Der Druck von Anwohnerinnen und Kleingärtnerinnen hat die Stadt dazu bewogen, das Gelände um das zukünftige Kulturzentrum im Gleisdreieck in Connewitz zu kaufen. Damit bekennt sie sich zu einer lange erwünschten Vermittlerrolle im konfliktreichen Planungsverfahren. Die Club- und Kulturstiftung, die das Gelände im Juli gekauft hatte, prüft derzeit, ob sie dagegen Widerspruch einreicht.
Noch im August verkündete die Club- und Kulturstiftung: Das 3,6 Hektar große Gleisdreieck-Gelände in Marienbrunn ist gekauft. Man sei sich in Verhandlungen mit der Bahn AG einig geworden und habe damit einen wichtigen Schritt in Richtung Kreativhotspot getan. Im ehemaligen Kraftwerk der Bahn, das nicht Teil des verkauften Geländes ist, aber daneben liegt, plant die Club- und Kulturstiftung seit zwei Jahren, ein Kulturzentrum mit Musikspielstätten, Konzert-, Proberäumen, Ateliers, Büros und Werkstätten zu errichten. Auch die Clubs Distillery und TV-Club sollen dort frühestens 2025 einziehen.
Neben 30 Garagen, einer Freifläche und der Zufahrtsstraße befindet sich auf dem Gelände auch eine Kleingartensiedlung. Weil für das Kulturzentrum ausreichend breite Zufahrtswege und Freiflächen geschaffen werden müssen, hatten Anwohnerinnen und Kleingärtnerinnen immer wieder Sorge vor einer Verdrängung geäußert. Überraschend gab die Stadt nun bekannt, sie werde von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen und das Gelände selbst für 575.000 Euro kaufen. Das ist möglich, weil für das gesamte Gelände ein Bebauungsplanverfahren läuft. »Insbesondere soll die Sicherung dort bestehender Kleingartenflächen […] erreicht werden«, sagte Baubürgermeister Thomas Dienberg in der öffentlichen Ausschusssitzung. Weitere Knackpunkte im Planungsverfahren sind Lärm durch Besucherströme und die Verbreiterung einer Straße, die als Rettungsweg fungieren soll. Dafür könnten bis zu drei Kleingärten umgesiedelt werden, so die Stadt.
Immer wieder hatte auch die Stiftung beteuert, dass sie die Kleingartenanlage erhalten und die Mietverträge nach dem Kauf weiterführen will. In einem Beteiligungsverfahren mit Bausonntagen und Informationsveranstaltungen versuchte die Stiftung, die Sorgen anzugehen. Darin sicherte sie auch Lärmschutzmaßnahmen und einen Zuweg abseits der Anwohnerinnen zu. Ein Mehrfamilienhaus liegt nur 30 Meter vom zukünftigen Club entfernt. Doch Kritik seitens der Kleingärtnerinnen an der zu zähen Kommunikation mit der Stiftung blieb und die Fronten verhärteten sich. Bausonntage der Stiftung wurden von den Anwohnerinnen boykottiert und mit Transparenten und Protesten begleitet. Lange hoffte man auf eine Mediation durch die Stadt, die einen runden Tisch immer wieder aufschob. Robby Müller, Vorsitzender im Leipziger Kleingartenverband, trug die Bedenken in den Kleingartenbeirat, der wiederum beauftragte die Stadt damit, das Vorkaufsrecht zu prüfen. »Ich bin froh, dass wir so einen Beirat haben und Einfluss üben konnten«, so Müller. Die Entscheidung der Stadt, das Gelände kaufen zu wollen, begrüßt er. Genauso wie Ralf Müller, der im Gleisdreieck einen Kleingarten hat: »Das ist genau das, was die Planung in saubere Bahnen leitet. Jetzt können wir unsere Rechte über die Verwaltung einfordern. Als Kleingärtner bin ich damit erst mal zufrieden«, sagt Ralf Müller. »Die Sache ist damit aber noch nicht vom Tisch.«
In der Stadtratssitzung im Oktober wurde das Thema dann noch einmal hitzig diskutiert. OBM Burkhard Jung (SPD) verleitete das dazu, ein Machtwort zu sprechen: »Für die Anwohner und die Kleingärtner, die dort bislang ihre Ruhe hatten, wird sich vieles ändern.« Doch nun hat anscheinend auch die Stadt ein Interesse daran, die Karten im Planungsverfahren neu zu mischen. »Um das Bauleitplanverfahren durchzuführen, ist es für die Stadt Leipzig von Vorteil, wenn sie in das Eigentum der betroffenen Flächen gelangt«, so die Verwaltung. Dadurch seien die Ereignisse des Planverfahrens »nicht abhängig von Einzelinteressen«.
Mit nur zwei Stimmenthaltungen hat der Grundstücksverkehrsausschuss den Kauf kurz vor Fristende am 8. November beschlossen. Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit äußerten vor allem die Stadträte Jürgen Kasek (Grüne) und Marcus Weiss (Linke). Sie hatten angemerkt, dass es möglicherweise mildere Mittel gäbe, um den Erhalt der Kleingartenanlage zu sichern. Dem widersprach die Verwaltung: Weil noch nicht klar sei, welche Flächen gebraucht werden, sei ein Kauf des gesamten Areals notwendig. Nicht benötigte Flächen könne die Stiftung nach Abschluss des Planverfahrens wieder zurückkaufen.
Steffen Kache, Mitbegründer der Stiftung, gab zu Protokoll, dass man das Eigentum nicht ohne Zwang aufgeben und daher einen Widerspruch gegen die Ausübung des Vorkaufsrechtes einlegen wolle. Es liege aber auch im Interesse der Stiftung, eine für alle Beteiligten vorteilhafte Vereinbarung zu treffen. Gegenüber dem kreuzer ruderte Kache zurück und sagte, dass die Stiftung noch prüfe, ob sie Widerspruch einreicht. Die Freifläche im Gleisdreieck hatte Kache noch im Oktober als mögliche Interimslösung in Form eines »Containerdorfs« für seinen Club Distillery und den TV-Club in Erwägung gezogen. Beide müssen schon bald großen Wohnungsbauvorhaben in der Innenstadt weichen. »Wir sind jetzt gemeinsam mit der Stadt an einer anderen Übergangslösung dran«, so Kache. »Genaueres können wir aber erst im Januar sagen.«
Titelfoto: Christiane Gundlach