch eine Gedenktafel an die vergangenen, guten Zeiten erinnern: Der Teich im Rosental wird austrocknen. Hat die Stadt wirklich alle Optionen zur Rettung geprüft? Und welche Rolle spielt der Zoo?

Wiese, Büsche, Bäume, so weit das Auge reicht. Leipzigerinnen lieben ihr grünes Rosental. Schon Goethe holte sich hier Inspiration und Ruhe während seiner Studienzeit von 1765 bis 68. Doch die besten Jahre hat das Rosental hinter sich, so scheint es. Im östlichen Teil verlor es eine größere Fläche durch mehrere Erweiterungen des Leipziger Zoos. Die Rückseite des Zoogeländes hin zum Park ist für Parkbesucher zudem kein schöner Anblick: Hohe Zäune mit Stacheldraht und hölzerne Mauern sind das, was ins Auge fällt. Und was ist eigentlich mit dem Teich am südlichen Eingang zum Rosental? Seit mehreren Jahren trägt er wenig bis kein Wasser mehr. Der Teich, in dem einst verschiedene Fischarten lebten, an dessen Ufern viele Vögel einen Unterschlupf fanden, auf dem Schwäne schwammen und die Leipzigerinnen in kalten Wintern Schlittschuh liefen, wird austrocknen. Denn er speist sich aus Regenwasser und die Regenfälle nahmen in den vergangenen Jahren stetig ab. Durch die Trockenheit wurde die Lehmsohle des Teichs brüchig, so dass das wenige Regenwasser nicht mehr gehalten werden kann – es versickert. Nur am vorderen Teil scheint die Teichsohle intakt geblieben zu sein.

So wurde innerhalb weniger Jahre aus dem Teich eine Pfütze. Bald soll eine Gedenktafel an den ehemaligen Schwanenteich erinnern. Das hat der Stadtrat Mitte Oktober mit knapper Mehrheit beschlossen – übrigens mitgetragen von den Grünen. Aus dem ursprünglichen Beschluss, »ein Konzept zum Erhalt des vorderen Rosentalteichs in seiner gestalterischen und ästhetischen Funktion vorzulegen«, wurde der Auftrag an die Stadtverwaltung formuliert, eine Gedenktafel aufzustellen. Die Aufschrift könnte lauten: »Hier befand sich einst der Teich Rosentalwiese. Aufgrund des Klimawandels ist er trockengefallen und führt kein dauerhaftes Wasser mehr.« Die Stadt wird den Teich also seinem Schicksal überlassen. Er soll als warnendes Beispiel für den voranschreitenden Klimawandel dienen. Im Beschluss ist noch festgelegt, dass bis zum zweiten Quartal 2022 mögliche Schäden der Teichsohle behoben werden sollen – danach ist Schluss. Doch ist das Vorgehen wirklich alternativlos?

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer hat bereits verschiedene Varianten für eine nachhaltige Stabilisierung des Wasserstandes geprüft. Leider ohne positives Ergebnis, wie Ordnungs- und Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) angibt. Geprüft wurde, ob Wasser aus der nahe liegenden Parthe genutzt werden könne. Doch das Fließgewässer führe seinerseits zu wenig Wasser. Die Versorgung mit Löschwasser aus Hydranten sei aus Gründen der Ressourcenschonung keine Option. Eine Mitbenutzung der Zoobewässerung falle raus, da der Zoo das Wasser selbst benötige. Geprüft wurde auch, ob der Teich mit Grundwasser versorgt werden kann. Doch das würde den ohnehin niedrigen Grundwasserspiegel zu sehr belasten. Zu niedriger Grundwasserspiegel?

In rund hundert Metern Luftlinie zum austrocknenden Teich baut der Zoo eine neue Wasserwelt namens »Feuerland«. Seelöwen, Pinguine und Pelikane sollen hier ab 2023 die Zoobesucher unterhalten – inklusive Unterwassertunnel und großer Zuschauertribüne. Ein 30-Millionen-Euro-Projekt. Aktuell herrscht aber Baustopp, weil das Grundwasser zu hoch steht. »Während Wasser für den Teich und Grundwasser für das Rosental fehlen, steht es beim Zoo zu hoch. Hier kann irgendetwas nicht stimmen«, findet Meigl Hoffmann, Kabarettist und Anwohner im Rosentalgebiet. Er beobachtet die Entwicklung des Rosentals seit Jahren intensiv. An einem sonnigen Morgen im November fährt er auf dem Fahrrad vor. Sofort kommt er ins Erzählen und zeigt auf zwei große Buchen: »Das war das Fußballtor. Hier habe ich stundenlang mit meinen Freunden gespielt.«

Das bereits angeknackste Wappen am historischen Denkmal ging beim Torwandschießen zu Bruch. Wer Hoffmanns Erzählungen lauscht, merkt sofort: Hier geht es um mehr als bloß die Rettung eines Teichs. Hoffmann ist der Meinung, neben der Stadt trage auch der Zoo zumindest eine Mitverantwortung für die angrenzenden Bereiche des Rosentals – also auch für den Teich. Durch das Expandieren des Zoos werde den Besuchern des Rosentals mehr und mehr die Aufenthaltsqualität genommen. Innerhalb der Metallzäune agiere der Zoo nach Prinzipien der Nachhaltigkeit und des Naturschutzes, nach außen hin würde er sie vernachlässigen. »Die Verantwortlichen des Zoos haben die Gelegenheit, durch die Beteiligung an der Rettung des Teiches ein Zeichen für Naturschutz zu setzen«, so Hoffmann. »Es könnte zum Beispiel ein Biotop entstehen, in dem heimische Tierarten ein Zuhause fänden. Kinder könnten Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten und viel lernen.« Sieht das die Zooleitung auch so?

Auf die Frage, ob eine Rettung des Teichs in Erwägung gezogen werde, antwortet der Zoo, dass man »in einem sehr engen Austausch mit den Verantwortlichen der Stadt« stehe und dass man bezüglich der angrenzenden Flurstücke des Rosentals »sehr sensibel« handle. Detaillierter könne man auf die Anfrage nicht eingehen, da der Zoo nicht Hauptakteur sei. Aber wer ist es dann? Die Stadt, die zu hundert Prozent Anteilseigner des Zoos ist? Die Stadt teilt mit, dass das Amt für Stadtgrün verschiedene Varianten für eine Stabilisierung des Wasserstandes geprüft habe – ohne Erfolg. Daher werde dem Beschluss des Stadtrats nachgegangen und eine Gedenktafel errichtet.

Meigl Hoffmann reicht das nicht. Er sagt, dass das Grundwasser von Norden nach Süden durch das Rosental fließe. Die vier Pumpen des Zoos, die Grundwasser für den Eigenbedarf entnehmen, befinden sich nördlicher als der Teich. Ein Gutachten könnte klären, ob der Zoo möglicherweise Grundwasser entnimmt, das für den Teich überlebenswichtig wäre. Es gehe hier nicht darum, einen Schuldigen auszumachen, so Hoffmann, sondern darum, eine gemeinsame Lösung zu finden, um den Teich doch noch zu retten und ein verträgliches Miteinander von Zoo und Bürgerpark zu ermöglichen. Die Beauftragung eines externen Gutachtens sei nicht vorgesehen, heißt es vonseiten der Stadt.

Um zumindest den vorderen Teil des Teichs wieder mit Leben – also Wasser – zu befüllen, könnte das Zuführen von Wasser aus dem Pleißemühlgraben die vielleicht letzte Chance sein. »Diese Option wird geprüft, sofern die Öffnung des Pleißemühlgrabens durch den Stadtrat beschlossen wird«, so Umweltbürgermeister Rosenthal. Sollte auch diese Alternative wegfallen, ist das Schicksal der Pfütze im Rosental wohl endgültig besiegelt.

VINCENT EBNETH

 


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